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RATSSPLITTER

Auf der Ratsversammlung am 20. November hat die Vorsitzende des Beirats für Menschen mit Be-
hinderung einen Bericht über die Situation in Kiel vorgelegt. Ermüdende Kleinarbeit müsse das Gremiums leisten und treffe oft genug auf Unverständnis. Eines der große Probleme: Rollstuhlfahrer und andere Geh-
behinderte treffen an viele Stellen in der Stadt auf unüberwindbare Hürden. Bauvorschriften, die einen freien Zugang fordern würden oft missachtet. Die meisten Parteien nutzten die sich anschließende, unnötig lange Debatte hingegen zum Klopfen der eigenen Schulter und der eifrigen Versicherung, dass mehr getan werden müsse.

Viel Einigkeit gab es auch im Punkt Fahrradverkehr. 18 Prozent aller Fahrten im Stadtgebiet werden mit dem Fahrrad erledigt. Um diesen Anteil langfristig weiter zu erhöhen, hatte die „Dänen-Ampel“ (SSW, SPD, Grüne) beantragt, das bei neuen Bauvorhaben auch eine ausreichende Zahl von Fahrradabstellplätzen geschaffen werden müsse. In besonderen Fällen sollen auch PKW-Parkplätze umgewandelt werden. Die Verwaltung wurde beauftragt, in ein einem Stadtteil ein entsprechendes Projekt modellhaft durchzuführen. CDU und FDP ging das ein wenig zu weit, sie wollten lieber erst einmal prüfen und rechnen lassen. Die Koalition setzte sich jedoch erwartungsgemäß durch.

Gar nichts fiel den Ratsherren und -frauen hingegen zum Thema Klimaschutz ein. Bürgermeister Todeskino ließ wissen, dass er sich mit dem im letzten Jahr von der Ratsversammlung geforderten Konzept „Kommunales Management Klimawandel“ noch Zeit lassen wolle, bis auf der Bundes- und Landesebene entsprechende Planung erstellt sei. Das macht im Prinzip sicherlich Sinn, dennoch wäre eine öffentliche Debatte über die Eventualitäten, auf die sich die Stadt vorbereiten muss sicherlich sinnvoll. Die Ratsversammlung verzichtete auf eine Chance, dazu einen Anstoß zu geben.

So eine Ratsversammlung ist zumeist ziemlich ermüdend, weshalb die etwas größere Konkurrenz auch im Schichtbetrieb arbeitet und sich gleich drei Kolleginnen und Kollegen abwechseln ließ. Aber man kann immerhin so seine politisch-linguistischen Studien betreiben. Inzwischen dämmert es ja selbst dem letzten christdemokratischen Betonkopf, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Aber natürlich darf man es nicht so nennen. Deshalb wurde vor vielleicht zwei Jahren das bürokratische Wortmonster „Menschen mit Migrationshintergrund“ geschaffen.

Das hört sich dann so an: Die Oberbürgermeisterin wird beauftragt, „ein Konzept vorzulegen, um in der LH Kiel mehr Menschen mit Migrationshintergrund für die Ausbildung in erzieherischen und pflegerischen Berufen zu gewinnen.“ Einige Ratsherren und -frauen, auch von der bürgerlichen Opposition, benutzten in der Debatte das Wörtchen „Migrant“. Hört sich modisch an, bedeutet fast Einwanderer, klingt aber für Otto-Normal-Bürger nicht nach Einwanderung. Der Antrag war übrigens von der „Dänen-Ampel“ einge-
bracht und mit großer Mehrheit angenommen worden. In der Diskussion hatte Sharif Rahim von den Grünen darauf hingewiesen, dass die erste Generation der Einwanderer inzwischen alt wird, es aber in den Krankenhäuser und Pflegeheimen kaum Personal gäbe, mit dem sie in ihrer Sprache sprechen können. Bei der Linkspartei hatte man hingegen Zweifel, ob die Einwanderer und ihre Nachkommen tatsächlich bei den Erziehern, Krankenschwestern und Pflegern unter repräsentiert sind. Ein Prüfantrag – der abgelehnt wurde –  sollte zunächst Klarheit verschaffen. Außerdem mochte man nicht recht einsehen, weshalb Einwanderer ausgerechnet für schlecht bezahlte Berufe gezielt angeworben werden sollen.

