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Klimaverhandlungen:
Mehr Druck nötig

Im Dezember findet in Kopenhagen die diesjährige UN-Klimakonferenz statt. Auf dem Programm steht die Unterzeichnung eines neues Klimaschutzabkommens, denn das alte, das Kyoto-Protokoll, läuft bereits Ende 2012 aus. Derzeit laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Anfang Juni wurde zwei Wochen lang in Bonn am Sitz der UN-Klimarahmenkonvention am Vertragstext gefeilt, doch die Ergebnisse waren enttäuschend. Drei weitere Vorverhandlungsrunden sind bereits angesetzt.

Die meisten Länder wollen eine Fortschreibung des Kyoto-Protokoll, was die Sache vereinfachen würde. De USA, die als einer der wenigen Staaten das Protokoll nicht ratifiziert haben, wollen einen gänzlich neuen Verhandlungstext. Hauptstreitpunkte sind ansonsten zum einen die Finanzierung von Anpassungsmaß-
nahmen, wo einem Bedarf von einigen Dutzend Milliarden Euro jährlich bisher Zusagen der Industriestaaten von einigen wenigen hundert Millionen Euro über mehrere Jahre verteilt gegenüber stehen.

Zum anderen geht es um den Umfang der Verminderung der Treibhausgasemissionen. Die Wissenschaftler des UN-Klimarates IPCC, sagen, dass die Industriestaaten ihre Emissionen bis 2020 um 25 bis 40 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 reduzieren müssen, damit wir noch eine Chance haben, die Erwärmung auf zwei Grad Celsius zu beschränken. Dieser Schwellenwert wird von vielen Staaten als das gerade noch vertretbare Maß angesehen. Die kleinen Inselstaaten fordern jedoch, 1,5 Grad Celsius als Höchstmaß anzustreben, denn einigen Staaten droht schon bei zwei Grad der Untergang.

Die Industriestaaten sind jedoch noch meilenweit von den Forderungen des IPCC entfernt. Die EU bietet eine Reduktion um 20 Prozent an, wovon acht Prozent schon nach den Verpflichtungen aus dem Kyoto-
Protokoll bis 2012 erreicht sein müssen. Japan will nur um acht Prozent reduzieren, gerade zwei Prozent-
punkte mehr, als sein Kyoto-Ziel bis 2012. Am meisten bremst nach wie vor die USA: Die vollmundigen Versprechen des neuen Präsidenten laufen nur darauf hinaus, den Treibhausgasausstoß bis 2020 wieder auf das Niveau von 1990 zurückzuführen. Das derzeit im US-Kongress verhandelte Gesetz geht etwas weiter und bedeutet eine Minderung von vier Prozent gegenüber 1990.

Wir sprachen mit Meena Raman, der Ehrenvorsitzenden der Freunde der Erde Malaysia, einer Schwester-
organisation des deutschen BUND, über die Verhandlungen und die Positionen der Entwicklungsländer. Raman ist außerdem Mitglied des Third World Network aus Penang, Malaysia.

(wop)

LinX: Sie haben Anfang Juni die Klimaverhandlungen in Bonn beobachtet. Was ist Ihr Eindruck?

Meena Raman (M.R.): Wir sind sehr enttäuscht. Einer der wichtigsten diskutierten Punkte war, in welchem Umfang die Industriestaaten ihre Treibhausgasemissionen vermindern sollen. Aber die meisten zögern, ausreichende Vorschläge zu machen, und warten lieber, dass die USA sich bewegt. Doch die weigern sich weiter, den bestehenden Klimaschutzvertrag, das Kyoto-Protokoll zu ratifizieren. Die Vorschläge von US-Präsident Barack Obama laufen lediglich auf eine Rücknahme der Treibhausgasemissionen seines Landes auf das Niveau von 1990 bis 2020 hinaus. Ehrlich gesagt, sind wir empört über diese Angebote.

LinX: Welche Reduktionsziele müssten für die Industriestaaten Ihrer Meinung nach in den Vertrag geschrieben werden?

M.R.: Es gibt zum Beispiel den Vorschlag eine Gruppe von 37 Entwicklungsländern, die mindestens 40 Prozent bis 2020 fordern. Die Gruppe der kleinen Inselstaaten fordert sogar 45 Prozent bis 2020. Bolivien und Ecuador argumentieren hingegen, dass selbst die 45 Prozent zu wenig sind. Sie verweisen darauf, dass die Industriestaaten seit 1850 bereits mindestens drei mal so viele Treibhausgase ausgestoßen haben*, wie es sich die Entwicklungsländer je leisten können, wenn das Klima noch gerettet werden soll. Sie sprechen daher davon, und das ist auch unsere Position, dass die reichen Staaten Klimaschulden bei den Ent-
wicklungsländern haben. Nur wenn diese beglichen werden, haben die ärmeren Länder eine Chance ihre Wirtschaft nachhaltig zu entwickeln, ohne dass das globale Klima dabei geschädigt wird. Die Industrie-
staaten müssen aus ihrer historischen Verantwortung heraus für den Transfer „sauberer“ Technologie sorgen, und sie müssen für die  Anpassungsmaßnahmen in den armen Ländern bezahlen.

