Stadtwerke Rekommunalisieren
Nicht nur die Kontrolle von Wasseraufbereitung und Versorgung
muss wieder in die Öffentliche Hand. Und nicht nur die pflegeauf-
wendigen Netze müssen in Öffentliche Hand, sondern auch die Energieerzeugung
und -versorgung gehören zur Daseinsvorsorge und nicht in die Hand
von Konzernen. Auch der Service ist eine Aufgabe der kommunalen Versorgung.
Dazu gehören Werkstätten, die zukunftsfähig sind. Dem qualifizierten
Personal der Stadtwerke müssen die Mittel in die Hand gegeben werden,
um eine zukunfts-
fähige Entwicklung im Dienste aller Bürgerinnen
und Bürger der Kieler Region zu ermöglichen. Nur so können
auch die vorhandenen Fertigkeiten der Stadtwerker wieder der Allgemeinheit
dienen bzw. für die Daseinsvorsorge zur Verfügung stehen und
zu zukunftsfähige Arbeitsplätze geschaffen werden. Konzernen
können dies nicht gewährleisten. Hier findet die Entwicklung
nur noch durch die Optimierung des Wettbe-
werbs der Energiekonzerne und die Ausrichtung auf das
Kerngeschäft den Handel mit Strom statt. Deren Interesse ist nicht
die kostengünstige Daseinsvorsorge, sondern Profitmaximierung und
Preissteigerungen. Hierbei sind die Interessen von BürgerInnen, Mitarbeitern
und kommunalen demokratischen Körper-
schaften untergeordnet.
Ausbau der Netze
In Kiel sind insbesondere Auswirkungen auf Service und Netzpflege zu erwarten. Wir brauchen keinen Rückbau der Netze (wie z.B. der Gasversorgung) wie von der MVV-Betriebsführung geplant, sondern einen zukunftsfähigen vielfältigen Ausbau und Wartung der Netze.
All dies ist nur zu verhindern in einem vollständig
kommunal kontrollierten Betrieb. Dies wird gerade im Zusammenhang mit der
Auseinandersetzung um die Energieversorgung in der Region Kiel deutlich:
Die Debatte, ob in Kiel ein neues Kohlekraftwerk benötigt wird oder
nicht, lässt erkennen, dass Konzern-
interessen und Bürgerinteressen nicht zusammenpassen.
E.on und MVV brauchen ein großes Kohlekraft-
werk, vor allem um ihre Profitrate zu realisieren. Sie
wollen auf dem liberalisierten europäischen Markt Strom verkaufen.
Für die Konzerne sind die Auswirkungen auf Mensch und Natur zweitrangig. Dies haben selbst namhafte Ökoinstitute in Kiel bewiesen. Bei den Gutachten, die von den Stadtwerken bezahlt wurden, zählte auch für sie beim Ergebnis nur die sog. Wirtschaftlichkeit, d.h. sie bestätigten, entsprechend ihrem Auftrag, dass im Sinne der Profitmaximierung nur das 800 MW Kohlekraftwerk profitabel sei. Wie hartnäckig die Konzerne, hier in Kiel die MVV, ihre Interessen durchsetzen wollen, zeigte auch der einseitig von Ihnen gebildete Runde Tisch von Stadtwerken und Ratsvertretern, der ohne demokratische Legitimität geschaffen wurde und ohne Öffentlichkeit entscheiden wollte. Allein der Bürgerprotest und die Demonstration gegen das neues Kohlekraftwerk, führte zu dem sog. Memorandum, d. h. der Aufschiebung des Baus um drei bis fünf Jahre.
Im Kommunalwahlkampf wurde von Grünen und SPD die Auseinandersetzung um die Energieversorgung als wichtiges Thema heraus- gebildet. Die Wählerinnen und Wähler bestätigten dies mit ihrem Votum. Es ist doch klar, dass die gewählten Parteien wie in ihrem Kooperationsvertrag beschrieben, es politisch umsetzen müssen. Sie beschlossen deshalb: In Kiel wird kein neues Kohlekraftwerk gebaut.
