Die deutsche Linke hat ein Problem. Statt das Offensichtliche
zu tun, nämlich gegen einen barbarischen Krieg zu demonstrieren, deren
Opfer vor allem Zivilisten und darunter viele Kinder sind, in dem die über-
mächtige israelische Seite nahezu jede Hilfe für
die Verwundeten verhindert, bleiben die meisten eher zuhause, überlassen
das Demonstrieren den Einwanderern. Der Grund: Vielleicht mangelnde Information,
ein wenig Resignation, sicherlich aber vor allem Verunsicherung. Jahrelanges
ideologisches Trommelfeuer, das jede Kritik an Israel als antisemitisch
denunziert hat offenbar ihre Spuren hinterlassen.
Dabei ist es doch eigentlich gar nicht so kompliziert:
Den israelischen Krieg zu verurteilen, heißt doch nicht automatisch
Partei für Hamas zu ergreifen. Es ist doch nicht das erste Mal, dass
es in einem Krieg keine gerechte Seite gibt. Natürlich ist Hamas eine
reaktionäre Organisation, die zudem die Bevölkerung Gazas als
Geisel in ihrem Krieg mit Israel nimmt. Und natürlich muss man Raketenangriffe
auf zivile Ziele verurteilen. Aber genauso richtig ist, dass Israel trotz
Waffenstillstand mit begrenzten militärischen Operationen wieder-
holt Hamasfunktionäre und deren Familien getötet
und so die Raketenangriffe provoziert hat. Die israelische Führung
wollte diesen Krieg; dass auf beiden Seiten die reaktionären Hardliner
von diesem Krieg profi-
tieren, scheint ziemlich eindeutig. Nicht nur Linke verweisen
darauf, dass das erbarmungslose Vorgehen der israelischen Führung
Hamas und anderen religiösen Reaktionären die Menschen in die
Arme treibt, und das sollte man auch den selbst ernannten deutschen Freunden
Israels ins Stammbuch schreiben.
Für die hiesige Linke ist die weitgehende Protest-Abstinenz
derweil fatal, da es sie weiter von einem großen Teil der Einwanderer-Gemeinden
entfremdet. Das könnte sich in den nächsten Monaten noch bitter
rächen, wenn es darum gehen wird, gegen die Abwälzung der Krisenlasten
auf die Schultern der Lohnabhängigen und Ausgegrenzten zu kämpfen.
Wie in Nahost gilt auch hier: Solange die Menschen nach Religion, Haar-
farbe oder Sprache sortiert und gegeneinander aufgehetzt
werden, werden immer wir, die kleinen Leute, die alles am Laufen halten,
die Verlierer sein.