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Klimaverhandlungen:
Nur Scheinlösungen

Im Dezember soll in Kopenhagen ein neuer Klimaschutzvertrag unterschrieben werden, doch die Gastgeber denken vor allem ans Wohl der Wirtschaft. LinX sprach mit Kenneth Haar, der in der dänischen Hauptstadt für das Corporate Europe Observatory arbeitet, eine kleine Organisation, die sich der Beobachtung der Aktivitäten der großen Konzerne in Europa verschrieben hat.
 

(wop)

LinX: Die dänische Regierung hatte Im Juli zu einer Wirtschafts-Klimakonferenz nach Kopenhagen geladen. Schalten die Multis auf Klimaschutz um?

Kenneth Haar (K.H.): Nein. Natürlich gab es viel Klimaschutzrhetorik. Aber wenn man sich die Ergebnisses der Konferenz anschaut, dann ging es vor allem darum, Werbung für eine Reihe von sehr fragwürdigen Maßnahmen zu machen. Zum Beispiel legen die Wirtschaftsbosse großes Gewicht auf den Handel mit Verschmutzungsrechten, so genannten Emissions-Zertifikaten. Dabei ist die einzige internationale Erfahrung, die wir bisher mit dem Emissionshandel haben, nämlich der in der EU praktizierte, ein spektakulärer Fehlschlag. Er hat nichts zur Verringerung der Treibhausgasemissionen beigetragen, dennoch wird er von den Konzernen als der Königsweg des Klimaschutzes angepriesen. In gewisser Weise ist das logisch, denn für sie können sich auf diesem Wege von ihrer Verantwortung freikaufen. Ansonsten hatte der Gipfel vor allem drei vermeintliche Lösungen zu bieten. Die umstrittene CCS-Technologie, das heißt, das Abscheiden und Einlagern von CO2, Agrartreibstoffe und Atomkraft, also drei höchst kontroverse Ansätze, deren Nutzen für das Klima mehr als zweifelhaft ist.

LinX: Gab es Proteste?

K.H.: Ja. Zu Beginn der Konferenz haben zum Beispiel ein paar hundert Aktivisten versucht, in das Tagungsgebäude zu gelangen, was natürlich nicht klappte. Die Manager hatten sich hinter Polizeiab-
sperrungen verschanzt. Ansonsten haben versucht, uns in die öffentliche Debatte einzumischen.

LinX: In Dänemark, einst Vorreiter in Sachen klimaschonender Windenergie, ist in den letzten Jahren kaum eine neue Windkraftanlage errichtet worden. Was ist passiert?

K.H.: Seit 2001 haben wir rechtsliberale Regierungen, die die Regeln komplett geändert haben. Es gibt keine Unterstützung mehr, weshalb es seit acht Jahren Stillstand gibt. Insofern ist es schon ein wenig seltsam, dass unsere Energieministerin Connie Hedegaard auf der Konferenz Dänemark als gutes Beispiel für den Erfolg der Windenergienutzung anpreist, aber gleichzeitig Mitglied einer Regierung ist, die die Entwicklung gestoppt hat. Erst vor kurzem wurde hier in Dänemark die größte Fabrik des Windanlagenherstellers Vestas, der weltweit führend in der Branche ist, geschlossen. 1200 Arbeiter verloren ihren Job, während das Unter-
nehmen anderswo neue Fabriken errichtet. Obwohl der Weltmarkt stark expandiert, kann Vestas in Dänemark kaum noch Anlagen absetzen.

LinX: Dänemarks staatseigener Energiekonzern Dong will in Emden und bei Greifswald neue Kohlekraftwerke bauen, die große Mengen des Treibhausgases CO2 emittieren würden. Gibt es dagegen in Dänemark Widerstand?

K.H.: Widerstand ist vielleicht ein bisschen zu viel gesagt. Aber immerhin macht eine ganze Reihe dänischer Umweltgruppen seit längerem auf dieses Problem aufmerksam. Ich habe den Eindruck, dass das ganze zu einem Stolperstein für den Konzern werden könnte, der sich in der dänischen Öffentlichkeit gerne als ein besonders klimafreundliches Unternehmen darstellt.

LinX: Im Dezember wird in Kopenhagen die diesjährige UN-Klimakonferenz ein neues Abkommen aushandeln. Was planen Dänemarks Umweltschützer?

K.H.: Es wird eine große Demonstration am 12. Dezember geben, außerdem ist ein internationales Forum mit Teilnehmern aus aller Welt vorgesehen. Daneben machen zahlreiche Gruppen ihre Pläne für kleinere Aktionen.

LinX: In Deutschland wird von einigen vorgeschlagen, den Gipfel zu blockieren.

K.H.: In Dänemark gibt es eine ähnliche Diskussion. Nach meinem Eindruck sehen aber die meisten Leute, dass ein Klimagipfel etwas ganz anderes als zum Beispiel eine Versammlung der Welthandelsorganisation WTO ist, dass eine solche Konferenz mehr Legitimität besitzt. Andererseits fürchten viele, dass ein sehr schlechtes Abkommen herauskommt. Aus meiner Sicht wäre das schlimmer als gar kein Abkommen. Der Vertrag, der in Kopenhagen verabschiedet werden soll, wird die Periode 2012 bis 2022 abdecken. Wenn in dieser Zeit das Wachstum der globalen Emissionen nicht endlich angehalten und umgekehrt wird, dann wird es fast unmöglich sein, ein Katastrophen-Szenario zu vermeiden.

LinX: Es lässt sich schlecht Druck für ein besseres Abkommen machen, wenn man die Verhandlungen blockiert.

K.H.: Ich kann mir schlecht vorstellen, dass Aktionen, welcher Art auch immer, die Debatten auf dem Klimagipfel maßgeblich beeinflussen. Ich denke, die entscheidende Frage für die Gestaltung der Aktionen ist, wie wir mit unserer Botschaft am besten die Bevölkerung erreichen.

Termine:

Der offizielle Gipfel dauert vom 7. bis zum 18. Dezember. Ab dem 16. Dezember wird auf der Ministerebene verhandelt. Für den 12. Dezember hat das Weltsozialforum zu einem globalen Aktionstag aufgerufen. In Kopenhagen wird es an diesem Tag eine Großdemonstration für einschneidende Klimaschutzmaßnahmen geben. Anarchistische Gruppen planen einen antikapitalistischen Block. 13. Dezember: „Aktionen des zivilen Ungehorsam um die kapitalistische Produktion lahm zu legen.“ 16. Dezember: Aktionen für Klimagerechtigkeit.