Stolpersteine verlegt
Am 24. April wurden in Kiel und Kronshagen 26 weitere
Stolpersteine des Kölner Künstlers Gunter Demnig verlegt. Damit
gibt es mittlerweile 83 Punkte im Kieler Stadtgebiet, die an Opfer der
Naziherrschaft erinnern sollen. Initiiert wurde die Verlegung vom Kieler
ver.di „Arbeitskreis Stolpersteine“ Der Künstler Gunter Demnig erinnert
an die Opfer des Nazi-Regimes, indem er vor ihrem letzten selbstgewählten
Wohnort Gedenksteine aus Messing in den Boden einlässt, die die Namen
und die wichtigen Lebensdaten des Opfers enthalten. Gunter Demnigs Stolperstein-Projekt
startete 1997 in Köln. Zur Erinnerung an die Deportation der Roma
und Sinti im Jahr 1940 zog er eine Farbspur durch die Stadt, die den Weg
der Deportierten nachzeichnete. Als die Farbe verblasste, prägte er
die Schrift- züge an einigen Stellen des Stadtgebietes in Messing.
Inzwischen hat Demnig 18.000 Stolpersteine in fast 300 europäischen
Städten und Ortschaften verlegt. So soll laut Demnig „die Erinnerung
an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, der Zigeuner, der politisch
Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer
im National-
sozialismus lebendig“ gehalten werden. Eine Besonderheit
des Kieler Stolperstein-Projekts ist, dass Schülerinnen und Schüler
dem jeweiligen Lebens- und Leidensweg der Opfer nachspüren und diesen
während der Verlegung eines Steins vortragen. Dieses Mal haben sich
Geschichtskurse des Beruflichen Gymnasiums am Ravensberg, der Kieler Gelehrtenschule,
der Ricarda-Huch-Schule, der Max-Planck-
Schule sowie des Gymnasiums Kronshagen auf Spurensuche
begeben.
Dabei sind sie auch auf drei KPD-Genossen gestoßen die in Kiel lebten:
- Auf den Genossen Wilhelm Wilke, er lebte im Werftarbeiterstadtteil Kiel-Gaarden in der Kaiserstraße 92. Wilhelm wurde 1897 geboren und am 30. Januar 1940 im Konzentrationslager Sachsenhausen in Oranienburg bei Berlin ermordet.
- Auf den Genossen Paul Schul, der zuletzt in der Dorotheenstraße 4 im Stadtteil Hassee wohnte, 1885 geboren wurde und am 12. Mai 1942 in der sog. „Heilanstalt Bernburg/Saale in Sachsen-Anhalt“ ermordet wurde. Zuvor war er in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Flossenbürg inhaftiert.
- Auf den Genossen Christian Heuck, der zuletzt in der Innenstadt in Wall 72 a (heute Landesfunkhaus des NDR) wohnte. Christian wurde 1892 geboren und am 23. Februar 1934 im Neumünsteraner Gefängnis erschlagen.
Stellvertretend für alle drei Kieler Genossen möchten wir über das Leben des Genossen Christian Heuck berichten: Christian wurde 1892 in Heuwisch, in Dithmarschen, in Schleswig-Holstein, geboren und besuchte die Volksschule in der Nachbargemeinde Wesselburen. Er war Soldat im Ersten Weltkrieg und betrieb zwischen 1918 und 1920 einen Pferdehandel in Wesselburen und bis 1922 einen Gemüse- versandhandel. 1919 wurde er Stadtverordneter in Wesselburen und gleich nach der Novemberrevolution wurde Christian in den Arbeiterrat Wesselburen gewählt und dort zweiter Vorsitzender. Wenig später gründete er mit anderen Genossen die SPD-Ortsgruppe Wesselburen, wechselte aber wenig später zur KPD. Christian wurde von der bürgerlichen Justiz verfolgt und deswegen von der KPD-Leitung nach Mecklenburg geschickt, wo er unter falschem Namen die Landarbeiterbewegung leiten sollte. Zu Beginn des Jahres 1924 hielt er sich in Cottbus und Breslau auf, kam jedoch wiederholt unerkannt nach Wesselburen zurück, wo seine Frau weiterhin lebte. 1926 wurde er zu fünf Jahren Zuchthaus und einer Geldstrafe von 500 Reichsmark verurteilt. Nach seiner Amnestierung 1928 begab er sich wieder nach Wesselburen und leitete die Agit-Prop-Abteilung der KPD in Dithmarschen. Nach kurzer Zeit wurde er Unterbezirksleiter der KPD und arbeitete von Heide und Itzehoe aus. Christian leistete gute Arbeit, durch ihn wurde die KPD in Ditmarschen aufgebaut und vergrößert.
Aber auch der Rotfrontkämpferbund in Schleswig-Holstein,
den er ebenfalls leitete, schätzte ihn als aufrichtigen und unbeugsamen
Genossen. Bei der Reichstagswahl 1930 erzielte die KPD in Norder-
dithmarschen 10,2 Prozent und lag damit an der Spitze
der ländlichen Kreise in Schleswig-Holstein. 1929 kam Christian
wegen der Beteiligung an der von den Nazis so genannten „Blutnacht von
Wöhrden“ (7. März 1929) sechs Monate in Untersuchungshaft und
wurde als Hauptangeklagter zu einem Jahr und neun Monaten Gefängnis
verurteilt. Dennoch war er von 1922 bis 1933 Mitglied des Provinziallandtages
von Schleswig-Holstein und von September 1930 bis zum 31. März
1933 auch Mitglied des Reichstages (Weimarer Republik). Ab Januar 1932
arbeitete Christian als Sekretär im KPD- Unterbezirk Kiel. Am
4. Februar 1933 wurde er von den Nationalsozialisten verhaftet und inhaftiert,
nachdem er in einem Flugblatt zum Sturz Hitlers aufgerufen hatte. Am 27.
Juni 1933 wurde er vom Reichsgericht Leipzig wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“
zu 9 Monaten Gefängnis verurteilt. Am 23. Februar 1934 drangen SS-Leute
unter Führung des SS-Schergen Hinrich Möller in Christians Zelle
im Strafgefängnis Neumünster ein, misshandelten ihn schwer und
ermordeten ihn. Eine fingierte Erhängung bescheinigte der Anstaltsarzt
als Selbsttötung. Anlässlich der Einäscherung des Leichnams
von Christian hatten sich vor dem Krematorium ca. 200 Genossen und Freunde
eingefunden, die damit gegen den Mord protestierten. In Kiel wird Christian
mit einem Ehrengrab auf dem Friedhof Eichhof gewürdigt. Eine Gedenktafel
im Reichstag erinnert im Rahmen der Gedenkstätte für 96 vom NS-Regime
ermordete Reichstagsabgeordnete ebenfalls an Christian.