Nächste Seite
Energiepreise noch immer extrem hoch:

Abhängigkeit beenden

Die Ölpreise haben inzwischen rund 50 Prozent ihres Höchstwert vom Sommer 2008 verloren, aber man sollte sich dadurch nicht täuschen lassen: Die Energiepreise werden auch in Zukunft hoch bleiben. Rohöl kostet noch immer zwischen 60 und 70 US-Dollar das Fass (159 Liter), und die  Internationale Energie-
agentur in Paris, die bisher eher verharmlosende Prognosen verfasst hatte, geht inzwischen davon aus, dass der Ölpreis in den nächsten zwei Jahrzehnten auf 200 US-Dollar pro Fass klettern wird. Das sind nicht nur für Autofahrer schlechte Nachrichten, auch der Gaspreis hängt am Ölpreis, und das trifft auch viele Menschen, die sich gar kein Auto leisten können. Wir sprachen mit Hans-Kurt Hill, dem energiepolitischen Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, über die Entwicklung der Gaspreise.

          (wop)

LinX: Von 1995 bis 2006 haben die Ausgaben der privaten Haushalte für Gas von 8,84 Milliarden auf 19,22 Milliarden Euro jährlich zugenommen, also um beachtliche 117,4 Prozent. Der Anstieg des Verbrauchs betrug hingegen nur rund 12 Prozent. Sind etwa die Förder- und Transportkosten derart explodiert, dass sie diesen Preisanstieg rechtfertigen könnten?

Hans-Kurt Hill (HKH): Nein. Das ist eindeutig eine Folge der Koppelung des Gaspreises an den Ölpreis. Man hat diese seinerzeit eingeführt, weil es schwierig war, einen Preis für das Gas zu finden. Da das Öl in den letzten Jahren deutlich teurer geworden ist, muß unabhängig von den Förderkosten auch mehr für Gas bezahlt werden.

LinX: Das heißt, es sind gewaltige Extra-Profite durch diese Kopplung entstanden?

HKH: Das kann man so sagen. Ich behaupte, daß die Gaspreise in Deutschland um mindestens 20 Prozent überteuert sind.

LinX: Wäre es nicht sinnvoll, die Extra-Profite der Konzerne mit einer Sondersteuer abzuschöpfen?

HKH: Man müsste erst einmal prüfen, wo diese Profite anfallen. Die Preisbindung ist in bilateralen Verträgen mit den Gaslieferländern geregelt, das heißt zumindest ein Teil dieser Extra-Profite landet in den Taschen der fördernden Unternehmen. Man müsste sich also überlegen, ob man diese Koppelung aufgeben sollte.

LinX: Das heißt, die Extra-Profite fallen vor allem im Ausland an?

HKH: Das kann man so nicht sagen, denn wir haben im Inland auf dem Gasmarkt keinen Wettbewerb. Da die Gaspreise so hoch sind, bin ich der Meinung, daß unredlich gehandelt wird, und daß dagegen mit dem Kartellrecht vorgegangen werden muss. Wir brauchen eine Offenlegung der Kalkulation der Gasanbieter. Dann wird man sehen, ob es kartellartige Verbindungen zwischen den Unternehmen gibt. Und wenn ja, werden empfindliche Strafen ausgesprochen. Natürlich wäre das dann an den Verbraucher zurückzugeben.

LinX: Also ein Teil der zusätzlichen Gewinne landet in den Kassen der hiesigen Konzerne, ein anderer bei den Gaslieferanten im Ausland. Macht es in diesem Zusammenhang Sinn, aus der Preisbindung ans Öl auszusteigen?

HKH: Das müsste zunächst genau untersucht werden. Aber auf jeden Fall ist da das Problem, daß es nur ganz wenige Gaslieferanten gibt. Für Deutschland ist es vor allem Russland. Und mit dem müsste man sich dann auf eine andere Festlegung des Gaspreises einigen, wobei der Anbieter in der stärkeren Position ist. Langfristig ist daher für uns das Ziel, daß wir uns mit der Produktion von Biogas aus dieser Abhängigkeit lösen.

LinX: Was ja auch für den Klimaschutz sinnvoll wäre. Inzwischen haben viele Unternehmen angekündigt, daß Gas im Januar oder Februar billiger wird. Der Ölpreis fällt hingegen schon seit Monaten und hat sich gegenüber seinem Höchststand im Sommer bereits halbiert.

HKH: Ich sehe keinen Grund weshalb mit der Absenkung der Gaspreise gewartet werden soll. Es wird zwar gesagt, das Auffüllen der Gasspeicher sei wegen der hohen Ölpreise so teuer gewesen, aber ich glaube eher dem Deutschen Institut der Wirtschaft, das meint, die Gaspreise seien um 20 Prozent zu hoch. Die Leute kaum noch in der Lage, die Energiepreise zu bezahlen, und daher müssen die Preise noch vor der Heizperiode abgesenkt werden.

LinX: Biogas ist dem Erdgas chemisch sehr ähnlich und könnte bei entsprechender Aufbereitung ins Netz eingespeist werden. Genug Potenzial gäbe es auch, wie verschiedene Studien gezeigt haben. Wieso wird es bisher kaum als Erdgasersatz eingesetzt?

HKH: Da sind wir wieder bei den oligopolartigen Strukturen der Energiewirtschaft. RWE hat 80 Prozent des Gasnetzes in der Hand und hat kein Interesse, dass Biogas eingespeist wird. Den Erzeugern werden immer noch jede Menge Steine in den Weg gelegt, und die Aufsicht der Netzagentur greift nicht richtig. Diese Oligopole müssen unsere Ansicht nach aufgebrochen werden. Wir brauchen bei den Anbietern Wettbewerb und die Netze müssen wie auch im Falle der Stromversorgung in öffentliche Hand. Solange die Netze den Oligopolen gehören, wird es immer Störfeuer geben und der diskriminierungsfreie Zugang der Anbieter nicht möglich sein. Anders ist aber das schrittweise Ersetzen des Erdgases durch Biogas nicht möglich.