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Rat beschließt Schulentwicklungsplan:

Triumph für die CDU

Es ist vollbracht. Die Ratsversammlung hat auf ihrer Sitzung am 20. November den Schulentwicklungsplan verabschiedet. Das Ergebnis: Alle Kieler Gymnasien bleiben erhalten, und zwar auch dort, wo sich  wie in Mettenhof und Elmschenhagen eine Zusammenlegung durch räumliche Nähe geradezu aufdrängt. Kiel bekommt darüber hinaus zehn Gemeinschaftsschulen. Haupt- und Realschulen wird es künftig nicht mehr geben. In einigen Fällen werden auch die Grundschulen in die Gemeinschaftsschulen eingegliedert. Einige  Grundschulen bleiben hingegen erhalten, sofern dieser Teil des Plans von der Landesebene nicht noch kassiert wird. Was sind diese neuen Gemeinschaftsschulen, auf die sich die große Koalition im Land geeinigt hatte? In einer Gemeinschaftsschule findet gemeinsamer Unterricht in den Klassen 5 und 6 statt. Ab der 7. Klasse wird in der 1. Fremdsprache und in Mathematik, ab der 8. in Deutsch und ab der 9. in den Natur-
wissenschaften in differenzierten Kursen unterrichtet. Die Differenzierung orientiert sich an der alten Teilung in Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien. An den Schulen, für die mindestens 50 Schüler pro Jahrgang angemeldet sein müssen, unterrichten Lehrer aller Schularten. Einige Schulen bekommen eine gymnasiale Oberstufe, an der auch das Abitur erreicht werden kann, ein Teil der Einrichtungen werden Ganztagsschulen sein.

Am 12. November hat ein bundesweiter Schulstreik unter dem Motto „Bildungsbarrieren einreißen“ in 40 Städten  stattgefunden, darunter Kiel. Die TeilnehmerInnenzahl in Kiel hat alle Erwartungen übertroffen. Erwartet hatten die OrganisatorInnen etwa 1.000 bis 2.000 TeilnehmerInnen. Tatsächlich waren es 5.000. In der Millionenstadt München waren es 1.000, in Hamburg 6.500 und in Berlin 8.000. Aufgerufen zu der mit unentschuldigtem Fehlen vom Schulunterricht verbundenen Kundgebung in Kiel hatte das Bildungsbündnis Kiel. Es fordert u.a. „kostenlose Bildung für alle“, Abschaffung von Profiloberstufe und G8, „20 Schüler pro Klasse“ und „keine zentralen Prüfungen“. Dem Protest der SchülerInnen hatten sich auch Eltern und LehrerInnen angeschlossen. Das Tucholski-Zitat „Schulreform ohne Gesellschaftsreform ist ein Unding.“ kam mir bei der Auftaktkundgebung in den Sinn. Es wurde kritisiert, dass einerseits 550 Millionen Euro für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan verschwendet sowie  Milliarden- beträge für marode Banken locker gemacht werden, aber andererseits für marode Schulen angeblich nicht genug Geld vorhanden sei.

Man kann also wie die SPD sagen, es sei ein Schritt in die richtige Richtung gemacht, man kann aber auch feststellen, dass das alte Sortieren der Schüler, das so typisch für das deutsche Schulsystem ist, nicht wirklich überwunden wird. Dabei haben wir es seit einigen Jahren wirklich durch internationale Vergleiche „amtlich“, dass in kaum einem anderen Industrieland Kinder aus Arbeiterfamilien, und das sind überdurch-
schnittlich oft die Einwandererfamilien, besonders benachteiligt sind. Sie haben die geringsten Chancen auf eine gute Bildung. Das hat auch etwas mit der mangelhaften Ausstattung zu tun, an der sich nicht allzu viel ändert. Interessant war in der Ratsversammlung zu sehen, wie die Elternvertretungen der Gymnasien sich mit verschiedenen Aktionen und Anfragen für die bessere Ausstattung ihrer Schulen einsetzen – die sicher-
lich notwendig ist – wie aber gleichzeitig die ebenso schlechte Situation der anderen  Schularten voll-
kommen unter den Tisch fiel. Diese haben halt keine derart artikulierte, ressourcen- und verbindungsreiche Lobby.Und es bleibt ein wesentliches Problem: Die Klassen sind viel zu groß. Es werden nicht genug Mittel für mehr Lehrer bereitgestellt, sodass man wohl leider getrost davon ausgehen darf, dass die neuen Gemeinschaftsschulen die alten Probleme der Haupt-, Real- und Gesamtschulen erben werden. Auch das hätte man aus den PISA-Studien lernen können: Dort, wo die Ergebnisse der Schüler am besten sind, nämlich in den skandinavischen Ländern, gibt es deutlich mehr Lehrer. Insbesondere im viel gelobten Finnland sind es annähernd doppelt so viele pro Schüler wie hierzulande.

Von derlei Gedanken vollkommen ungetrübt zeigte sich in der Diskussion die CDU-Fraktion, der es offensichtlich allein um den Erhalt von Standesprivilegien geht. Ihr Vertreter nutzte die Debatte vor allem, um triumphalistisch heraus zu streichen, dass alle Gymnasien erhalten bleiben. Jeder Versuch, die Gymnasien anzutasten, werde auf den Widerstand der Christdemokraten stoßen. Man spürte förm- lich den Geist des preußischen Drei-Klassen-Wahlrechts durch den Raum wehen. Hämisch erinnerte die CDU SSW, Grüne und SPD daran, dass in ihren Programmen etwas anderes stehe, als jetzt in Kiel beschlossen. Denen hätte es in der Tat peinlich sein müssen. Dennoch stimmten sie gemeinsam mit FDP, CDU und dem Nazi gegen zwei Änderungsanträge der Linksfraktion. Diese hatte in einem Maximalantrag gefordert, alle Gymnasien in Gemeinschaftsschulen umzuwandeln. In einem zweiten Antrag wurde verlangt, dass zu- mindest dort, wo schon jetzt Gymnasien mit anderen Schulen in einem Gebäude untergebracht sind, nämlich in Mettenhof und Elmschenhagen, diese zusammengelegt werden. Doch auch damit blieben die sechs Vertreter der Linkspartei allein.

Ihr schul- und bildungspolitischer Sprecher Florian Jansen dazu: „Leider haben SSW, SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die sich in ihren Programmen stets für eine gemeinsame Schule für alle aussprechen und diese auch auf Landesebene gefordert haben, nicht den Mut gehabt, diesen zukunftsweisenden Schritt auf kommunaler Ebene gemeinsam mit uns zu gehen. Im Gegenteil: die Kooperationsparteien haben gemeinsam mit CDU und FDP den Fortbestand der Gymnasien ganz ausdrücklich im Schulentwicklungsplan festgeschrieben.

Das ist ein – für die meisten unverständliches – Festhalten an einem längst überholten Schulsystem wie es weltweit nur noch in einer verschwindend geringen Zahl von Staaten zu finden ist. Erfreulich ist allerdings, dass Eltern in Kiel ab dem Schuljahr 2010/11 flächen- deckend die Möglichkeit haben, ihre Kinder eine der zehn Gemeinschaftsschulen besuchen zu lassen.“

(wop)