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Privatisierung der Bahn:
Der Tragödie nächster Akt

Die Deutsche Bahn und ihre Privatisierung - Großes Theater, eine Deutsche Tragödie in mehreren Akten. Mephistopheles Mehdorn, der Gesandte der Kraft, die vorgibt, stets das Gute zu wollen und doch stets Böses schafft, hat in Norbert Hansen seinen willfährigen Heinrich Faust gefunden. Der Faustische Pakt mit dem Arbeitnehmervertreter Hansen wurde bereits vor längerer Zeit besiegelt, Hansen diente Mephistopheles Mehdorn im Diesseits und gestern erhielt der treue Diener auch seinen verdienten Lohn für Jenseits - wie Kai aus der Kiste zauberte Mehrdorn den ehemaligen Gewerkschafter als neuen Arbeitsdirektor der Deutschen Bahn aus dem Hut - ein Vorstandsposten, der mit einer hohen sechs- bis siebenstelligen Apanage entgolten wird. Ein Frontenwechsel ist dies nur aber auf dem Papier, Hansen war bereits länger das Trojanische Pferd der Kapitalseite in der Arbeitnehmervertretung.

Norbert Hansen ist SPD-Mitglied und Gewerkschaftsfunktionär und damit qua Vita nicht eben verdächtig, für die Interessen derjenigen einzutreten, die er zu vertreten vorgibt. Aber selbst unter den Leuchttürmen der Prinzipienlosigkeit in diesen beiden Organisationen, ist Hansen eine wahre Lichtgestalt. Er hat die stärkste Bahngewerkschaft Transnet - eine DGB-Gewerkschaft - stramm auf  Privatisierungskurs getrimmt und dabei mehr als einmal die Interessen seiner Arbeitnehmer verraten. Hand in Hand trieb er mit Mehdorn die Privatisierung voran und stellte sich dabei offen gegen die anderen DGB-Gewerkschaften. An dem offenen Krieg zwischen der  Konkurrenzgewerkschaft GDL und der Bahn ist er nicht unschuldig.

Wie sollte man den GDL-Mitgliedern auch zumuten, ihre Interessen bei den Tarifverhandlungen vom U-Boot Hansen wahrnehmen zu lassen - dies zu verhindern, war die hart umkämpfte Kernforderung des Arbeitskampfes der GDL. Widerstand gegen Reallohnkürzungen und Entlassungen in seiner Gewerkschaft erstickte er im Keim und er brachte es fertig, seine Mannen zu paralysieren, sie auf „seine” Linie zu bringen und so dem Fatalismus zu frönen. Innerhalb der SPD vermochte er es immer wieder, die Kritik am Börsengang zu unterminieren. Auf dem Hamburger Parteitag im letzten Oktober war er der vehementeste Befürworter der Mehdornschen Börsenpläne. Er hatte allerdings nur wenig Erfolg - die alte Tante SPD besann sich in ihrer Agonie eines letzten Restanstandes und beschloss einen Börsengang mit Vorzugsaktien, ein Modell, das die Entscheidungsgewalt beim Volke lassen würde. Hansen selbst spielte - nach den Aussagen von Beteiligten - bei der entscheidenden Sitzung der SPD im April, in der das Vorzugsaktienmodell gekippt wurde, eine Schlüsselrolle.

Die Arbeitnehmer wollte Hansen, für das Schlucken so vieler Kröten, mit einer Arbeitsplatzgarantie entschädigen. Das Ergebnis, das er persönlich in den letzten Wochen mit Mehdorn ausgehandelt hatte, ist allerdings das Papier nicht wert, auf dem es steht. Betriebsbedingte Kündigungen sind nur dann untersagt, wenn sie direkt mit der Privatisierung begründet werden - was eine Hintertür, groß wie ein Scheunentor, offen lässt. Der neue Herr Arbeitsdirektor wird schon Formulierungen finden, die seinen eigenen Schutzvertrag mit Leichtigkeit aushebeln.

Hansen ist ein weiterer Stein im Mosaik des totalen Werteverlustes der Eliten. Ein derart dreister Interessenwechsel ist bis dato noch nie vorgekommen. Hansens Vorgehen erfüllt zweifelsohne - moralisch, wenn auch nicht juristisch - den Tatbestand der Korruption. Sein Wechsel dürfte ja bereits seit längerem abgemachte Sache gewesen sein. Ein Gewerkschaftsvertreter, der im Namen der Arbeitnehmer mit der Kapitalseite verhandelt, hat die moralische Pflicht seinen Schutzbefohlenen und der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass er in näherer Zukunft einen gut bezahlten Job bei seinem „Verhandlungsgegner” annimmt - alles andere ist arglistige Täuschung. Doch was werden die Folgen dieser Tragödie sein?

Was steht im Epilog?

Da steh ich nun, ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor. Das Ansehen der Gewerkschaften ist bereits im freien Fall - wer sich zum Anwalt der Inhaber von Altverträgen aus den goldenen alten Zeiten der Bonner Republik macht und weder für outgesourcete  „Billig- arbeiter”, noch für Leiharbeiter und schon gar nicht für das Heer der Arbeitslosen und Minilohnempfänger eintritt, hat den  Vertretungs- anspruch für die Arbeitnehmerschaft als Ganzes bereits verloren. Wer in das TINA-Geschrei (there is no alternative) der Arbeitgeberseite einstimmt, verrät auch die Interessen der letzten Arbeitnehmer, die man noch zu vertreten vorgibt.

In den Frühzeiten des Arbeitskampfes gab es die „christlichen Gewerkschaften”, die von den Arbeitgebern gefördert wurden, um den Arbeitskampf der “sozialistischen Gewerkschaften” zu untergraben. Die alten „sozialistischen Gewerkschaften” haben sich in die  DGB- Gewerkschaften umgewandelt - Transnet gehört zu ihnen. Wer einer solchen Gewerkschaft die Stange hält, dem ist wohl nicht zu helfen. Leider ist damit die Idee der großen Gewerkschaften, die für die Interessen aller Arbeitnehmer eintreten und schlagkräftig sind, wohl endgültig gestorben. Nach einer im Auftrag des DGB durchgeführten Infratest-Umfrage sind rd. eine Million (24%) der Mitglieder  unzu- frieden mit „ihrer“ Gewerkschaft. Schlagkräftigen Lobbygruppen von Arbeitnehmern, die in sensiblen Bereichen beschäftigt sind, scheint die Zukunft zu gehören - das ist schön für Ärzte, Piloten und Lokomotivführer, aber schlecht für Krankenschwestern, Sicherheits- und Reinigungskräfte. Wer keine Lobby hat, verliert - das alte Spiel in neuer Form.

Seitens der Politik ist keine Änderung dieser Umstände zu erwarten. Man sollte nicht vergessen, dass die Bahn ein Bundesunternehmen ist, das dem Volk gehört. Der Aufsichtsrat besteht aus Vertretern des Volkes - also „unseren” Vertretern. Wenn die Politik nun einmal wieder über die verlorene Ehre der Hansens klagt, so klagt sie sich selbst an. Sie muss der Personalentscheidung Hansens im Aufsichtsrat nicht zustimmen - sie könnte sogar den kompletten Vorstand nicht in seinem Amt bestätigen und mit Managern besetzen, die sich für die Bahn und nicht für den Kapitalmarkt stark machen. Aber dieser Epilog ist in der Deutschen Tragödie „Bahnprivatisierung” nicht vorgesehen.

(csk)