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Hochschulpolitik von CDU und Grünen in Hamburg:

Nachhaltige Studiengebühren

Die Erhebung von Studiengebühren breitet sich aus. Und der Protest dagegen? Seit dem Sommersemester 2007 gibt es an der Hamburger Hochschule für bildende Künste einen Boykott der Studiengebühren. Nun droht das Unipräsidium mit dem Gerichtsvoll- zieher. Rund 200 der 570 Studierenden an der Hochschule für bildende Künste (HfbK) boykottieren weiterhin die Studiengebühren – derzeit 375 Euro pro Semester. Einige, deren legaler Aufenthaltsstatus an die Immatrikulation gebunden ist, sowie andere, die von den Gebühren befreit sind, können nicht boykottieren: „Der Boykott wird durch die meisten Studierenden an der HfBK getragen, Studierende anderer Unis, zu denen wir regelmäßig Kontakt pflegen, unterstützen das mit. Jeder von uns hat im Bekannten- und Freundeskreis oder am Arbeitsplatz Menschen, die es nicht nur verstehen können, das wir boykottieren, sondern es wichtig finden, dass wir uns wehren, das jemand den Mund aufmacht“, so der Student Frank Vogel*.

An allen anderen Hamburger Hochschulen wurde das nötige Quorum von boykottierenden Studierenden verfehlt – 2007 fanden sich an der Uni Hamburg nur 6.078 von 27.000 zahlungspflichtigen Studierenden als TeilnehmerInnen für den Protest. Getragen wird der Boy- kott an der HfbK auch durch die vielen Unter-
stützerInnen, von Gruppen und Asten anderen Hamburger Hochschulen über die Bildungsgewerkschaft GEW bis hin zu einigen institutionskritischen Kunst-Gruppen Hamburgs.

So war, ist und wird es möglich, dass manche HfbK-Studierenden seit fast zweieinhalb Jahren erfolgreich die Zahlung der Studiengebühren verweigern. Während der an der HfbK laufenden Auseinandersetzung zwischen den BoykotteurInnen einerseits und dem Uni- präsidium und der hinter ihr stehenden Wissen-
schaftsbehörde andererseits ging es hin und her zwischen einer Verhandlungslösung und Rausschmiss-
drohungen.  Am Ende des Sommersemesters 2008 standen die Studierenden vor der realen Bedrohung auf Grund ihres bereits über drei Semester stattgefundenen Boykotts der Studiengebühren exmatrikuliert zu werden. Der erste Anlauf zur Exmatrikulation 2007 war zwar rechtswidrig, da Fristen nicht eingehalten wurden und die Studierenden hatten sich mit guten Chancen als Gewinner aus dem Rechtsstreit hervorzu-
gehen auf dem Klageweg befunden, ihnen wurde dann aber erneut und diesmal zu einem rechtlich korrekten Zeitpunkt die Exmatrikulation angedroht.

Effizienz statt Kunst

Daraufhin war es zu einem Vergleich zwischen den Studierenden und dem HfbK-Präsidenten Martin Köttering gekommen, der zum Ergebnis hatte, dass die Studierenden den Boykott abbrachen, aber nicht exmatrikuliert wurden und die Studiengebühren zinslos stunden lassen konnten. Aber nicht nur der selbstredend anonyme kleine Spruch an der Wand im Foyer „Köttering, wir wissen wo dein Auto steht“ zeigte, dass es an der HfbK großen Unmut gibt.

Die Studentin Claire Bonk* ist nicht nur mit den Studienbebühren unzufrieden: „Effizienzsteigerung der Studienabläufe, Out-Sourcing uneffektiver Hochschulbestandteile, Qualitätssicherung, Evaluierung, Public Privat Partnership, Campus Management, Servicebüros, Kundencenter und so weiter und so fort. Das sind alles Methoden und Begriffe aus der Wirtschaft, die in den letzten Jahren massiv Einzug in die Hochschulen gehalten haben. Wir sind aber kein Unternehmen, wir sind nicht hier um am Ende auf irgendeiner Ratingliste das Triple-A+ zu bekommen, weil wir möglichst gewissenhaft den Rahmen der Vorgaben ausgefüllt haben“.