Noch nicht aufgegeben
Das E.on und MVV nach dem Ratsbeschluss von einer Aufkündigung des Memorandums sprachen, zeigt uns, dass sie mit demo- kratischen Entscheidungen und Willen der Bevölkerung nicht viel gemeinsam haben. Ihrerseits hatten sie das so genannte Memorandum schon durch die wiederholte Darbietung ihrer einseitigen Gutachten gebrochen, in denen das große Kohlekraftwerk als einzige profitable Lösung angepriesen wurde.
Die Stadtwerke/MVV schreckten nicht davor zurück,
die Belegschaften für ihre Interessen zu in- strumentalisieren
und organisierten eine Demonstration für Kohlekraftwerke und versuchen
die soziale und gewerkschaftliche Bewegung zu spalten, indem sie behaupteten,
das Kohlekraftwerke die Arbeitsplätze sichern würden und zu sozialen
Strompreisen führen würden. Über Werbeblätter und Presse
präsentieren sich die Stadtwerke/MVV als umweltfreundlich. Sie schreiben
über Energiesparmaßnahmen und Blockheiz-
kraftwerken und bieten Ökostrom aus Wasserkraftwerken
an, während sie für Kiel keine andere Lösung als Kohle wollen.
Auf der Landesebene versuchten sie ihre Ziele über ein Raumordnungsverfahren
durchzu-
setzen, womit sie allerdings scheiterten. E.on und MVV
können sich nicht mit dem Ratsbeschluss abfinden und versuchen deshalb
über externe, von ihnen beauftragte Beeinflussungsinstitute (IFOK)
die Diskussion im elitären Kreis fortzuführen, um Druck auf die
Ratsversammlung auszuüben, statt eine öffentliche Debatte zu
führen.
Dass die Stadt mit ihrem 49%-igen Anteil kaum noch Einfluss
auf die Entscheidungen der Stadtwerke hat, zeigt die Gefährlichkeit
von Privatisierungen, (die ja der gesamte Rat unter Norbert Gansel zu verantworten
hat) bei der die operative Leitung der Stadtwerke leichtgläubig in
Konzernhand, jetzt der MVV gegeben wurde. Dieser Konzern tut alles, sich
als kommunal, umweltfreundlich und partnerschaftlich darzustellen, aber
bei Gewinnerwartungen hört die Partnerschaft dann plötzlich auf.
Die Folgen und Auswirkungen von Privatisierungen sind absehbar: Keine Versorgungssicherheit,
Qualitätsverlust, Arbeitsplatzabbau, Preis-
steigerungen, fehlende demokratische Kontrolle und keine
Umweltverträglichkeit.
Wettbewerb ist keine Lösung
Der Kieler Bevölkerung ist leider nicht bewusst,
unter welchen qualvollen Bedingungen der ehemals vor-
bildliche Betrieb heruntergewirtschaftet wird, mit dem
Argument, wirtschaftlich und wettbewerbsfähig zu sein. Der Vorstand
stellt den gestressten Mitarbeitern jetzt psychologische Hilfe kostenlos
und selbstver-
ständlich vertraulich zur Verfügung. Ideologische
Manipulation für die Ausrichtung auf die Konzernziele soll die Kollegen
von gewerkschaftlichen Kämpfen abhalten und eine Solidarität
mit sozialen Bewegungen verhindern. Auf Gewerkschaften, kommunale
Vertreter, Parteien und Bürgerinitiativen kommt die wichtige
Aufgabe zu, für eine öffentliche und solidarische Debatte zu
sorgen, in der Konzerninteressen und öffentliche Interessen gegenüber
gestellt werden.
Es ist ihre dringende Aufgabe
Stadtwerker und Bevölkerung wieder zusammenzuführen, die Rekommunalisierung umzusetzen und die Arbeitsplätze zu sichern.
die erfolgreiche Entwicklung der Stadtwerke nach 1949 weiterzuführen
den Stadtwerkern ihre eigentliche Funktion und Aufgabe zurückzugeben, die zukunftsfähige Daseinsvorsorge und den eigenständigen Service.
die Wasserversorgung wieder unter öffentliche Kontrolle zu bringen
die Energieversorgung zukunftsfähig, sozial und umweltfreundlich zu gestalten.
