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Keine Weihnachtsgeschenke:

Wer soll das zahlen?

Hundert Euro können viel Geld sein, wenn man von Arbeitslosengeld II oder ähnlich miesen Bezügen leben muss. Das hatte sich auch die Linksfraktion im Rathaus gedacht und wie ihre Kollegen in vielen anderen Städten auf der Ratssitzung am 20. November den Antrag gestellt, allen Empfängern von Leistungen nach den Sozialgesetzbüchen II und XII eine Weihnachtsbeihilfe in dieser Höhe zukommen zu lassen. 36.000 Menschen hätten davon in Kiel gut gehabt, also immerhin fast 15 Prozent der Bevölkerung, was, nebenbei bemerkt, Bände über den Grad der Armut in dieser Stadt spricht. 3,6 Millionen wären nötig gewesen, um diesen Menschen zum Weihnachtsfest, eine kleine Freude zu machen. Oder um es prosaischer auszu-
drücken: Zum Jahresende läuft die allgemeine Überflutung mit Werbung zu ihrem Jahreshöhepunkt auf und Menschen mit schmalen Geldbeutel und insbesondere ihre Kinder fühlen sich besonders ausgegrenzt. Eine Weihnachtsbeihilfe wäre immerhin eine kleine Geste gewesen.

Ratsherr Michael Schmalz von der SPD fand hingegen, dass einmalig 100 Euro mehr in der Tasche den Betroffenen auch nicht helfe. Lutz Oschmann von den Grünen hält die Forderung für populistisch, sein Fraktionskollege Sharif Rahim meinte, der Antrag hätte sechs Monate früher gestellt werden müssen, und Wolf-Dietmar Brandtner von der FDP sah den finanziellen Rahmen der Stadt gesprengt. Es fehle an Finanzierungsvorschlägen. Zur demagogischen Höchstleistung lief Michaela Pries von den Christdemokraten auf, die fragte, wo das Geld denn weggenommen werden solle: Etwa bei den Kindergärten? Auf den Einwand des Sprechers der Linksfraktion, Florian Jansen, man könne ja vielleicht über die Höhe der Zuwendung reden, wenn sie denn für zu teuer gehalten werden, gingen die anderen Parteien nicht ein sondern lehnten fast einhellig – bei einer Enthaltung aus den Reihen der SPD – ab.

Jansens Fraktionskollege Bernd Jenning meinte später in einer Erklärung dazu: „Einen Monat vor dem Fest scheut das Jobcenter Kiel nicht vor presseöffentlichen Empfehlungen zurück, weihnachtliche Extraausgaben sollten von den Leistungen zur Grundsicherung über das ganze Jahr angespart worden sein, denn seit 2005 gibt es keine Weihnachtszulage mehr. Zynisch sind auch die November-Ratschläge der ARGE zum Geschenke-Kauf auf Flohmärkten, zum Betteln um gebrauchtes Spielzeug bei Freunden und Bekannten, oder sich über die Adventszeit in eine 1-Euro-Maßnahme stecken zu lassen.“ Dagegen habe es im alten Sozialhilferecht eine Weihnachtsbeihilfe und einen Bekleidungszuschuss gegeben. Es sei das gleiche, alte Spiel: „Der Bund zahlt nicht und die Kommunen erklären, sie seien durch Zahlung an die Bedürftigen überfordert. Für die armen Kinder in unserem reichen Land ist das eine weitere bittere Erfahrung.“

(wop)