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Angriff auf die Renten:

Perspektive Altersarmut

Wie lange lassen sich die Werktätigen und RentnerInnen noch gefallen, dass ihnen eine kleine reiche Minderheit auf der Nase  herumtanzt?

Auch die Altersarmut ist in Deutschland angestiegen. Schon heute sind ca. 500.000 RentnerInnen betroffen. Der Anstieg der Altersarmut wird in den nächsten 20 Jahren weiter zunehmen. KollegInnen die weniger als dreiviertel des Durchschnittsverdienstes erhalten, werden zukünftig nur noch eine Grundsicherung von ca. 650.- Euro erhalten. Besonders bedroht sind KollegInnen, die schon heute im Niedriglohnsektor, der weiter ansteigen wird, arbeiten müssen. Außerdem werden viele KollegInnen in den neuen Bundesländern betroffen sein.

Sozialverbände, Gewerkschaften aber auch die LINKE haben Alarm geschlagen. In einer Nacht- und Nebelaktion hat die Regierung, schließlich sind nächstes Jahr Bundestagswahlen, jetzt eine Rentenerhöhung von 1,1 Prozent, statt 0,46 Prozent, beschlossen. Auch im nächsten Jahr soll der Kürzungsfaktor (Nachhaltigkeitsfaktor) ausgesetzt werden. Bei Preissteigerungen um ca. 7 Prozent im  Lebens- mittelbereich und nachdem die Renten seit 2004 um rd. 8 Prozent gesunken sind, werden wahrscheinlich wenig RentnerInnen auf diese Wahlgeschenke reinfallen, denn die „Großzügigkeit“ der Regierung hält sich in Grenzen, da die heutigen Zuschläge nach 2012 wieder abgezogen werden sollen. Außerdem verbleiben von der 1,1%igen Erhöhung ganze 0,85 Prozent, da zum 1.Juli die Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung, die seit 2004 voll aus der Rente zu zahlen sind, um 0,25 Prozent.

In den Fernsehanstalten, im Funk und in der bürgerlichen Presse wurde das Thema Rente in den letzten Monaten thematisiert. Die Überschriften lauteten „Die 20 Millionen RentnerInnen erhalten mehr Geld“. Mit Lügen, Halbwahrheiten, da durch jede Rentenerhöhung nicht nur die heutigen RentnerInnen mehr Geld bekommen, sondern auch die zukünftigen Renten der heutigen BeitragszahlerInnen steigen, da der Rentenwert um die entsprechenden Prozentpunkte erhöht wird!, und Diffamierungen wurde gegen die RentnerInnen polemisiert. Besonders hervorgetan haben sich dabei „Berufsjugendliche“ aus CDU, FDP und GRÜNEN, die selbst nie Beiträge in die Rentenkassen leisten. Den Vogel hat allerdings Altbundespräsident Roman Herzog abgeschossen. Er forderte, wie die  „Berufs- jugendlichen“, in der Bild Zeitung die RentnerInnen auf, den Gürtel enger zu schnallen. Herr Herzog, der auf Kosten der  Steuer- zahlerInnen gut versorgt ist, fürchtet sogar, dass die „Älteren die Jüngeren ausplündern“. Ungeklärt ist allerdings, wer zu den Jüngeren gehört. Gehören alle Beitragszahler zu den Jüngeren, also auch der 64 jährige und zukünftig der 66 jährige Beitragzahler?

Die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) in Deutschland hat ihre Grundlage im Sozialgesetzbuch VI (SGB VI). Sie ist Bestandteil (Versicherungszweig) des gegliederten Sozialversicherungssystems zur Alterssicherung der abhängig Beschäftigten, die im Wesentlichen durch deren Zwangsteilnahme im Umlageverfahren finanziert wird, sowie weiterer Personen, die der Versicherungspflicht unterliegen, freiwillig Beiträge zahlen oder als versichert gelten. Wer Beiträge aufgrund einer Versicherungspflicht oder einer freiwilligen Versicherung einzahlt, bezahlt die Renten der aus dem Arbeitsleben Ausgeschiedenen und erwirbt einen Anspruch auf seine eigene Rente.

Generationenvertrag

Die Rentenhöhe ist vor allem an die im Laufe des Lebens einbezahlten Beiträge gebunden. Dafür erhält der Beitragszahler Entgeltpunkte gutgeschrieben. Kindererziehungszeiten werden wie Pflichtbeitragszeiten eines Durchschnittsverdieners bewertet. Die Rente wird nach der Rentenformel berechnet, indem der aktuelle Rentenwert (der aktuelle Rentenwert beträgt in der alten BRD, bis zum 30.Juni 2008, 26,27 Euro) mit den Entgeltpunkten, dem Zugangsfaktor und dem Rentenartfaktor multipliziert wird. Dies ist so in §64 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) festgelegt.

Das Durchschnittsentgelt ist eine dynamische Rechengröße, die im deutschen System der gesetzlichen Sozialversicherung verwendet wird. Sie wird durch Rechtsverordnung durch die Bundesregierung entsprechend der Entwicklung der Bruttolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäftigtem Arbeitnehmer bestimmt. Das Durchschnittsentgelt findet Verwendung zur Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte für die Berechnung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, indem das persönliche Entgelt zum  Durch- schnittsentgelt des jeweiligen Kalenderjahres ins Verhältnis gesetzt wird. Ein Einkommen in Höhe des Durchschnittsentgeltes führt also zu 1 EP (Entgeltpunkt). Das Durchschnittsentgelt Beträgt 2008, vorläufig, 30.084,- Euro. Das sind monatlich ca. 2500.- Euro. Wer dieses Jahr 30.084,- Euro verdient erhält 1 EP = 26,27 Euro Rente. Wer also 40 Jahre lang das Durchschnittsentgelt bekommt, erhält eine Rente in Höhe von nur 1050,- Euro. Davon werden noch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, ca. 102,- Euro, abgezogen.