E.on und MVV wollen dagegen viel im neuen Kerngeschäft investieren: Mit ca. 1,5 Mrd. in ein neues 800 MW Kohlekraftwerk auf dem Kieler Ostufer. Die Stadtwerke Kiel mit ihrem 50%igen Anteil am Gemeinschaftskraftwerk wird sich dort über die MVV mit einbringen. Welche finanziellen Folgen dies für die Stadt haben könnte, ist unabsehbar. Ein weiterer Grund, den Bau eines neuen Kohlekraftwerkes in Kiel zu verhindern. Eher sollte Geld für den Rückerwerb der Stadtwerke in die Öffentliche Hand genommen werden. Die Investition in eine zukunftsfähige Daseinsvorsorge wäre weit sinnvoller, als es in maroden Banken zu versenken. Die Leidtragenden sind die Kieler Bürger und die Kieler Kommunalverwaltung, die auf die Daseinsvorsorge kaum noch Einfluss hat. Mittlerweile hat vermutlich ein starker Wertverlust der Stadtwerke stattgefunden. Nicht nur, dass die MVV Immobilien und Werkstätten verkaufen. Es ist fraglich, wie viel denn noch in Netze, Infrastruktur und Service investiert wird. Nach einer Rekommunalisierung der Stadtwerke ist schon jetzt mit einem erheblichen Finanzierungsbedarf zum Wiederaufbau von Grundstrukturen der Stadtwerke zu rechnen.
Aktuelle Lage
Derzeit spitzt sich die Auseinandersetzung um die Energieversorgung zu. E.on und MVV haben mittlerweile das IFOK-Institut einge- schaltet um die Gegner zu beschwichtigen und von einer öffentlichen Debatte in Kiel abzuhalten. Demgegenüber entwickelt die Stadt Kiel ein eigenes umweltfreundliches Energiekonzept für die Region Kiel, entsprechend den Vorgaben der Koalition von Grüne und SPD.
Die BI umweltfreundliche Energieversorgung und die in ihr tätigen sozialen, globalisierungskritischen und umweltbewegten Organisationen diskutieren ebenfalls ein Konzept für Kiel und fordern eine öffentliche Debatte.
In den Gewerkschaften ist das Bewusstsein über die Bedeutung der Auseinandersetzung über die Zukunft der Kieler Stadtwerke gewachsen. Denn nur mit einem stärkeren kommunalen Einfluss, mehr demokratischer Kontrolle und Zurückführung des operativen Geschäftes in die Hände der Stadt kann ein Energiekonzept umgesetzt werden, welches erheblich mehr zukunftsfähige Arbeitsplätze schafft im Bereich der Energieeinsparungen, regenerativen Energien, Service und Beratung. Das Bündnis Kielwasser, eine Arbeitsgruppe von Attac-Kiel, wird weiterhin die Folgen der Privatisierung in Kiel beobachten und alle Kräfte für eine Rekommunalisierung sammeln. Das Kieler Wasser muss wieder in Bürgerhand!
Aussichten und Forderungen
Die Diskussion über die Zukunft der Daseinsvorsorge in Kiel wird dringend. Welche Folgen hat die Wirtschaftskrise darauf und wie entwickeln sich die künftigen Stadtfinanzen? Die Europäische Ausschreibungspflicht zur Liberalisierung der Märkte trifft zwangsläufig auch die Stadtwerke Kiel. Spätestens, wenn die Verträge auslaufen, muss sich auch die Stadt Kiel entscheiden. Nur wenn die Stadtwerke vollständig in kommunalem Eigentum sind, entfällt die Ausschreibungspflicht. Anderenfalls wird die Zerschlagung der Stadtwerke- strukturen mit weiterem Personalabbau und Rationalisierung durch die MVV die Folge sein, die mit der Konkurrenz auf dem Energie- markt mithalten müssen.
Eine Zusammenarbeit von Gewerkschaften, sozialen und umweltpolitischen Bewegungen, Stadtwerkern und kommunalen Vertretern ist unumgänglich.
Die öffentliche Diskussion der Verträge ist nötig: Schluss mit der Geheimhaltung des Konsortial- und Konzessionsvertrages
Die Wasser- und Energieversorgung müssen wieder in die Öffentliche Hand!
Die Abwasserprivatisierung wurde verhindert, der Öffentliche
Nahverkehr ist bereits rekommunalisiert. Jetzt müssen die Stadtwerke
folgen. Gemeinsam ist es möglich!