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Neues Haushaltssystem für Kiel:

Alles ungelegte Eier

Zum neuen Jahr führt die Stadt eine neue Form des öffentlichen Haushalts ein. Bisher ging alles nach dem kameralistischem Prinzip, künftig gibt es einen so genannte doppischen Haushalt. (Doppik steht für "doppelte Buchführung in Konten".) Im Prinzip soll damit alles viel übersichtlicher werden, doch zunächst sorgte das neue Verfahren vor allem für viel Verwirrung. Wahrscheinlich war dies auch ein wesentlicher Grund dafür, dass die diesjährigen Haushaltsberatungen der Ratsversammlung am 11. Dezember ganz ungewöhnlich zügig über die Bühne ging. Wir sprachen mit dem Vorsitzenden der Linksfraktion Florian Jansen über das neue System, die Umstände dessen Einführung und den Haushalt 2009. (wop)

LinX: Was ist von dem neuen Haushaltssystem zu halten?

Florian Jansen (F.J.): Es hat seine Vor- und Nachteile. Im alten System wurden nur die Einnahmen und Ausgaben eines Jahres aufgestellt und miteinander verrechnet. Das wird es auch künftig geben, wird aber nun Finanzplan genannt. Zusätzlich wird es aber wie in einem Unternehmen einen sogenannten Ergebnisplan geben, in dem Aufwand und Erträge aufgerechnet werde.

Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Wenn im alten System Heizöl gekauft wurde, dann wurden nur die Ausgaben aufgeführt. Im neuen System wird festgehalten, wie viel Heizöl am Anfang des Jahres vorhanden war und wie viel für Heizöl ausgegeben wurde. Davon wird dann abgezogen, was am Ende des Jahres noch da ist. Man kann also den tatsächlichen Verbrauch ablesen. Am Ende steht im Ergebnisplan, ob sich der Wert der Stadt, ihr Vermögen, vermindert oder gesteigert hat.

Zusätzlich gibt es die Bilanz, in der der gesamte Wert der Stadt beziffert wird. In diesem Zusammenhang gibt es nun erstmals die Möglichkeit, auch Abschreibungen auszuweisen. Dadurch werden Ausgaben zum Werterhalt anders dargestellt. Bisher erschien ein Betrag für die Sanierung eines Schulgebäudes lediglich als Ausgabe. Doch mit ihr steigere ich auch den Wert des Gebäudes, und das wird jetzt explizit ausgewiesen. Oder wenn die Ausgabe unterbleibt, sinkt der Wert des Gebäudes, was sich in Form von Abschreibungen  negativ in der neuen Form der Haushaltsführung niederschlägt.

Ein weiterer Punkt, der sich geändert hat, sind die Produktbereiche. Das ist ein Name, den sich niemand in Kiel ausgedacht hat, sondern das ist eine Vorgabe vom Land. Man könnte auch Aufgabenbereiche sagen. Ausgaben werden diesen verschieden Bereichen zugewiesen, und die Verwaltung ist künftig sehr frei, wie sie diese im Einzelnen einsetzt. Die Selbstverwaltung macht lediglich Zielvorgaben, und zwar für das aktuelle und die darauf folgenden Jahre.

LinX: Zum Beispiel Kindergartenplätze: Ihr sagt, für alle muss ein Platz da sein und definiert dann die Qualität der Betreuung?

F.J.: Ja, so in etwa. Meistens wird das über Kennzahlen ausgedrückt. Im Haushalt steht der aktuelle Grad der Versorgung und die Ratsversammlung beschließt dann für die folgenden Jahre die Änderungsraten. So soll künftig die Steuerung des Haushalts aussehen. An dieser Stelle werden die Probleme deutlich, die wir gegenwärtig haben. Aus meiner Sicht war die Einführung überstürzt und ist daher gründlich in die Hose gegangen. Es gibt bisher keine Kennzahlen, weil sie noch nicht zusammengestellt wurden. Deshalb können wir auch keine richtigen Zielvorgaben machen. Und es gibt auch noch keine Bilanz und damit auch noch keine Abschreibungen. Das sieht man auch daran, dass es in den Haushaltsberatungen nur einen einzigen Antrag zu den Zielvorgaben gab, und der war von uns. Wir hatten gefordert, dass alle Kinder, die einen Ferienpass haben wollen, auch einen bekommen sollen. Der Antrag wurde abgelehnt.