Die Studierenden der HfbK gaben ihren Kampf gegen Studiengebühren nicht auf. Jetzt, zum Sommer-
semester 2009 gehen sie wieder verstärkt an die Öffentlichkeit – und beziehen sich in ihrem Protest auch auf die allgemeine Situation: „Es geht uns nicht einfach um die Vermeidung der Zahlung von einigen hundert Euro, sondern um den größeren politischen  Zusammenhang. Es geht uns darum, dieser Business-An-
biederung der Hochschulen zu begegnen. Wir wollen keine 'Kunden' eines modularisierten 'Programms' des 'Unternehmens Hochschule' sein. Keiner will doch in diesen Strukturen studieren, wo man nur noch die Kreuzchen in die Kästchen machen soll, die sich irgendwelche Unternehmensberater und Rating-Agenturen ausgedacht haben, weil das so schön in ihre überdeutlichen Zielvorgaben passt. Ich denke, vielleicht sehen wir uns besser als immerwährende Dilettanten und permanente Flüchtlinge, die sich an einem Ort, meinetwegen der Hochschule, in einer gemeinsamen, stets undefinierten Neugierde treffen. Antworten haben wir keine, wir haben eher das Umherirren, das Ausharren beim Ungewissen und das Irritieren von Gewöhnlichkeiten kultiviert. Das passt natürlich eher nicht in Excel-Tabellen,“ so Egge Masch*. Den AktivistInnen des Sudiengebührenboykottes geht es um's Ganze, sie haben andere Vorstellungen von einem sinnvollen Kunststudium als die Hochschulbürokratie. Pierre Bronson*: „Es ist doch unvorstellbar, dass man an einer Hochschule "nur Kunst studieren soll", als wäre sie irgendwie autonom von allem anderen, ohne aber die strukturellen Bedingungen in denen dies geschieht mitzudenken und auch stets selbst zu schaffen. Präsidiale Definitionsmacht Vorgefertigte Studienmodule, minutiös definierte Arbeitspensen, verpflichtende Kursbelegungen, das ist dem doch völlig gegenläufig.“

Geld für Private

Vor einem halben Jahr wurde eine noch von dem CDU-Senat durchgedrückte Verschlechterung wirksam: Seit dem Wintersemester 2008 gibt es an der HfbK Bachelor- und Master-Studiengänge. Der frühere Wissenschaftssenator Jörg Dräger, zwar parteilos, aber Mitglied im CDU-Senat, hatte laut Informationen der taz nord die Marge ausgegeben, dass zum aufbauenden Master nur jeder Zweite  Bachelor- Absolvent zugelassen werden soll. Gleichzeitig wurde die nahe der HfbK gelegene halbprivate Neugründung Hamburg Media School zulasten der Medienstudiengänge an der HfbK und der Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) bestens ausgestattet. Die Zuweisungen an die teilprivate Hamburg Media School (HMS) stiegen auf 1,5 Millionen Euro jährlich, während die Fördermittel für die staatliche Medienfakultät der HAW stagnierten. Die teilprivate HMS erhält durchschnittlich 26.000 Euro pro Jahr und Student von der Stadt Hamburg, die HAW 5.300 Euro – ähnlich sieht es vermutlich an der ebenfalls staatlichen HfbK aus. Trotz der hohen Fördersumme zahlen die Studenten an der HMS für ihren zweijährigen Master noch 12.000 Euro selbst an Studiengebühren.

