Am 15. November 1918 unterzeichneten Hugo Stinnes und
Carl Legien das Abkommen über die Ein-
richtung der Zentralen Arbeitsge- meinschaft zwischen
Unternehmern und freien Gewerkschaften, das seitdem als Stinnes-Legien-Abkommen
bekannt ist. Es brachte unter anderem die Anerkennung der Gewerkschaften
als „berufene Vertreter der Arbeiterschaft“ und die uneingeschränkte
Koalitionsfreiheit der Arbeiterinnen und Arbeiter, die Einrichtung von
Arbeiterausschüssen in größeren Betrieben und den 8-Stunden-Arbeitstag.
Die Kapitalisten machten diese in den Revolutionstagen unvermeidlichen
Zuge-
ständnisse, weil sie von den Gewerkschaften
Unterstützung in ihrem Bestreben erwarteten, der Enteignung und der
Sozialisierung ihrer Betriebe zu entgehen.
Hans von Raumer, Vorstandsmitglied des Zentralverbands
der deutschen elektrotechnischen Industrie, erklärte dazu ein Jahr
später: „Man geht nicht zu weit mit der Feststellung, das die ZAG
im ersten Jahr ihres Bestehens Deutschland vor dem Chaos und vor einer
bolschewistischen Revolution bewahrt hat. Als alle Autoritäten zusammenbrachen:
Monarchie, Staat, Militär und Bürokratie, schuf sie durch den
Zusammen-
schluss der Unternehmer mit den Gewerkschaften eine Macht,
die die Wirtschaft und die Betriebe in Ordnung hielt. Der bei Revolutionen
sonst zu beobachtende Vorgang, dass sich die Arbeiter gegen ihre Arbeitgeber
wandten, wurde nicht ausgelöst, weil die Gewerkschaften fest zur Ordnung
und zu ihrer Aufrechterhaltung mit den Unternehmern zusammenstanden.“ Ein
unübertreffliches Urteil über die Versäumnisse der Revolution.
In der Zwischenzeit hatte die von Noske in Marsch gesetzte Soldateska Rosa
Luxemburg, Karl Liebknecht und weitere Tausende RevolutionärInnn und
ArbeiterInnen umgebracht. Hugo Stinnes gehörte übrigens auch
zu den Finanziers der Mörder und Mordhetzer der Antibolschewistischen
Liga.
Die Gewerkschaftsführer schienen die Bedingungen,
unter denen die genannten Zugeständnisse zustande kamen, nicht zur
Kenntnis nehmen zu wollen. „Je weiter wir nach links gehen“, so hatte der
Elektro-
industrielle Robert Bosch in Revolutionszeiten erklärt,
„desto eher werden wir Eindruck machen und eine Katastrophe abwenden können…
Wenn das Haus brennt, löscht man auch schließlich mit Jauche,
auf die Gefahr hin, dass es nachher im Hause eine Weile nachstinkt.“ Den
„Gestank“ der Revolution, den Geruch auch einer wenn auch eingeschränkten
Demokratie, die ihnen doch alle Mittel zum Erhalt ihrer wirtschaft-
lichen Macht und ihres politischen Einflusses beließ,
mussten die Unternehmer dann ja auch nicht lange ertragen. Nicht nur, dass
wesentliche Punkte der ZAG-Abkommens nach wenigen Jahren hinfällig
wurden, die ganze Republik ging kaum 15 Jahre später zu Bruch, und
die Nazis übernahmen den Auftrag zur „Ausrottung des Marxismus“, dem
Kommunisten wie Sozialdemokraten zum Opfer fielen, sowie zur Vorbereitung
des nächsten Krieges.