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50 Jahre Gleichberechtigung:

Kein Grund zum Feiern

Das Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau trat vor 50 Jahren in Kraft .Laut einer neuen Studie der EU-Kommission kann davon im Arbeitsleben nach wie vor keine Rede sein. Das Einkommens-
gefälle zwischen Frauen und Männern ist nach Angaben der EU-Kommission in Deutschland besonders stark ausgeprägt. "In Deutschland liegt der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen um rund 22 Prozent unter dem der Männer. Damit gehört Deutschland zu den Staaten mit der größten Ungleichheit bei der Bezahlung von Männern und Frauen", sagte EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla. Nur in Estland, Zypern und in der Slowakei seien die Unterschiede noch größer oder ebenso groß. EU-weit verdienten Frauen demnach laut den aktuellsten Vergleichszahlen aus dem Jahr 2005 pro Stunde 15 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Eine von der EU-Kommission veröffentlichte Studie ergab, dass die Lohnunter-
schiede zwischen Frauen und Männern mit fortschreitendem Alter zunehmen. Frauen unter 30 Jahren erreichten in der EU durchschnittlich noch 92 Prozent der Stundenlöhne von Männern. In der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen fiel dieser Wert auf 80 Prozent. Frauen über 40 erreichten im Schnitt nur noch knapp 70 Prozent des Verdienstes von Männern.

Die EU-Kommission führt dies unter anderem auf die häufige Unterbrechung der beruflichen Laufbahn von Frauen aufgrund der Betreuung von Kindern zurück. Männer seien zudem weit häufiger in Führungs-
positionen und als Fachkräfte beschäftigt. Mehr als die Hälfte aller jungen Frauen hat 2006 eine Ausbildung in nur 10 von 346 Ausbildungsberufen begonnen: als Kauffrau im Einzelhandel oder für Büro-
kommunikation, Büro-, Industrie- oder  Hotelkauffrau, Medizinische oder Zahnmedizinische Fachange-
stellte, Verkäuferin, Friseurin oder Verkäuferin im Lebensmittelhandwerk. Keiner dieser Berufe ist technisch. Die  traditionelle Berufswahl aber verfestigt die  Einkommenskluft.

EU-Kommissar Spidla forderte, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Jede dritte Frau arbeite nur in Teilzeit. Spidla sagte, Teilzeitarbeit könne natürlich aus persönlichen Vorlieben resultieren. "Der eigentliche Grund für Teilzeitarbeit vieler Frauen besteht jedoch darin, dass sie über weniger Zeit als Männer verfügen, weil sie sich um die Betreuung von Kindern oder Angehörigen kümmern müssen." Die Beschäftigungsquote von Frauen mit Kindern liege in der EU bei nur 62 Prozent. "Elternschaft senkt die Erwerbsquote von Frauen dauerhaft, die von Männern dagegen überhaupt nicht - das ist nicht länger akzeptabel", erklärte der EU-Kommissar. Gleichzeitig forderte er die Arbeitgeber auf, das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit  endlich anzuwenden.

Die deutschen Arbeitgeber begründen das in Deutschland besonders stark ausgeprägte Einkommensgefälle vor allem mit den  Entwicklungen in der Familienpolitik. "Viele Frauen üben häufiger eine Teilzeittätigkeit aus - auch wegen der derzeit noch unzureichenden Betreuungsmöglichkeiten vor allem für Kinder unter drei Jahren", sagte Alexander Böhne, Referent für betriebliche Personalpolitik bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Hinzu kämen persönliche Entscheidungen, die das Lohnniveau unmittelbar beeinflussten: "Das nach wie vor zu limitierte Berufswahlverhalten von Frauen spielt eine wichtige Rolle: Sie fokussieren sich häufig auf Berufsfelder und Branchen, die schlechtere Einkommensaussichten bieten", sagte Böhne.

Bessere Schulbildung und dennoch geringere Berufschancen und weniger soziale Sicherheit. Dieser Wider-
spruch kennzeichnet die Lage vieler  Mädchen und Frauen in Deutschland und  daran hat das „Gleich-
stellungsgesetz“ bis heute nichts geändert.

hg