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 Kabinettsbeschluss zum Mindestlohn und Mindestarbeitsbedingungengesetz

Ein wirkungsloser Kompromiss

Das Trauerspiel um die Einführung von Mindestlöhnen geht weiter. Offensichtlich wollen CDU und SPD es bei Symbolpolitik belassen. Das ergibt sich aus dem letzte Woche gefällten Beschluss der Bundesregierung zur Novellierung des Arbeitnehmer-Entsendegesetz und des Mindestarbeitsbedingungsgesetzes. „Ein guter Tag für Arbeitnehmer, die hart arbeiten und wenig verdienen“, sei es gewesen, behauptete Bundesarbeits-
minister Olaf Scholz (SPD) bei der Präsentation des Kompromisses. Doch tatsächlich enthält die Einigung kaum konkrete Fortschritte. Die Verfahren, mit denen branchenweite Mindestlöhne erklärt werden können sind extrem kompliziert und vom Einverständnis der Unternehmer abhängig. So ist weiterhin ein gemein-
samer Antrag der Tarifparteien ebenso Voraussetzung für die Aufnahme ins Entsendegesetz wie eine Tarif-
bindung von mehr als 50 Prozent. In vielen Branchen verweigern  sich die Unternehmer.

Zum Stichtag 31. März 2008 hatten lediglich acht Branchen die Aufnahme beantragt haben, darunter die Zeitarbeit und das Bewachungsgewerbe. Darüber, ob die tariflichen Mindestlöhne wenigstens in diesen Bereichen für allgemeinverbindlich erklärt werden, hat sich die Koalition  immer noch nicht geeinigt. Außerdem ist es nicht garantiert dass existenzsichernde Löhne vereinbart werden, da  viele tarifliche Mindestlöhne noch deutlich unter der vom DGB geforderten Untergrenze von 7,50 Euro pro Stunde liegen. Ein weiteres Problem  sind die Dumpingtarife „christlicher“ und anderer Mini- und „Scheingewerk-
schaften“. Im Falle unterschiedlicher Tarifverträge sollen diese “zu einem schonenden Ausgleich“ gebracht werden, was in der Praxis ein Unterlaufen der DGB-Verträge bedeuten könnte.

Auch das Mindestarbeitsbedingungungsgesetz, gilt für Bereiche mit geringer Tarifbindung, schafft keine Abhilfe. Vorrausetzung für die Anwendung ist eine „Störung des sozialen Gleichgewichts“. Das sollen u.a. die Unternehmerverbände und zukünftig auch die Regierung feststellen. Die Formel der "sozialen Verwerfungen" wurde in den Entwurf geschrieben, um  Herrn Glos zu beglücken und ihm die Möglichkeit zu geben, sein Gesicht zu wahren. Juristisch ist die Formel jedoch folgenlos. Das  angebliche Ziel des Gesetzes, gegen Stundenlöhne von drei, vier Euro vorzugehen, wird davon nicht berührt.

Der Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion Volker Kauder (CDU) sieht nach dem Kabinettsbeschluss zum Mindestlohn noch Diskussionsbedarf mit dem Wirtschaftsflügel seiner Partei. Es gehe darum, ob der Tarifvorrang noch besser abgesichert werden könne, sagte Kauder. Die Mittelstandsvertreter der Union forderten bereits Nachbesserungen, um die Gefahr der Verdrängung bestehender Tarifverträge zu bannen. Insgesamt habe die Bundesregierung aber einen akzeptablen Kompromiss gefunden, sagte Kauder. Der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Union, Josef Schlarmann (CDU), fürchtete durch die neuen  Gesetzentwürfe der Bundesregierung zum Mindestlohn negative Aus-wirkungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Er sehe die "Grundlagen unserer Wirtschaftsordnung betroffen", sagte Schlarmann dem "Handelsblatt". "Die Bundesregierung hat mit ihren Mindestlohn-Plänen den Rückfall in Planwirtschaft und Dirigismus beschlossen."

ver.di bezeichnete die Einigung im Kabinett zum Arbeitnehmerentsendegesetz als "Schritt in die richtige Richtung". Es sei dazu geeignet, in bestimmten Branchen für faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen und Lohndumping zu begrenzen. Jetzt werde es darauf  an- kommen, welche Branchen im Gesetzgebungsver-
fahren in das Gesetz aufgenommen würden. "Zeitarbeit, Weiterbildung, Altenpflege und die Abfallwirtschaft gehören unbedingt in das Gesetz hinein", sagte ein Sprecher. " Das angestrebte Mindestarbeitsbe-
dingungengesetz hingegen würde ins Leere laufen.“ Damit würden auch Tarifverträge geschützt, die Hungerlöhne enthalten", so der Sprecher. Diesen Konstruktionsfehler habe schon das bisherige Gesetz von 1952 gehabt, weshalb es immer wirkungslos blieb. Daher sei ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn auch nach den vorgelegten Gesetzentwürfen dringend notwendig.

„Als einen nicht ausreichenden Kompromiss mit großen Pferdefüßen“, hat das zuständige DGB-Vorstands-
mitglied Claus Matecki den Kabinettsbeschluss zu Mindestlöhnen bezeichnet. Es bedürfe wesentlicher Nachbesserungen im Gesetzgebungsverfahren, um beide Gesetzentwürfe akzeptabel zu gestalten, erklärte er letzte Woche in Berlin.

Der Niedriglohnsektor kann durch diese Gesetzesvorlagen nicht ernsthaft bekämpft werden. Die neo-
liberalisierte SPD, die verzweifelt  nach Wahlkampfthemen sucht, versucht offensichtlich den Bruch mit den Gewerkschaften ein wenig zu kitten. Ob ihr das mit diesem zahnlosen Papiertiger gelingt ist jedoch fraglich. Was viele KollegInnen und ihre Familien brauchen ist ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von mindestens 9,00 Euro.

hg