Ansonsten gab es keinen Antrag, der sich auf Ziele bezogen hätte. Jetzt haben wir also den Stand, dass die Verwaltung zwar mehr Freiheiten beim Einsatz der Mittel hat, die Steuerungselemente, die die Ratsver-
sammlung im Gegenzug bekommen sollte, aber noch nicht da sind. Insofern hat die Selbstverwaltung in Sachen Aufstellung des Haushalts Macht verloren.

LinX: Besteht Aussicht, dass sich das in Zukunft verbessern wird?

F.J.: Es wird nächstes Jahr besser sein, aber sicherlich noch nicht gut. Der Prozess wird sich noch einige Jahre hinziehen. Das ist kein böser Wille der Verwaltung sondern sie ist schlichtweg überfordert.

LinX: Zu wenig Personal?

F.J.: Es gab kein zusätzliches Personal für die Umstellung, was eigentlich notwendig gewesen wäre, und es kommt noch dieser unsägliche Eckwertebeschluss hinzu, nach dem in der Verwaltung 1.000 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen. Der stammt noch von Schwarz-grün, wird aber von der neuen Kooperation aus SPD, Grünen und SSW fortgeführt. Wobei sich in den Haushaltsberatungen gezeigt hat, dass die Kooperation ihn abmildern will.

Wir sind allerdings der Auffassung, dass der Eckwertebeschluss ganz weg muss. Schon jetzt ist der Krankenstand so hoch, dass die Verwaltung kaum ihre alltäglichen Aufgaben erfüllen kann. Und dann soll sie auch noch in allen Bereichen die Haushaltsführung umstellen und sich Kennzahlen überlegen. Das kann nicht funktionieren.

LinX: Der Krankenstand ist so hoch wegen Überlastung?

F.J.: Ja. Das hat auch mit dem unnötigen Zeitdruck zu tun. Die Oberbürgermeisterin wollte gerne, dass Deutschland eine Vorreiterrolle bei der Einführung der Doppik übernimmt. Wir hätten uns also auch länger Zeit lassen können, was sicherlich besser gewesen wäre.

LinX: Wann wird denn die Bilanz kommen?

F.J.: Irgendwann im nächsten Jahr. Dann werden wir auch erst die Abschreibungen bei den Gebäuden haben, das heißt der Ergebnisplan wird dann um etliche Millionen in den negativen Bereich rücken. Um wie viel, können wir noch gar nicht absehen, was die ganzen Haushaltsberatungen ein bisschen überflüssig macht. Wir reden über ungelegte Eier.

LinX: Kommen wir mehr zu den Inhalten des Haushaltes: Wo hättet ihr gerne andere Akzente gesetzt?

F.J.: Wir halten es für sehr wichtig, dass es einen sozialeren Haushalt gibt. Wir wollten zum Beispiel im nächsten Jahr gerne eine Weihnachtsbeihilfe für Bedürftige haben, was abgelehnt wurde. Wir wollten einen Schülerfonds haben, um die Lehrmittelfreiheit wieder herzustellen. Klassenfahrten werden zum Beispiel nicht mehr von den Job-Centern übernommen. Auch Arbeitshefte, in denen Aufgaben direkt gelöst werden, und Literatur müssen von den Eltern  bezahlt werden. Da geht es um Summen, die von Menschen, die mit einem Hartz-IV-Satz auskommen müssen, kaum zu tragen sind. Außerdem wollten wir einen Fonds einrichten, mit dessen Mitteln Kinder, die es sich sonst nicht leisten können, zumindest einmal im Vierteljahr mit ihren Eltern an einer kulturellen Veranstaltung teilnehmen können.

LinX: Nun hat Kiel ein echtes Geldproblem. Hattet ihr auch Vorschläge, wo das Geld hätte herkommen sollen oder wo der Rotstift hätte angesetzt werden können?

F.J.: Wir sind der Meinung, dass der Flughafen nicht weiter finanziert werden sollte. Der kostet jedes Jahr den Stadthaushalt etwa 700.000 Euro, ohne dass er einen Nutzen für Kiel hätte. Außerdem kann man einige Bauvorhaben verschieben oder ganz streichen. Wir brauchen keine Südspange, die den Ostring irgendwann einmal mit der B 404 verbinden soll. Wir könnten auch die ganzen Empfänge etwas zurückfahren, für die im Augenblick 180.000 Euro jährlich eingeplant sind. Da könnte man sicherlich zehn Prozent streichen, aber das stößt wie unseren anderen Vorschläge auf wenig Gegenliebe. Das reicht als Gegenfinanzierung für unsere Projekte vielleicht nicht ganz aus, aber das zuzugeben ist seriöser, als ohne fundierte Grundlage einfach die Einahmeerwartungen hochzuschrauben, wie die anderen Fraktionen es getan haben.