Studierende an der HfbK begründen den Boykott der Studiengebühren denn auch allgemeiner mit den Verhältnissen an den Unis, wie Marie Berg*: „Die Teilprivatisierung der Hochschulen, das Studieren im Kundenverhältnis“ bringt sie die Kritik auf den Punkt.  Neben der für die Kunststudierenden wichtigen Reduzierung von Arbeitsräumlichkeiten   zählt Marie Berg noch mehr auf, was sie stört: „Die Entdemokratisierung aller Hochschul-Prozesse zu Gunsten einer Machtzentrierung bei Präsidium und Hochschulrat, die Einführung der Bachelor/ Master-Modularisierung, erhöhte Stresspsychosen und Depressionen bei Studierenden, Ausgliederung von Studienzweigen und Abschaffung ganzer Institute, Reduzierung der Arbeits-Räumlichkeiten und und und... das alles wird mit der Lüge der Sachzwanglogik begründet!“

Einige Studierende der HfbK haben letztes Jahr aufgegeben und gegen die Exmatrikulation wegen des Boykottes keinen Widerspruch eingelegt, weil sie unter den neuen Bedingungen nicht mehr studieren möchten. Andere Studierende umgehen mithilfe von Urlaubs- semestern die dadurch ausgesetzten Gebühren.

Grüner Wortbruch

Seit Mai 2008 gibt es in Hamburg eine schwarz-grüne Landesregierung. Die  Spitzenkandidatin der Grünen (GAL) und mittlerweile zweite Bürgermeisterin, Christa Goetsch, erklärte bereits während der Koalitionsverhandlungen, dass es keine Exmatrikulationen geben werde. Ihr Wahlversprechen, für die Abschaffung der Studiengebühren einzutreten, endete im Koalitionsvertrag dann so:  „Studienge- bühren werden ersetzt durch nachgelagerte Gebühren, die nach Ende des Studiums gezahlt werden müssen.“ Die Grünen haben es mit dieser Regelung und der Absenkung der Gebühren pro Semester von 500 auf 375 Euro in der Öffentlichkeit fast geschafft, den Eindruck zu erwecken, die Studiengebühren seien damit vom Tisch.

Die neue christdemokratische Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach sorgt mit erschwerten Durchführungsbestimmungen parallel dafür, dass viele Studierende doch gleich zahlen müssen. Wer älter als 35 ist oder die Regelstudienzeit um vier Semester überschritten hat, muss weiter sofort zahlen. Der auf Hochschulrecht spezialisierte Anwalt Joachim Schaller, der auch die boykottierenden Studierenden der HfbK vor Gericht vertrat, sprach deshalb von Verschlechterungen durch den schwarz-grünen Senat. Die nunmehr grün camouflierten Studiengebühren sind auf Nachhaltigkeit ausgelegt, nicht auf Erleichterung.

Der Aktivist Pierre Bronson* hat keine Illusionen, dass von der GAL hier nichts besseres mehr zu erwarten ist: „Wer sich mit CDU und GAL im Vorfeld der Wahl mal beschäftigt hatte, hat das wohl auch kaum erwartet. Die Nachlagerung der Studiengebühren hat das ganze nur verwaschener gemacht. Unter diesem Deckmantel der Nachlagerung ist die Studiengebühren-Regelung noch schwerer von einer Kritik zu adressieren: eine Verweigerung der Zahlung von Studiengebühren ist nur noch schwer möglich, sonst wird einfach der Gerichtsvollzieher geschickt.”

Claire Bonk* stellt zur neuen Farbenlehre des Hamburger Senates nur fest: „Ganz wichtig ist es natürlich hier auch die GAL im richtigen Licht zur Verantwortung zu ziehen. Sie hat aus Machtkalkül und mit solcher Dreistigkeit eines ihrer zentralen Wahlversprechen bezüglich der Abschaffung der Studiengebühren hinten über fallen lassen, dass viele der Studierenden mehr als nur sauer sind. Wenn im Endeffekt in der Folge der GAL-Politik nun also Vollstreckungen von Studiengebühren bei Studierenden durchgeführt werden, bin ich der Meinung, dass wir das öffentlichkeitstechnisch auch im richtigen Licht darstellen müssen. Jahrelange Erfahrung mit Pressearbeit und öffentlichkeitswirksamen Aktionen haben wir ja inzwischen.“

Gerichtsvollzieher

Über die Hälfte der zahlungspflichtigen Studierenden an der HfbK nahm im Wintersemester 2008/2009, als die von GAL und CDU eingeführten nachgelagerten Studiengebühren fällig wurden, oder wahlweise deren nicht zinsfreie Stundung, den Boykott wieder auf, der zuvor für Verhandlungen mit dem Unipräsidium unterbrochen worden war. Es wurde nicht gezahlt und keine Stundung beantragt. 173 Leute legten Widerspruch gegen den Gebührenbescheid ein.

