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Kommentar:
HDW, Kodratieff und der Wind

Wir sollten aufhören, von einer Finanzkrise zu sprechen. Die Krise, vor der wir stehen, ist vielmehr als das. Bereits in den 1920er Jahren hat der sowjetische Ökonom Nikolai Kondratieff festgestellt, dass es im Kapitalismus lange Wellen in der Entwicklung gibt, die so genannten Kondratieff-Zyklen. Etwa 80 Jahre sind sie lang und meist mit einem besonders heftigen Abschwung verbunden. Vieles spricht dafür, dass wir gerade am Ende einer solchen langen Welle stehen.

Was sind diese Kondratieff-Zyklen? Wenn, wie im Kapitalismus üblich, die meisten Entscheidungen über Umfang und Art der Produktion dem Markt überlassen bleiben, dann geschieht für gewöhnlich folgendes: Der Kapitalist vermutet einen Bedarf, produziert darauf los und macht, wenn es gut geht, seinen Gewinn. Geht es sehr gut, weitet er die Produktion aus. Das geht so lange, bis mehr Produkte auf dem Markt sind, als die Käufer haben wollen oder bezahlen können. Nun sind auf einmal zu viele Kapazitäten da, Halden entstehen, Arbeiter werden vor die Tür gesetzt. Derlei Überproduktionskrisen treten in stärkerer oder milderer Form mindestens einmal im Jahrzehnt auf.

Richtig schlimm wird es zum Ende eines Kodratieff-Zyklus, wenn diese "normalen" Krisen in vielen Ländern synchronisiert sind und noch mit einem großen technologischen Wechsel zusammenfallen, wie es derzeit der Fall ist. Kohle und Öl neigen sich tendenziell dem Ende zu und müssen in den nächsten Jahrzehnten ersetzt werden. Auch der Verkehrssektor ist an einen Wendepunkt gekommen zu sein. Zentrale Stützpfeiler des “Auto-Kapitalismus” wie GM geraten ins Wanken.

Diese Umbrüche sind kompliziert und das Kapital möchte uns gerne die damit verbundenen Kosten aufbürden. Dagegen müssen wir uns natürlich wehren, für Mindestlohn, Arbeitszeitverkürzung und ähnliches kämpfen. Aber wir müssen auch einen Wechsel in der Produktion einfordern, damit nicht mit neuen Kohlekraftwerken, Abwrackprämien und ähnlichem Blödsinn einfach weiter gewurschtelt wird. Was wir bräuchten, wäre zum Beispiel eine Runderneuerung der Stadt Kiel und der ganzen Region: Windanlagenbau auf HDW, elektrisch betriebene Taxen und Bussen auf den Straßen, ein großes Programm zur thermischen Sanierung des Gebäudebestandes, Lokomotivenbau in Friedrichsort und eine neue Stadtbahn rund um die Förde.

(wop)