In Bayern tobt der Wahlkampf und für die CSU geht
es um viel – die Verteidigung der „gottgegebenen“ absoluten Mehrheit. Da
die letzten Umfrageergebnisse hier keine eindeutige Sprache sprechen, versucht
sich die CSU in dem, was sie am besten kann – Populismus. Mitte Juli füllte
der unterfränkische Müllermeister Glos – eigentlich jeglicher
wirtschaftspolitischer Kompetenz unverdächtig – mit einem kühnen
Vorstoß das Sommerloch: Er plädierte für ein Konjunkturprogramm,
das die deutsche Volkswirtschaft vor der drohenden Rezession schützt.
Da staunt der Laie und der Kenner schnalzt mit der Zunge – „Konjunktur-
programm“? Dieses Wort tauchte im Sprachschatz deutscher
Wirtschaftspolitiker in den letzten 30 Jahren kaum mehr auf. Keynes ist
tot, es lebe Keynes?
Die Umsetzung eines echten Konjunkturprogramms wäre
eine wirtschaftspolitische Kehrtwende. Was in den USA schon seit längerem
zum wirtschaftspolitischen Alltag gehört, wird hierzulande als Vorstufe
zum Sozialismus gesehen. Das Land der Gartenzwergökonomen hält
nun einmal nicht all zu viel von moderner Wirtschaftspolitik, für
die nicht nur die wissenschaftliche Elite der USA, sondern mittlerweile
auch Weltbank und IWF stehen. Der deutsche „Aufschwung“ der letzten Jahre
wurde nahezu ausschließlich durch die prosperierende Weltwirtschaft
getragen. Die dunklen Wolken aus Kreditkrise und Energiepreis-
explosion hängen heute allerdings bedrohlich
über der Weltwirtschaft. Noch sind die Aufträge aus den letzten
Quartalen nicht abgearbeitet, aber anlässlich der nachlassenden Konjunktur
in den USA, Groß-
britannien und den meisten EU-Staaten sind positive Impulse
aus der Weltwirtschaft momentan unwahr-
scheinlich. Länder mit einer ausgeprägten Nachfragepolitik
fallen in solchen Fällen meist relativ weich, da eine stabile Binnenwirtschaft
externe Faktoren abfedert. Deutschland hat allerdings in den letzten Jahren
eine ausgeprägte Angebotspolitik betrieben und sich so – ohne Not
– externen Faktoren ausgeliefert.
Glos’ Idee, so sie denn überhaupt ernst gemeint ist,
würde sicher einen positiven Effekt auf die Konjunktur ausüben.
Es geht jedoch vielmehr um die Frage, welche Maßnahmen beschlossen
würden und in welcher Höhe Finanzspritzen verteilt werden. Über
Glos’ Idee, haushaltsnahe Dienstleistungen zu subventionieren, müsste
eigentlich nicht näher diskutiert werden – eine Lex „Dienstmädchen“
ist so ziemlich das letzte, was eine Volkswirtschaft im drohenden Abschwung
brauchen könnte. Die Wiedereinführung der Pendler-
pauschale – ein Lieblingskind der CSU – mag umstritten
sein. Zwei weitere Punkte aus Glos’ Ideenpaket, der höhere Freibetrag
bei der Einkommenssteuer und eine vernünftige Reform des Steuertarifs,
würden sicherlich stimulierend wirken. Das Problem an diesen zwei
Werkzeugen ist vielmehr die zeitversetzte Wirkung. Gelder, die der Bürger
Mitte 2009 nach dem Steuerausgleich wieder bekommt, wirken zur falschen
Zeit.
Konjunkturprogramme entfalten ihre beste Wirkung dann, wenn die wirtschaftliche Stimmung sich verfinstert und der Abschwung einsetzt. Finanzspritzen müssten also möglichst kurzfristig beim Bürger ankommen. Energieschecks oder rückwirkende Hartz-IV Erhöhungen, die per Scheck an die Haushalte verschickt werden, wären äußerst wirkungsvolle Konjunkturprogramme, da sie dort ansetzen, wo es am meisten hakt – beim Privatkonsum der Niedrig- und Normallohnempfänger, die unter der Inflation besonders leiden.
Ein 1.000 Euro Scheck an alle Empfänger von ALG-II
und Bezieher von Einkommen in einer vergleich-
baren Größenordnung hätte bei rund 8
Mrd. Euro Ausgaben einen maximalen Effekt – die Haushalte, deren marginale
Konsumquote fast bei 1 liegt, würden dieses Geld sehr zeitnah wieder
in die Wirtschaft zurückbringen und Haushalte, die damit ihre Schulden
bedienen, hätten in den Folgemonaten ein höheres Budget, befreit
von einem Teil der Tilgungslast. Über die Steuer- und Abgabemechanismen
würde ein signifikanter Teil dieser Ausgaben auch wieder an den Staat
zurückfließen. Ist ein solches Modell unvorstellbar? In den
USA wurden 117 Mrd. $ auf diese Art und Weise unter das Volk gebracht.
In Deutschland scheint so etwas allerdings in der Tat unvorstellbar.
Sogar Glos’ gemäßigtes Konjunkturprogramm wurde von Finanzminister Steinbrück bereits als „Verbrennen von Geld“ abgewatscht. Es ist schon erstaunlich, wie das wirtschaftspolitische Profil der Parteien sich verändert hat. Galten die SPD-Rechten früher als Korrektiv, den keynesianischen Partei-Linken bei zu großer Ausgabefreude in Abschwungphasen, und zu geringer Haushaltsdisziplin in Aufschwungphasen auf die Finger zu klopfen, so diktieren sie heute das wirtschaftspolitische Credo vom ausgeglichenen Haushalt und lassen sich wirtschaftspolitisch sogar von der CSU links überholen. Man mag dies konsequent nennen, der Volkswirtschaft hilft es keinen Jota und beim Wähler kommen die Sparmeister der Nation auch nicht sonderlich gut an.
Auch wenn Glos’ Konjunkturprogramm im Kern eine gute Idee ist, so bleibt doch das schale Gefühl, dass dies nichts weiter als Wahlkampfgetöse ist. Weder die angebotsorientierte Schwesterpartei CDU, noch die wirtschaftspolitisch lustlose SPD würde einem solchen Programm zustimmen und dies weiß natürlich auch der unterfränkische Müllermeister. Das mag sich ändern, wenn der Bundestagswahlkampf im nächsten Jahr vor der Tür steht und die Rezession da ist – nur kommt ein Konjunkturprogramm dann bereits zu spät, um eine echte Wirkung zu erzielen.