Rentenformel

Die Altersrenten können – mit Ausnahme der Regelaltersrente und der Altersrente für besonders langjährig Versicherte - grundsätzlich unter Berücksichtigung eines versicherungsmathematischen Abschlags vorzeitig, dass heißt vor Vollendung der maßgebenden  Alters- grenze, in Anspruch genommen werden. Grundsätzlich gilt: Für jeden Monat der Inanspruchnahme einer Altersrente vor Erreichen der maßgebenden Altersgrenze mindert sich die Rente um 0,3 Prozent.

In der sog. Rentenformel wurde der demografische Faktor unter der CDU/CSU–FDP Koalition 1997 im Rahmen des  Rentenreform- gesetzes berücksichtigt. Bevor die entsprechende Gesetzesänderung in Kraft treten konnte, wurde sie von der rot–grünen  Bundesregierung 1998 wieder zurückgenommen und stattdessen eine starke staatliche Subventionierung des Rentensystems eingeführt. Größenmäßig entsprachen die Ausgaben dafür etwa den Einnahmen aus der neu geschaffenen Ökosteuer. Im Jahre 2003 bezeichnete der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder die Rücknahme des demografischen Faktors als Fehler. 2004 wurde ersatzweise der sog. Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenformel berücksichtigt. Dieser Faktor soll nach den Vorstellungen der Rürup-Kommission neben der wirtschaftlichen Entwicklung (Löhne und Gehälter) auch die künftigen Veränderungen im Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlern widerspiegeln. Es wird also die Entwicklung des Rentenniveaus an die demografische Entwicklung angepasst. Der NHF wurde in dem RV-Nachhaltigkeitsgesetz von 2004 in die Rentenanpassungsformel integriert und ist seit 2005 wirksam. Diese Faktoren ergeben die jährlichen Rentenkürzungen in Höhe von 0,61 Prozent, auf die die Regierung dieses und nächstes Jahr verzichten will.

Demagogie

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes erhöhte sich die Arbeitsproduktivität im Zeitraum 1991 bis 2006 um 32,4 Prozent. Trotz zugenommener Alterung der Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten wäre eine angemessene Erhöhung der Renten möglich gewesen. Statt Rentenkürzungen und Rente mit 67 hätte das Renteneintrittsalter sogar herabgesetzt werden können, wenn der  Produktivitätsfortschritt allen zugute gekommen wäre und die prekären Arbeitsverhältnisse nicht weiter zunehmen. Die Berücksichtigung der erhöhte Arbeitsproduktivität widerlegt deshalb auch die Demagogie mit dem „demografischen Faktor“.

Seit Schröder und Riester geht es aber nicht mehr um die Sicherung der Renten durch die Anpassung der demografischen Entwicklung, sondern hauptsächlich um die Sicherung der Profite der Unternehmer, da sie zukünftig nie mehr als 11 Prozent Beitrag bezahlen sollen. Der Höchstbeitragssatz wurde auf 22 Prozent festgelegt. Deshalb werden die Renten gekürzt und die KollegInnen sollen die Differenz (6 Prozent) durch Privatvorsorge (Riesterrente u. a.), zur Freude der Banken und Versicherungen, ausgleichen. Ohne die Kürzungen wäre 2030 ein Beitrag von ca. 28 Prozent erforderlich. Bei paritätischer Finanzierung würden die KollegInnen sparen, da sie nicht 17 Prozent sondern 14 Prozent zahlen müssten. Da die meisten KollegInnen und ihre Familien die Privatvorsorge gar nicht aufbringen können, weil das Geld schon heute nicht mehr ausreicht, werden Millionen durch die verlogene Politik der Neoliberalen in die Altersarmut getrieben. Auch die Mindestlohn-forderungen der Gewerkschaften (7,50 Euro) und der LINKEN (8,44 Euro) reichen nicht aus, um Altersarmut zu verhindern, solange der Nachhaltigkeitsfaktor Bestand hat!

Der Standartsatz sozialdemokratischer WahlkämpferInnen hieß „Es ist unwürdig, Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, aufs Sozialamt zu schicken“. Davon haben sich die Sozis längst verabschiedet. Die Senkung der Lohnnebenkosten ist das Anliegen aller bürgerlichen Parteien geworden. Deshalb sollten wir diesen Begriff der Wirtschaftsliberalen auch nicht benutzen, da „Lohnnebenkosten“ Lohnbestandsteile sind!! Ersetzt man das Wort Lohnnebenkosten durch „ Geld für RentnerInnen, Kranke, Arbeitslose und  Pflege- bedürftige“ verändert sich schlagartig die Sicht und entlarvt das neoliberale Kampfwort. Es ist eine Legende, dass durch die Senkung der „Lohnnebenkosten“ neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. Gesichert wurden immer nur die Profite der Kapitalisten. Nur massive Lohn- und Gehaltserhöhungen gewährleisten zukünftig auch „gutes“ Geld für RentnerInnen, Kranke, Arbeitslose und Pflegebedürftige. Also Schluss mit dem Lohndumping. Die Rente mit 67, der Nachhaltigkeitsfaktor sowie der Höchstbeitragssatz von 22 Prozent müssen wieder abgeschafft werden.

Die Gegensätze in unserer kapitalistischen Gesellschaft bestehen nicht zwischen Alt und Jung, zwischen den RentnerInnen und  BeitragszahlerInnen, sondern nur im Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit.

(hg)