In der Mai-Extraausgabe berichtete die LinX vom erfolgreichen
Kampf der KollegInnen in den Unikliniken gegen die weiteren Privatisierungsbestrebungen
der Landesregierung. Klar ist, dass Regierung und Klinik-
leitung ihre Privatisierungspläne nicht endgültig
begraben, sondern nur vorübergehend auf Eis gelegt haben. Grund genug
für die LinX, sich einmal näher mit einem der größten
privaten Klinikbetreiber und vielfachen Käufer kommunaler und landeseigener
Krankenhäuser zu befassen, mit Asklepios.
Asklepios ist der Name des antiken griechischen Gottes
der Heilkunst. Er wurde vom Göttervater Zeus durch einen Blitz erschlagen,
da dieser befürchtete, dass dank Asklepios’ Heilkunst kein Mensch
mehr sterben müsse. Asklepios ist aber auch der Name eines großen
deutschen Klinikbetreibers. Die Asklepios-
Kliniken machen allerdings weniger durch ihre Heilkunst
von sich reden. Das Geschäftsmodell des Klinik-
betreibers ist es vielmehr, öffentliche Krankenhäuser
zu Dumpingpreisen zu übernehmen und durch Spar-
maßnahmen auf dem Rücken von Personal und
Patienten rentabel zu machen. Hätten es die Asklepios-
Gründer also mit der griechischen Mythologie ernst
genommen, hätten sie dem Konzern den Namen Hermes geben müssen,
des Gottes der Händler, der sich in einer Nebentätigkeit auch
um die Diebe kümmert. Bei den Heilern, also den Ärzten und dem
Pflegepersonal, das für die Asklepios-Kliniken arbeitet, hat ihr Arbeitgeber
einen denkbar schlechten Ruf. Der Konflikt zwischen Arbeitnehmerinteressen
und Rentabilitätszielen ist allerdings keine bedauernswerte
Ausnahme, sondern Geschäftsziel – ohne eine „Optimierung der Fallkosten“,
die bei einem Krankenhaus hauptsächlich über die Senkung der
Personal-
kosten zu erreichen ist, würde das Asklepios-Modell
nicht funktionieren.
Seit Ende April macht Asklepios erneut negative Schlagzeilen. man hatte bei einer Routineuntersuchung in der Hamburger Zentrale des Konzerns mehrere verwanzte Telefone entdeckt. Neben der Geschäftsführung wurden auch die Pressestelle und der Gesamtbetriebsrat mit abgehört. Wer zu diesen Stasi-Methoden griff, ist zwar unbekannt, aber die Vermutung, dass die Lauscher in der Konzernzentrale in Königsstein im Taunus sitzen, ist kaum von der Hand zu weisen. Die Geschäftsführung in Hamburg steht mit den Besitzern im Clinch, Pressekontakte werden bei Asklepios seit jeher argwöhnisch beäugt und der Betriebsrat gilt den Königssteinern als Feind im eigenen Hause. Zur Aufklärung hat man die „neutralen“ Unternehmensprüfer von Ernst & Young engagiert – wobei gerade eben diese Prüfungsgesellschaft in Bezug auf Asklepios alles anders als neutral ist.
Bernard Broermann, der vermeintliche Alleinbesitzer der
Asklepios-Kliniken, war vor seinem Krankenhaus-
Engagement Mitarbeiter bei den Vorgängern von Ernst
& Young, die ihn auch immer wieder direkt und indirekt als Kapitalgeber
auf seinem Expansionskurs begleitet haben. Ernst & Young und assoziierte
Unternehmen traten auch mehrfach im Vorfeld von Kranken- hausprivatisierungen
als „neutrale“ Wirtschaftsgutachter auf – die Expertisen sagten der öffentlichen
Hand in allen Fällen hohe zukünftige Belastungen voraus und Asklepios
bot sich als „kostensparende“ Alternative an. Wenn Ernst & Young nun
die Spitzelvorgänge unter- sucht, ist kaum anzunehmen, dass etwas
„Unerfreuliches“ für Broermann und Co. dabei herauskommen wird.