LinX: Davon sind die Verhandlungen allerdings noch weit entfernt.

M.R.: In der Tat. Die EU und die USA sagen, sie würden vorangehen, aber das stimmt nicht. Wir sind ziemlich empört über ihre Verhandlungsführung.

LinX: In den USA und in Westeuropa heißt es oft, auch China und Indien müssten einen Beitrag leisten.

M.R.: Wenn man sich die Ankündigungen Chinas und Indiens anschaut, dann wird dort in Sachen erneuerbarer Energieträger sehr viel getan, mehr als in Ländern wie zum Beispiel Großbritannien. Der Ausbau der Windenergie und der Photovoltaik, der Stromgewinnung mit Hilfe der Sonne, schreitet sehr schnell voran. Die Entwicklungsländer übernehmen keine konkreten Reduktionsverpflichtungen, sind jedoch bereit, ihren Beitrag zum Umbau der Energiewirtschaft weg von Kohle und Öl zu leisten. Dafür brauchen sie finanzielle Hilfen und Technologietransfer, wie es schon in der Klimarahmenkonvention von 1992 vorgesehen ist. Aber auf dem UN-Klimagipfel in Bali vor eineinhalb Jahren musste festgestellt werden, dass diese Bestimmungen der Konvention noch immer nicht umgesetzt sind. Es gibt weder eine reale Finanzhilfe noch einen nennenswerte Technologietransfer. Wenn wir uns dabei vergegenwärtigen, dass der bisherige Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen und damit die bereits vom Klimawandel verursachten Schäden allein auf das Konto der reichen Länder geht, dann wird die Position Indiens und Chinas klar. Sie sagen, dass sie ihre Verantwortung schon übernehmen werden, aber dass der Norden vor seiner davon läuft und statt dessen versucht, ihnen die Schuld in die Schuhe zu schieben.

LinX: Gibt es noch Hoffnung, dass im Dezember doch ein wirksamer Klimaschutzvertrag unterschrieben wird.

M.R.: Wir haben mit weit über 200 Organisationen aus aller Welt eine Netzwerk der Klimagerechtigkeit aufgebaut, das die Rückzahlung der Klimaschulden fordert. Von unsere Regierungen in den Entwicklungs-
ländern verlangen wir, dass sie sich für einen gerechten Vertrag einsetzen. In den Industriestaaten muss mehr Druck auf die Regierungen ausgeübt werden, dass sie gemachte Versprechen auch einhalten, dass sie das Kyoto-Protokoll nicht aufgeben, wie von den USA gefordert, und dass sie ihre Verantwortung anerkennen.

LinX: In Deutschland und Dänemark wird von einem Teil der Aktivisten überlegt, den Klima-Gipfel in Kopenhagen zu blockieren.

M.R.: Ich glaube, dass ist nicht nötig, denn der Klimagipfel ist etwas anderes als eine Konferenz der Welthandelsorganisiation WTO, die sehr intransparent und unfair organisiert ist. Der UN-Prozess und damit die Klimarahmenkonvention funktioniert anders. Jedes Land hat eine Stimme, und es liegen inzwischen sehr gute Vorschläge der Entwicklungsländer auf dem Verhandlungstisch. Vorschläge, die zum Beispiel sicher stellen könnten, dass die Gelder für die Anpassungsmaßnahmen wirklich bei den Armen ankommen, die am meisten unter dem Klimawandel zu leiden haben. Eine Blockade würden diesen Menschen und den Entwicklungsländern nicht helfen, sondern nur denen, die sich vor ihrer Verantwortung drücken wollen. Wer solidarisch mit den Ländern des Südens ist, sollte Werbung für ihre Verhandlungsvorschläge machen und Druck auf die Regierungen der reichen Länder ausüben. Natürlich: Wenn die Industriestaaten sich durchsetzen sollten und wir einen ungerechten Vertrag bekommen, dann werden wir das Ergebnis verurteilen. Aber so weit sind wir noch nicht.

* Anmerkung: Etwa die Hälfte dieser Gase hat sich in der Atmosphäre angereichert und verändert bereits das globale Klima.