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Die Parteien zur Wahl:
ver.di befragt Politiker

Etwa 70 Kolleginnen und Kollegen nahmen an der Podiumsdiskussion am 21. April zur Kommunalwahl 2008 teil, zu der der ver.di Bezirksvorstand in den Legienhof eingeladen hatte. Auf dem Podium saßen die ParteienvertreterInnen Michaela Pries (CDU), Lutz Oschmann (Die Grünen), Ralph Müller-Beck (SPD), Hubertus Henke (FDP), Anke Danker (SSW) und Ulrich Schippels (Die Linke). Die stellv. Landesleiterin von ver.di Nord, Kirsten Jöhnck, moderierte zielstrebig die Diskussion und stellte Fragen zu den Themen Rekommunalisierung, Arbeit, Leben und Bildung in Kiel.

Es überraschte nicht, dass alle Parteien vor der Kommunalwahl sich bemühten, die Forderungen der Gewerkschaften als  selbstver- ständlich darzustellen. Aber bei der konkreten Umsetzung gab es denn doch erhebliche Unterschiede. Einigkeit gab es am Ende nur bei dem Ziel, die Teilnahme der Nazis in den Parlamenten zu verhindern. In der anschließenden Diskussion mit den KollegInnen regte sich vor allem Protest an der sozialen Frage, an den Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern, an der menschenun-
würdigen Situation der Hartz-IV-Empfänger und dem Umzugszwang durch die ARGE und Stadt Kiel. Hier verwiesen CDU, FDP und SPD auf die  Bundespolitik und das man nicht mehr tun kann, während Die Linke mehr Geld für die Kommunen durch eine gerechtere Steuerpolitik und die Umwandlung der Hartz IV Empfänger in sozialverträgliche Arbeitsplätze forderte.Bezüglich der Frage nach demokratischen   Mitwirkungsmöglichkeiten in der Kommune hatten die meisten Parteien wenig Ideen und verwiesen auf die Ortsbeiräte. Die Grünen und Die Linke machten sich für einen Bürgerhaushalt stark.

Zu den einzelnen Themen:

Zur Frage nach den Möglichkeiten der Rekommunalisierung in Kiel will die SPD nach Sachlage entscheiden, die Menschen mehr mit einbeziehen und die städtischen Unternehmen stärken. Die CDU will nicht um jeden Preis privatisieren. Rekommunalisierung sei nicht der Weg, aber eine Option. Die Grünen bemängelten selbstkritisch die damalige Privatisierungsentscheidung zur KVG, begrüßen jetzt die Rekommunalisierung und denken, dass auch die Stadtwerke nach Optimierung wieder städtisch sein könnten. Die FDP ist ein Gegner von Rekommunalisierungen, aber man müsse das nach rechtlichen Gesichtspunkten im Einzelfall entscheiden. Die Daseinsvorsorge sei oberstes Ziel. Die Linke unterstützt alle Rekommunalisierungen und verwies auf die Folgen der Privatisierung im Pflegebereich, bei Post und Bahn. Sie forderten, dass nach der Rekommunalisierung der KVG das Personal auch wieder vernünftig bezahlt wird. Der SSW lehnt Privatisierungen von öffentlicher Daseinvorsorge grundsätzlich ab und hält die Rekommunalisierung der Stadtwerke für nötig, um mehr Einfluss zu nehmen. Sie warnte in diesem Zusammenhang vor der Renditeerwartung die vor einer Klimapolitik gestellt wird und warnte vor dem geplanten Neubau eines Kohlekraftwerkes und dessen Folgen für Kiel.

