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HSH Nordbank hat noch ein paar Leichen im Keller:

Die Zeitbombe tickt

Der Tropfen, der in Kiel Mitte Juli im seit langem schwelenden Ehekrach zwischen SPD und CDU das Fass zum überlaufen brachte, war ein Brief des CDU-Ministerpräsidenten an den Chef des Landtags. In diesem hatte Peter Harry Carstensen seinem Parteifreund Martin Kayenburg mitgeteilt, dass eine Sonderzahlung an den Chef der HSH-Nordbank mit dem Einverständnis der die Regierung tragenden Fraktionen erfolgt sei. Das wollte Carstensens Gegenspieleler und Koalitionspartner Ralf Stegner (SPD) nicht auf sich sitzen lassen. Inzwischen musste Carstensen zugeben, dass er die Unwahrheit geschrieben hatte.

Dass Stegner empfindlich reagierte, ist nicht weiter verwunderlich, und es lässt sich durchaus spekulieren, ob der CDU-Regierungschef bewusst die Unwahrheit schrieb, um die Koalition zum Platzen zu bringen. Schließlich kann er sich durch den frühen Wahltermin ein besseres Ergebnis erhoffen. Vielleicht. Ganz nebenbei lenkt die Aufregung um die Neuwahlen auch von dem eigentlichen Skandal ab, von dem kaum noch gesprochen wird: Der Vorstandsvorsitzende Dirk Jens Nonnenmacher hatte eine Bonuszahlung in Höhe von 2,9 Millionen Euro zugesprochen bekommen, nach dem die Bank im letzten Jahr einen Verlust von 2,8 Milliarden Euro gemacht hatte, für den die Steuerzahler in Hamburg und Schleswig-Holstein aufkommen.

Wie es zu dem ganzen Schlamassel gekommen ist, sollte eigentlich ein Parlamentarischer Untersuchungs-
auschuss aufklären, der nun zu den Kollateralschäden des Koaltionskriegs gehört. Auch daran mag Carstensen gedacht haben, als er Stegner provozierte. Aber auch ohne Untersuchungsausschuss liegt ein Teil der Probleme auf dem Tisch. Vor allem lässt sich feststellen, dass die Krise der HSH-Bank alles andere als ausgestanden ist, da sie in ihren Büchern noch manche milliardenschwere Bombe schlummern hat.

Aber der Reihe nach: Die HSH-Nordbank ist 2003 aus dem Zusammenschluss der Landesbanken Schleswig-Holsteins und Hamburgs entstanden. Der Stadtstaat hält 30,41 Prozent der Anteile, sein nördlicher Nachbar 29,1 Prozent, der Sparkassen- und Giroverband für Schleswig- Holstein 13,2 Prozent, die schleswig-holsteinische Sparkassen-Vermögensverwaltungs- und Beteiligungs GmbH & Co. KG 1,62 Prozent und eine vom US- Investmentbanker J.C. Flowers vertretene Investorengruppen 25,67 Prozent. Die von Hamburg und Schleswig-Holstein im Februar zugeschossenen drei Milliarden Euro werden als Kapitalerhöhung gerechnet, womit sich die Anteile etwas zugunsten der Bundesländer verschoben haben. Vertreter der beiden Landesregierungen sitzen im Aufsichtsrat der Bank und hatten gegen deren riskante Geschäfte keine Einwände.

Und die haben es offensichtlich in sich: Die HSH-Nordbank hatte im großen Stil auf dem US-Immobilien-
markt mitgemischt. Noch im Spätsommer 2007, nach dem die Immobilienblase bereits geplatzt war, hatte sie einen Kredit in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro für ein Luxus-Wohnprojekt im New Yorker Stadtteil Manhattan vergeben, der zwischenzeitlich geplatzt ist. Die Schuldner können nicht mehr zahlen und sind nicht die einzigen: 2,8 Milliarden Euro musste die Bank im letzten Jahr abschreiben, nach dem sie im Früh- jahr 2008 von den beiden Bundesländern bereits einen Zuschuss von zwei Milliarden Euro bekommen hatte. Der jetzige Bankchef Nonnenmacher hat die Entwicklung als Finanzvorstand mitgemacht. Sein Vorgänger Hans Berger musste im November 2008 seinen Hut nehmen.

Immobilienkredite sind allerdings nur eines der Probleme der Bank und vermutlich sogar nur das kleinere. Die HSH-Nordbank gilt als weltweit wichtigster Finanzier von Containerschiffen. Rund 30 Milliarden Euro soll das Unternehmen an Krediten für den Schiffbau vergeben haben. Das Problem: Die Pötte werden nicht mehr gebraucht. Der Welthandel ist eingebrochen, die Frachtraten, die die Spediteure den Reedern für die Beförderung von Containern zahlen, decken oftmals nicht einmal mehr die Unkosten. Rund tausend der großen Frachter liegen rund um den Globus beschäftigungslos in den Häfen. Reihenweise werden Bestellungen bei den Werften trotz drohender Vertragsstrafen zurückgezogen.

Entsprechend dürfte auch mancher der von der Bank vergebenen Schiffbaukredite demnächst notleidend werden. Die Nordbanker werden dann auf eine Garantie von zehn Milliarden Euro zurückgreifen, die ihnen Hamburg und Schleswig-Holstein im Februar 2009 gegeben hatten. Gut möglich, dass das noch in diesem Jahr der Fall sein wird, aber dann hat Carstensen die Landtagswahlen ja bereits hinter sich, und ist  voraussichtlich eine Koalition mit der FDP eingegangen.

Übrigens: In Hamburg hatte Carstensens Kollege und Parteifreund Ole von Beust tatsächlich vor dem Beschluss über die Bonuszahlung an Nonnenmacher die beiden dortigen Regierungsparteien informiert. Offensichtlich gab es weder bei der CDU noch bei den Grünen Einwände.

(wop)