Kämpferische Demo
So viel Antikapitalismus hat man lange nicht auf einer
Gewerkschaftsdemo gesehen und gehört. Selbst DGB-Chef Sommer geißelte
"Voodoo-Geldgeschäften", die die Krise ausgelöst hätten,
und der Vertreter der ver.di-Jugend forderte die Überwindung des Kapitalismus.
Die nach DGB-Angaben rund 100.000 Menschen, die am 16. Mai zur bundesweiten
Demonstration gegen die Wirtschaftskrise gekommen waren, spendeten
reichlich Applaus. Zur gleichen Zeit demonstrierten auch in Prag 20.000
bis 30.000 Gewerk-
schafter. Verschiedene europäische Gewerkschaftsbünde
hatten zu Aktionstagen vom 14. bis 16. Mai aufgerufen. Nach Informationen
der Veranstalter gingen an diesen Tagen in Madrid, Brüssel, Prag und
Berlin 330.000 Menschen auf die Straße. In Berlin sprachen auch Gewerkschafter
aus Indien, Italien, Frankreich und Österreich. Letzterer berichtete
von einer gemeinsamen Demonstration, die Österreichs Gewerkschaften
einige Tage zuvor in Wien organisiert hatten. 25.000 Gewerkschafter aus
diversen Branchen waren gemeinsam gegen die unverschämten Angebote
der Unternehmerseite in den laufenden Tarifauseinandersetzungen auf die
Straße gegangen. Eine deratige Bündelung der Tarifkämpfe
wäre sicherlich auch hierzulande sehr hilfreich.
DGB-Chef hatte immerhin ein paar starke Worte parat: „Eine
Umkehr ist überfällig,“ die Eliten in Politik und Wirtschaft
hätten ange- sichts der Krise versagt. Deutschland brauche "ein Zukunftsinvestitions-
programm sowie ein drittes Konjunkturprogramm", das seinen
Namen verdiene und die Binnenkonjunktur ankurbele. Eine Perspektive, wie
es mit den Protesten weitergehen könnte, hierzulande und EU-weit,
war vom DGB-Chef nicht zu vernehmen, aber das ist wahrscheinlich auch etwas
zu viel erwartet. Da müsste wohl schon etwas mehr von den Linken kommen.
Im Juni wird es zwei bundesweite Treffen des Spektrums geben, dass die
erste große Anti-Krsiendemo am 28. März organisiert hatte.
Derweil war die Stimmung auf der Berliner Demo kämpferisch.
Für die Teilnehmer war es ganz offensichtlich mehr als eine
gewerkschaftliche Pflichtveranstaltung. Auf vielen Transparenten wurde
auf aktuelle Kämpfe Bezug genommen, Opel, Daimler, Conti, HDW und
viele andere Betriebe waren sichtbar vertreten. Mit dabei auch ein kämpferischer
Jugendblock, der für den Schul- und Unistreik Mitte Juni warb. Auch
die Gewerkschaftsjugend war erfreulich gut vertreten.
Skeptische Blicke bei HDW. Am 11. Mai beteiligten sich über Tausend
HDWler an einer Kundgebung gegen Entlassungen auf der Werft. Mehrere hundert
Arbeitsplätze im zivilen Schiffbau sind gefährdet, nach dem Aufträge
storniert wurden. Weitere Aktionen sind geplant. Foto: Pewe, Gruppe Arbeiterfotografie