Zum Forderung nach Mindeststandards, Tarifarbeitsplätzen, Arbeitsplatzerhalt und Auftragsvergabe mit Tariftreue: Die CDU will die kommunale Wirtschaft stärken, den Standort stützen durch kommunale Auftragsvergabe und sich als Kommune bemühen, dass die Arbeitsplätze vor Ort bleiben und die Gesetze eingehalten werden. Für die SPD steht der Mensch im Vordergrund. Sie setzt sich ein für die Tariftreue auf kommunale Ebene. Die Grünen wollen möglichst wenig Sonntagsöffnung und unterstützen den Kompromiss mit den sieben Sonntagen. Was die Arbeitsplätze betrifft, müsste verdi an vorderster Front gegen das Kohlekraftwerk sein, denn mit 1,2 Milliarden Euro Investitionen 90 Arbeitsplätze zu schaffen, sei mit 16 Millionen Euro pro Arbeitsplatz ein beschämendes Ergebnis. Mit einer nachhaltigen dezentralen Energieversorgung, wohnungsbauenergetisch und mit Solartermie sei erheblich mehr zu schaffen.
Die SPD hat gemeinsam mit den DGB und Kirchen die Sonntagsöffnung verhindert, während Frau OB Volquartz jeden Sonntag öffnen wollte. Das ist jetzt ein guter Kompromiss, da nicht mehr als dreimal im Jahr pro Betrieb eine Sonntagsöffnung möglich ist.

Die FDP berief sich auf gesetzliche Regelungen, wonach Tariftreue für städtische Betriebe nicht anwendbar sei. Dies gelte nur bei allgemeinverbindlichen Verträgen. Gegen die Arbeitslosigkeit fehle ein gesamtgesellschaftliches Konzept um mehr Wachstum hinzukriegen. Städtebaulich wurde auf des Konzept im dänischen Nyhavn verwiesen. Der Wissenschaftsstandort könne nicht durch Rathausgalerien gestärkt werden. Die CDU rühmte sich, viel auf den Weg gebracht zu haben, um den Wissenschaftsstandort zu stärken und wandte sich gegen die permanenten Verhinderer, die alles blockieren, wenn sie Investoren in die Stadt holen.

Die Linke stellte fest, dass es zwar viele Kaufgelegenheiten in Kiel gibt, aber die Menschen nicht mehr genug Geld haben und wandte sich u.a. gegen die Rathauspassage, aber auch gegen das Science Center als nächstes Millionengrab und die Verschlechterung des freien Zugangs zur Förde durch Sicherheitszäune. Zum Mindestlohn gäbe es eine Mehrheit, aber trotzdem werde er nicht umgesetzt. Der SSW ist der Meinung, dass auch der Mindestlohn keine Veränderung bringen wird und hält einen Grundlohn für wichtig, damit eine Grundsicherung für alle da ist.

Die SPD will die Tariftreue umsetzen mit der Zielrichtung, nur Aufträge an solche Betriebe zu geben, die sich daran halten. Die SPD will ein Dezernat für Arbeit und Wirtschaft einrichten, auch zur Förderung der maritimen Forschung und Entwicklung. Die CDU rechtfertigte die Liquidation der KIBA, da sie ein Millionengrab für Weiterbildung mit wenig Erfolg gewesen sei. ARGE und Stadt Kiel hätten viel Personal und soziale Einrichtungen auf den Weg gebracht, um die Arbeitslosen da abzuholen wo sie sind, um sie wieder fit zu machen für den Arbeitsmarkt und nicht in Sucht versinken (Letzteres wurde nach Kritik wieder zurückgenommen). Die SPD will alle arbeitslosen Menschen wieder integrieren und die zehnprozentige Arbeitslosigkeit so schnell wie möglich über Hartz-Reformen wieder beenden. Die Linke will aktive Arbeitsmarktpolitik machen, weil die Wirtschaft dazu nicht in der Lage ist. Bei der rechtlosen Situation der 1-Euro-Jobs hat die Bundes- und Landesregierung mitgespielt. "Die Hartz-IV-Empfänger müssen vernünftig und sozialversicherungspflichtig bezahlte Jobs erhalten, wenn wir das Leid der Leute lindern wollen. Wir müssen eine Perspektive mit Beschäftigungsgesellschaften bieten." Für Die Grünen ist auf Kieler Ebene nicht viel machbar. Der § 16 (?) soll angewendet werden, um mit der KWV (?) 500 Arbeitsplätze zu schaffen. Mit der KIBA ist viel falsch gelaufen.