Asklepios erblickte im Jahre 1984 das Licht der Welt. Woher Unternehmensgründer Broermann das Kapital für seine sagenhaften Geschäftspläne nahm, darüber kann nur spekuliert werden. Private Geldgeber aus dem Umfeld von Ernst & Young gab es zu Genüge und sein Geschäftsmodell benötigt relativ wenig Eigenkapital. Mit den „richtigen“ Wirtschaftlichkeitsgutachten von Ernst & Young im Hintergrund sind Krankenhäuser in Deutschland zu Discountpreisen zu haben. Meist musste Asklepios nur geringe Summen für den Kauf der Häuser aufbringen, dafür aber den Kommunen die Übernahme von Investitionen und Schulden zusagen. Diese Kosten werden dann aus dem Cash-Flow übernommen, womit man Steuern spart und die Betriebskennzahlen drückt, mit denen man dann die unliebsamen Personalentscheidungen begründet. Heute verbucht Asklepios einen Jahresumsatz von 2,3 Mrd. Euro. Man betreibt 110 Krankenhäuser mit 21.000 Betten und beschäftigt 36.000 Mitarbeiter, einen Großteil davon in Deutschland.
Krankenhäuser sind für private Investoren rentabel.
Auch für die Asklepios-Kliniken, die aufgrund der kleingliedrigen
Strukturen keine wirtschaftlichen Kennzahlen veröffentlichen müssen.
Gemessen an Konkurrenzunternehmen, die publikationspflichtig sind, kann
man bei Asklepios von einer Eigenkapital-
rendite von rund 15% ausgehen – dies wäre ein Gewinn
von 230 Mio. Euro pro Jahr. In einer Investorenschrift rühmt sich
Asklepios für seine, „im Vergleich zur Gesamtwirtschaft überdurchschnittlichen
operativen Ertragskraft“, die von einer Rating-Agentur mit der Investment-Grade-Bewertung
BBB belohnt wurde. Das Geschäft rund um die Gesundheit ist sehr rentabel,
nur hält man solche Informationen als Betreiber natürlich gerne
geheim. Wie sonst könnte man die KollegInnen davon überzeugen,
Lohn-
kürzungen hinzunehmen? Wie sonst könnte man
den Staat überzeugen, immer mehr Geld in Klinken zu pumpen? Wie sonst
könnte man Kommunen und Bundesländer überzeugen, ihre Krankenhäuser
zu Discountpreisen zu verschleudern?
Personalkosten spielen im Gesundheitssystem eine große Rolle – Pflege ist nun einmal Handarbeit und lässt sich schlecht rationalisieren. Klinikkonzerne wie Asklepios sind jedoch Experten auf dem Gebiet der Lohnsenkungen. Was man ausgliedern kann, wird ausgegliedert – Apotheke, Putzdienste, Küche und der technische Bereich fallen der Privatisierung meist zuerst zum Opfer. Die gleiche Arbeit wird dann oft von den gleichen Leuten außerhalb des Tarifs erledigt. Lohnkürzungen bis zu 30%, bei gleichzeitiger Verlängerung der Arbeitszeit, Kürzung der Urlaubstage und der Zusatzleistungen sind die Regel. Die MitarbeiterInnen arbeiten dann formal für konzerneigene Leiharbeitsfirmen und können bei Bedarf jederzeit ohne große Diskussion mit dem Betriebsrat gekündigt werden. Auch examinierte Pflegekräfte werden von Asklepios in Tochterfirmen wie der “Asklepios medi top Pflegedienste & Service GmbH” unter Umgehung der geltenden Tarifverträge in Zeitarbeit beschäftigt – hiervon sind besonders Neueinstellungen betroffen. So entsteht in allen Asklepios-Häusern eine Zweiklassen-Arbeitnehmerschaft – wobei allerdings die Inhaber von Altverträgen ohne Schulterzucken ausgedünnt werden, sobald es die Rahmenverträge mit der Kommune gestatten.
Dies ist das Asklepios-Modell – nach der Privatisierung wird meist die Bettenzahl erhöht und gleichzeitig Personal abgebaut. Stellen werden nicht neu besetzt und Zeitverträge werden nicht erneuert. Mit weniger Personal werden dann mehr Patienten versorgt. Obwohl die Fallzahlen steigen und der Arbeitsdruck beständig wächst, nimmt der Personalschlüssel kontinuierlich ab. Natürlich sorgt die permanente Unterbesetzung für Frust beim Personal und führt zu einer qualitativ schlechteren Patientenversorgung. MitarbeiterInnen von Asklepios, die mit Journalisten nur anonym sprechen, berichten von eingekoteten Patienten, die ungewaschen auf der Station eingewiesen werden; von Nachtschichten auf Stationen, auf denen nur noch eine einzige Pflegekraft schwer Kranke und frisch Operierte betreut; von Arzthelferinnen aus Zeitarbeitsfirmen, die anstelle von ausgebildeten Kräften als Leiharbeitskräfte direkt in der Notaufnahme eingesetzt werden.
