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Krise der Finanzmärkte:

Die Kapitalslogik durchbrechen

Es geht immer noch schlimmer. Nicht genug damit, dass zeitgleich mit der Bereitstellung hunderter Milliarden Euro zur Stützung des Finanzwesens und zum Machterhalt des Finanzkapitals (denn an den Machtverhältnissen werden auch alle gegenwärtigen oder geplanten Verstaatlichungen nichts Grundlegendes ändern, sie stellen eher Dienstleistungen des Staates für die größten Kapitalisten dar) eine verschärfte Schikanierung der Hartz-IV-EmpfängerInnen angekündigt wurde und sich viel zu wenig Widerstand dagegen regt. Jetzt sprechen sich auch noch Gewerkschaftsführer dafür aus, die Tarifpolitik in den Dienst der kapitalistischen Krisenbewältigung zu stellen. „Ich bin durchaus bereit, auf die wirtschaftlichen Unsicherheiten zu reagieren“, erklärte IG-Metall-Chef Bertold Huber und erklärte seine Bereitschaft, nach der diesjährigen Tarifrunde auch für 20 oder mehr Monate auf Tarifkämpfe verzichten zu wollen. Wer mag angesichts solcher Bereitschaft, dem Kapital zur Seite zu stehen, noch daran glauben, dass Herr Huber die Forderung nach acht Prozent mehr Einkommen mit besonderem Nachdruck vertreten wird? Zunächst sieht Huber zwar keinen Grund, von dieser Forderung gleich wieder abzurücken – „derzeit“ sehe er in der Metall- und Elektrobranche keine Krise; aber die Klage des BMW-Chefs Reithofer und anderer Unternehmer, diese Forderung sei „in keiner Weise konjunktur-kompatibel“, dürfte ihre Wirkung nicht verfehlen – wenn die Metallerinnen und Metaller ihrem bestbezahlten Angestellten nicht schnell und nachdrücklich klarmachen, dass sie nicht auch noch zu Sonderopfern für die Milliardäre bereit sind. Und das sollten auch die Kolleginnen und Kollegen in allen anderen Branchen entsprechend tun.

Dafür zu sorgen, ist unmittelbare Aufgabe aller Linken in den Gewerkschaften. Darüber hinaus ist in der Bewertung der gegenwärtigen Finanzkrise Wert darauf zu legen, den Illusionen von einer „Zähmung“ des „Raubtierkapitalismus“ entgegenzutreten. Das heißt  keines- wegs, sich Forderungen nach Maßnahmen entgegenzustellen, die etwa die Begünstigung von Banken und Konzernen durch staatliche Politik beenden wollen und Eingriffe in die Macht des Finanzkapitals zum Ziel haben. Es heißt vielmehr, darüber hinaus die Erkenntnis zu fördern, dass die Beseitigung solcher Krisen wie der gegenwärtigen die Beseitigung des Kapitalismus zur Voraussetzung hat. Es heißt den Blick zu öffnen für den rasanten Abbau von Demokratie, der zur kapitalistischen Krisenbewältigung gehört, einschließlich der aktuellen Überlegungen in den „think-tanks“ der Monopole, wie wohl auf das schwindende Vertrauen der Menschen in die Politik zu reagieren sei: Autoritärer Staat und nicht Demokratisierung der Wirtschaft ist die Richtung, in die es gehen wird, wenn wir nicht einmal in unserem Denken in der Lage sind, die Grenzen kapitalistischen Wirtschaftens zu überwinden, uns der Kapitalslogik zu entziehen, nach der arbeitende Menschen immer Verkäufer ihrer Arbeitskraft bleiben müssen, um zu existieren.

Nicht  der „revolutionären“ Phrase ist damit das Wort geredet; hartnäckige Kleinarbeit zur Verteidigung und wo möglich zum Ausbau vorhandener Besitzstände und Errungenschaften tun Not, um einen Politikwechsel in diesem Land zu erzwingen; die Widerstände in den eigenen Reihen sind dabei – siehe Huber – nicht gering. Und dennoch, und in diesem Sinne:„Nieder mit dem Lohnsystem!“ sollte wieder auf unsere Fahnen geschrieben werden statt „gerechten Lohn“ zu fordern, und über die soziale Revolution sollten wir nicht mehr nur an Jubiläen vergangener Revolutionsversuche wie anlässlich des 90. Jahrestages der Novemberrevolution in Deutschland nachdenken und reden.

(D.L.)