Zur Frage, was aus den entwürdigenden 1-Euro-Jobs werden soll: Nach Meinung der CDU sollen die 1-Euro-Jobs die Menschen wieder an die Arbeit heranführen und sie will darüber nachdenken, was daraus geworden ist. Das Problem seien die Vermittlungshemmnisse wie z. B. das Alter. Es müsse ein wirtschaftsfreundliches Klima geschaffen werden, außerdem sei eine bessere schulische Bildung nötig, z. B. durch Ganztagsschulangebote. Die FDP versteht nicht, was die Kommunalwahlen mit dem Mindestlohn zu tun haben, aber sie fordert ein Bürgergeld mit einer Einkommensgrenze. Wenn es einen Mindestlohn gäbe, hätten die Kollegen keinen Grund mehr in die Gewerkschaft einzutreten.

Zum Thema Leben in Kiel und zur Verbesserung des Wohnungsbestandes: Die CDU sagte, dass die SPD (unter dem ehemaligen Oberbürgermeister Norbert Gansel) das städtische Wohnungseigentum bereits verkauft hat. Es gibt nichts, was noch verhöckert werden könnte. Die SPD antwortete, das dies doch zur Entschuldung des Stadthaushaltes beigetragen habe. Der Wohnungsbau sei eine Herausforderung bei der Bevölkerungsentwicklung. Auf die Frage, ob der private Wohnungsbestand wieder zurückgeholt werden kann, antworteten die Grünen, dass die Stadt Kiel seinerzeit mit 250 Mio. DM einen stolzen Preis erhalten habe und das wohl nicht wieder zurückholen kann. Inzwischen haben bereits dreimal die "Heuschrecken" den Wohnungsbestand übernommen. Für Hartz-IV-Empfänger muss die Mietobergrenze angehoben werden um das Umzugskarussell nicht anzukurbeln. Die Linke fand, dass die Stadt über ihre ARGE nicht zulassen sollte, was mit den Hartz-IV-Empfängern geschieht. Es sei Brutalität gegen die Menschen. Wohnen ist ein Recht. Der SSW forderte bezahlbaren Wohnraum für alle. Da sei eine Aufgabe der Kommune.  Die Hartz-IV-Gesetzgebung hält der SSW grundsätzlich für falsch. Die SPD spricht sich dafür aus, dass das Erbbaurecht bleibt.

Zur Forderung für bessere Bildung für Menschen mit Migrationshintergrund: Die FDP sagt, dass Bildung auch für diese Menschen ermöglicht werden muss. Ansonsten sollten die Politiker vom Bildungssystem die Hände lassen und dieses besser ausstatten, zum Beispiel mit Ganztagsschulen und warmen Mittagessen. Die Linke hält die Auslese von Kindern für grundsätzlich falsch: "Wir brauchen eine Durchlässigkeit bis zur 10. Klasse." Die CDU sagte zur Chancengleichheit, dass die Bildung möglichst früh stattfinden und dass dazu genügend Ausstattung und Personal vorhanden sein muss. Die Grünen setzen sich für das Lernen der Sprache für Migranten bereits im Kindergarten ein. Frühzeitiges Aussortieren soll verhindert werden. Neue pädagogische Konzepte und Ganztagsschulen sind nötig. Es wurde problematisiert, dass nur noch 24% nach dem Abschluss eine Ausbildungsstelle bekommen. Die SPD bemängelte, dass die Stadt die Chance bereits vertan hat und forderte die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen. Der SSW setzt sich ein für den konsequenten Ausbau von Gemeinschaftschulen und fordert auch die dänische Sprache mit zu erlernen. Das Wissen über die Nachbarn kann auch die Fremdenfeindlichkeit verhindern.

(Uwe Stahl)