Der Präsident der HfbK, Martin Köttering, erklärte medienwirksam, niemand würde exmatrikuliert werden – der schwarzgrüne Senat hatte die Bestimmung, dass zahlungsunwillige Studierende exmatrikuliert werden müssen, in eine Kann-Bestimmung umgewandelt. Stattdessen droht die HfbK den Boykottierenden mit dem Gerichtsvollzieher: Die ersten Androhungen, dass sie nun den Gerichtsvoll- zieher schicken werden um die ausstehenden Studiengebühren bei den säumigen Studiengebührengegnern einzutreiben, sind bereits Ende Februar verschickt worden. Die Hochschule fährt hier wieder die altbekannte Vereinzelungstaktik: es bekommen nicht alle Zahlungsver- weigerer gleichzeitig die Vollstreckungsandrohung, sondern nur einige wenige, um so den Schutz des kollektiven Nichtzahlens zu erodieren.

Die Verwaltung der HfbK hat die Gebührenansprüche an die Kasse Hamburg abgetreten, eine Abteilung der Finanzbehörde. Wer hier nicht zahlt, bekommt Besuch vom Gerichtsvollzieher. Frank Müller von der Kasse Hamburg hält neben einer Pfändung des Bankkontos auch eine Sachpfändung für möglich: „Flachbildschirme oder Autos kommen in Frage.“ Die Studierenden wollen sich dagegen wehren und protestieren mit einer Erklärung: „Unsere Konten werden gepfändet doch die der Bankenmanager nicht! – Wir zahlen nicht für Eure Krise!“

Damit könnten sie durchkommen, wenn sie standhaft bleiben, denn: gepfändet werden darf erst ab 989,99 Euro Einkommen monatlich. Die meisten Studierenden liegen deutlich darunter. Und teure Sachwerte dürften bei ihnen auch rar sein. Durch den Protest gegen die Studiengebühren bewegt sich etwas an der HfbK, wie Egge Masch* veranschaulicht: „Eine Fülle von Vorträgen, Seminaren und studentischen Arbeitsgruppen belegt ja auch augenfällig, das da ein tiefgreifender Prozess im Gange ist. Von Seminaren wie 'Studieren gegen die Tüchtigkeit', 'Das Absolute im absoluten Rauchverbot', Marx-Lektüren und Symposien über Virtualität und Kontrolle über die Gründung Freier Klassen bis hin zum Schüler- und Bildungsstreik gibt es da inzwischen eine große Fülle diskursiver und gleichzeitig aktiver Orte." Dabei geht es auch darum, welche Möglichkeiten es überhaupt gibt, Kunst zu machen, die etwas anderes sind als  Auf- tragsarbeiten für den Kunstmarkt, wie Monika Klass* meint:  „Für die Kunst ist außerdem klar geworden, das der Kunstmarkt eine Chimäre ist, das die Krise auch dieses Marktes, für den die letzte HfbK-Präsidentin Göhler und der jetzige HfbK-Präsident Köttering so kräftig geworben haben, an sein Ende gekommen ist, und künstlerische Praxen jetzt wieder einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich werden und was gewagt werden kann in der Infragestellung, d.h. eine Öffentlichkeit herstellen, in der Fragen überhaupt gestellt werden können.“

(Gaston Kirsche, gruppe bricolage)
Mehr Infos: www.hfbk.de

* Alle Namen von BoykotteurInnen sind selbst gewählt/geändert