Bereits vor längerem hatte die Ratsversammlung beschlossen, dass im Amt für Kultur und Weiterbildung der jährliche Zuschussbedarf bis 2014 um 1,7 Millionen Euro gekürzt werden soll. U.a. sollen 23 Stellen gestrichen werden. Auf der Sitzung letzte Woche meldete der Kulturausschuss Teilvollzug: Beim Personal wurden bereits 98.225 Euro gestrichen. Auf der noch abzuarbeitenden Liste stehen unter anderem auch die Miete für die Musikschule (25.000 Euro) und für die Stadtteilbücherei Gaarden (106.000 Euro), die ohnehin schon hauptsächlich ehrenamtlich betrieben wird.

Wie es aussieht könnte künftig in Kiel jährlich des Matrosenaufstandes gedacht werden. Die bürgerlichen haben zwar etwas gemäkelt, aber mit den Stimmen der „Dänen-Ampel“ und der Linkspartei wurde die Verwaltung beauftragt, ein Konzept für solches Gedenken vorzulegen. Dieses soll unter anderem einen Gegenwartsbezug enthalten, in jährlich wechselnden Formen Kinder und Jugendliche einbeziehen und „auf die antimilitaristischen und demokratischen Inhalte der Novemberrevolution“ ausgerichtet sein. Die Debatte über den Antrag bot Unterhaltung aber wenig Überraschendes: Die CDU befürchtete, „dass linke Gruppen eine solche Feier missbrauchen“ und die Ratsfrau Christina Musculus-Stahnke konnte nicht finden, dass der Aufstand eines der wichtigsten Ereignisse der jüngere deutschen Geschichte gewesen sein soll. Die Grüne Ratsfrau Ulrike Kahlert antwortete ihr, dass Kiel stolz darauf sein könne, dass von hier ein Weltkrieg beendet wurde; und erinnerte die Liberalen daran, dass die Revolution die Grundlagen dafür legte, dass man frei mit einander reden könne. Deshalb ginge es auch nicht um trübseliges Gedenken, sondern um einen Anlass zum Feiern.

Personalien: Karl Anklam, Uli Schippels und Wolfram Otto sind von der Linkspartei als Stellvertretende Vertreter für den Sozialauschuss nominiert und vom Rat gewählt worden. Ebenso Günther Krause und Andreas Regner für den Finanzausschuss, Ratsherr Bernd Jenning für den Wirtschaftsausschuss sowie Ratsfrau Ingrid Zimmermann für die Kinderkommission. In den Konsortialausschuss der Stadtwerke wurden bei gleicher Gelegenheit Jürgen Hahn (SPD) und als sein Stellvertreter SPD-Fraktionschef (und DGB-Vorsitzender) Ralph Müller-Beck gewählt. Hahn wurde außerdem von der Ratsversammlung für dem Posten des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden der Stadtwerke vorgeschlagen. Für die CDU wurde Ratsherr Stefan Kruber in den Aufsichtsrat der Wirtschaftsförderungsgesellschaft KiWi mbH und deren Ableger KiWi Tower Gmbh, die ein Bürogebäude am Kanal besitzt, entsandt und in den Aufsichtsrat der KVG Ratsfrau Sigrid Schröter.

Die Frauenbeauftragte hat anlässlich der Besetzung diverser Ausschüsse darauf hingewiesen, dass diese aufgrund eindeutiger Rechtslage zu gleichen Teilen mit Männern und Frauen besetzt werden müssen. Abweichen von dieser Regel ist nur in begründeten Ausnahmefällen möglich, in Kiel wird dieser Gesetzes-
grundsatz jedoch regelmäßig missachtet, was unter anderem daran abzulesen ist, dass die entsprechenden Ermahnungen der Frauenbeauftragten nahezu textidentisch sind.

(wop)