Nach endlosem Theater ist im Landeshaus die große Koalition zerbrochen. Am Donnerstag letzter Woche, dem 23. Juli, hat Ministerpräsident Peter Harry Carstensen im Landtag die Vertrauensfrage gestellt. Da ihm nur ein CDU-Abgeordneter das Vertrauen aussprach, alle anderen sich – wie er selbst – enthielten oder gegen ihn stimmten, stehen nun Landtagswahlen an. Eine – wie es schien – unendliche Geschichte des letzten Landtags ist dem vorausgegangen.
Im Februar 2005 stellte sich Heide Simonis nach erfolgter
Landtagswahl erneut zur Wahl als SPD-
Ministerpräsidentin. In vier Wahlgängen schaffte
sie es nicht die notwendige Mehrheit im Parlament zu erhalten. Nach zähen
Verhandlungen zwischen CDU und SPD wurde auf dünnem Eis die
Große Koalition im Schleswig-Holsteinischen Parlament gebaut. Im
April 2005 wird Peter Harry Carstensen zum Minister-
präsidenten gewählt, Ralf Stegner, lange als
„Kronprinz“ von Heide Simonis gehandelt, wurde Innen-
minister, später auch SPD-Landesvorsitzender.
Dass die Ehe zwischen CDU und SPD nicht gut gehen konnte,
zeichnete sich früh ab. Das liegt nicht etwa in der Politik der Sozialdemokratie
in Schleswig-Holstein begründet, die ihr Abstimmungsverhalten für
Regierungsbeschlüsse in der Öffentlichkeit allzu oft und gern
als „unter Koalitionszwang gefasst“ darzu-
stellen und so nach außen ihre Weste reinzuwaschen
versuchte. So kamen mit den Stimmen der SPD dann unter anderem das neue
schleswig-holsteinische Polizeigesetz, die Regionalschule oder ganz aktuell
das Sparprogramm des Landes mit der Streichung von Tausenden Stellen, u.a.
im Bildungsbereich. Es liegt auch an Stegner und Carstensen, zwei völlig
von sich überzeugten Machtpolitikern, die keine Kompromisse
eingehen wollen. Und wenn sie es doch tun, dann versuchen sie trotz allem
daran vorbei ihre eigenen Ziele zu verfolgen.
So war es nicht erstaunlich, dass schon im Mai 2007 ernsthaft
über den Bruch dieser Regierung geredet wurde. Als Grund wurde genannt,
dass Stegner entgegen dem gemeinsamen Beschluss zu Gehaltskürzungen
für Landesbeamte, versuchte einen Weg zu finden diese Kürzungen
in ihrer Höhe geringer ausfallen zu lassen. Als Folge trat Stegner
von seinem Amt als Innenminister zurück und tauschte im Januar 2008
mit dem damaligen Fraktionsvorsitzenden Lothar Hay die Posten. Doch die
Debatte um Neuwahlen nahm seit Anfang des Jahres 2009 wieder einen breiten
Raum ein. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde deutlich: die CDU wollte
bereits zu den Bundestagswahlen im September auch einen neuen Landtag wählen
lassen. Sie wähnen sich mit ihrer Bundespartei im Aufwind und möchten
gern von diesem Schwung einige Wähler-
Innenstimmen zusätzlich erhalten. Die SPD hingegen
scheint sich sicher zu sein, bei vorzeitigen Wahlen auch in Schleswig-Holstein
nur verlieren zu können. Ein Grund, der bei der SPD aus Wahlkalkül
gegen vorgezogene Landtagswahlen spricht.
Im April 2009 wurde der 9. Mai 2010 als Landtagswahltermin bekannt gegeben. Eigentlich sollte nun Ruhe einziehen und der Bundestagswahlkampf gestartet werden. Doch hinter den Kulissen ging das Tauziehen um die Macht weiter. Im Juni 2009 wird gemeinsam von CDU und SPD ein Sparprogramm unter anderem mit großen Einschnitten für das Landespersonal beschlossenen. Dann verkündet MP Carstensen Anfang Juli, dass für den Vorstandschef der HSH-Nordbank 2,9 Mill. Euro als Sonderzahlung vorgesehen sind. Dies ist besonders pikant, da diese Bank nur durch eine gemeinsame „Rettungsaktion“ vom Hamburger Senat und der Schleswig- Holsteinischen Landesregierung, sprich: finanzielle Hilfen aus Steuergeldern, überhaupt noch besteht.