Um weiter Kosten zu senken, greift Asklepios gerne auf schlecht ausgebildetes Personal zurück, das wesentlich preiswerter zu haben ist. Zeitverträge von examinierten Krankenpflegern werden dabei nicht mehr verlängert und deren Stellen werden mit „Gesundheitsassistenten“ besetzt – dies sind meist Arbeitslose, die nach einem halbjährigen Schnelllehrgang auf die Patienten losgelassen werden. In der Theorie sind diese Servicekräfte nur für Tätigkeiten vorgesehen, die keine besondere Ausbildung erfordern. In der Praxis zählt dies bei einer chronischen Unterbesetzung natürlich wenig – examinierte Kräfte und Gesundheitsassistenten ergänzen sich nicht, sie verdrängen einander. In einigen Häusern führt dies dazu, dass kein einziger ausgebildeter Pfleger nach Abschluss seiner dreijährigen hochqualifizierten Ausbildung übernommen wird – dafür stellt man allerdings günstigere Gesundheitsassistenten ein. Examinierte Kräfte müssen dafür immer mehr Arbeiten der Ärzte übernehmen, wie die Abnahme von Blut oder das Legen von Zugängen. Dafür bleiben dann andere Bereiche liegen. Wenn man nicht mehr genügend Zeit hat, alle Patienten zu füttern, so werden halt Magensonden oder venöse Zugänge gelegt – das geht schneller, als mit der Hand zu füttern.
Ein Unternehmen wie Asklepios hat gute Gründe, sein Personal zu überwachen – viele MitarbeiterInnen sind in die innere Emigration gegangen, viele MitarbeiterInnen haben allerdings auch eine tief verwurzelte Wut auf die Unternehmensführung. Unternehmensgründer Broermann beschrieb seine Philosophie in einem internen Schreiben folgendermaßen: „Diese Philosophie […] geht […] einher mit 100-prozentiger Loyalität gegenüber dem Unternehmen. Jeder Missbrauch des Vertrauens ist daher mit voller Härte zu ahnden […] Mitarbeiter wollen Führung“. 100% Loyalität gegenüber einem Arbeitgeber zu empfinden, der Arbeitsplätze streichen will, den Lohn kürzt, die Arbeitszeit erhöht und bereits Billigarbeiter im Ärmel hat, die einen jederzeit ersetzen können, wäre ungewöhnlich. Die volle Härte ihres Arbeitsgebers fürchten indes viele Asklepios-MitarbeiterInnen. Da mag es kaum verwundern, dass Betriebsfeiern ausfallen müssen, da sich niemand in die Teilnehmerliste eintragen will, Betriebspsychologen von den MitarbeiterInnen keine Auskunft mehr erhalten und „anonyme“ Qualitätsstudien von den KollegInnen nicht ausgefüllt werden. Wenn ein solches Unternehmen schon seine eigenen Führungskräfte abhören lässt, ist ihm auch einiges mehr zuzutrauen.
Das Geschäft mit der Gesundheit hat mit Heilen nur noch wenig zu tun – es ist ein Geschäft wie jedes andere auch, nur dass es stärker als andere Geschäfte auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird. Nicht Heilung, sondern betriebswirtschaftliche Kennzahlen stehen im Mittelpunkt. Wenn man aus dem Gesundheitssystem etwas von Qualitätsmanagement oder Qualitätstransparenz hört, so geht es doch meist eigentlich um Stückkosten- und Prozessoptimierung, Begriffe, die aus der Betriebswirtschaftslehre stammen. Asklepios ist dabei beileibe kein Einzelfall – auch die Konkurrenten Helios oder Rhön-Klinikum arbeiten nach dem gleichen Modell. Leidtragende sind dabei all diejenigen, die in einem solchen Krankenhaus arbeiten oder dort als Patient auf Heilung hoffen – also wir alle. Die Renditeziele einiger Weniger stehen in Konkurrenz zum Allgemeinwohl. Der griechische Gott Asklepios wurde von Göttervater Zeus mit einem Blitz erschlagen - doch im heutigen Gesundheitssystem gibt es keinen Göttervater mehr, auf den wir hoffen könnten. Wir müssen Asklepios selbst stoppen; wenn wir keine Blitze haben, dann durch solidarischen Widerstand.