Diese Ankündigung erfolgt in einer Zeit, in der in
den letzten Wochen und Monaten auch in Schleswig-
Holstein Kämpfe um den Erhalt von Betrieben stattfinden,
Streiks um die gerechte Bezahlung und Tarifvereinbarungen zum Beispiel
der Kita-Beschäftigten, SchülerInnen für eine bessere
Bildung streiken und demonstrieren. Die SPD versucht fleißig in diesem
Wasser im Lande nach WählerInnen zu fischen, sich als Rettungsanker
darzustellen. Bei jeder Kürzung und allen Beschlüssen,
die auf dem Rücken der Menschen ausgetragen werden, war die SPD bisher
dabei. Mit Blick auf die Bundestagswahl erkennt die SPD dass sich ihre
WählerInnenstimmen nur halten lassen, wenn sie sich öffentlich
gegen die Sonder-
zahlung ausspricht. Doch nach einem Schreiben des Ministerpräsidenten
an den CDU-Landtags-
präsidenten sollen die Fraktionen von SPD und CDU
zu dieser Zahlung ihr „Einverständnis“ gegeben haben. Nachdem die
Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD dies verneinten musste MP Peter Harry
Carstensen einräumen: „Das ist eine Formulierung, über die ich
vielleicht ein bisschen flott hinweggegangen bin.“ Andere sprechen hier
eine deutlichere Sprache und reden von einer Lüge des Ministerpräsidenten,
um dem HSH-Vorsitzenden zu einer Sonderzahlung zu verhelfen.
Auslöser war dieser Vorgang allemal für den
endgültigen Bruch der Koalition. Carstensen hat sein Ziel einer vorzeitigen
Landtagswahl damit erreicht. Die vier SPD-Minister wurden entlassen, die
SPD-Staatssekretäre in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Für
sich selbst spricht, das die ehemalige Ministerin Ute Erdsiek-
Rave ihre Entlassung als „würdelos und respektlos“
empfindet: sie selbst hat gerade erst für den Stellenab-
bau der Beschäftigten im Land gestimmt, junge Lehrkräfte
erhalten keine festen Stellen sondern nur noch Zeitverträge,
sie hat mit ihrer Partei die Hartz-Gesetze beschlossen und umgesetzt. Die
Liste ließe sich fortsetzen.
Ob und wie dieses Schauspiel nach den Wahlen am 27.9. seine Fortsetzung findet, darauf dürfen die WählerInnen in Schleswig-Holstein gespannt sein. Schließlich sind sie es (mit denen, die auch aufgrund solcher Machtspiele keinen Sinn mehr in der Abgabe ihrer Stimm- zettel sehen), die die Zeche zu zahlen haben. Denn dies sei festgehalten: den beteiligten Parteien geht es nicht um den Erhalt und Ausbau neuer qualifizierter Arbeitsplätze, Berufsausbildung und Bildung oder einer besseren Gesundheitsvorsorge im Flächenland Schleswig- Holstein. Ob Krise, Werftensterben, Atom- oder Kohlekraftwerke, Bildungsabbau oder auch die 2,9 Mill. für den HSH-Chef Dirk Jens Nonnenmacher spielen nach den Wünschen der schleswig-holsteinischen Landtagsparteien seit dem 20.7. zunächst keine Rolle mehr. Ihnen geht es allein um den Erhalt ihrer Macht. Gerade wurde die Koalition beendet, vor der Abstimmung zur Vertrauensfrage haben alle RednerInnen kein gutes Haar an den anderen Parteien gelassen. Und doch werden jetzt schon offen über nächste, ähnliche und identische, Koalitionen geredet. Den Menschen im Land steht das Wasser bis zum Hals und sie sind es, die die Folgen dieser Politik ausbaden müssen. Der Weg sich dagegen zu wehren ist es, Forderungen für eine Politik im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung laut und deutlich zu machen. Der einzige Weg liegt darin gemeinsame Bewegung für eine andere Politik zu entwickeln.