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Kommentar:
Die Qual mit der Wahl

Eines scheint klar: Am nächsten Sonntag wird es knapp. Gegenwärtig zeigen die Meinungsumfragen einen kleinen Rückstand von CDU und FDP, aber unter Umständen reicht es dennoch für sie. Wegen der Schwindsucht der SPD wird diesmal die CDU vermutlich fast alle Direktmandaten holen, obwohl auch sie mit erheblichen Verlusten zu rechnen hat. Das wird voraussichtlich zu einer erheblichen Zahl an Über-
hangsmandaten führen, denn mehr als die Hälfte der regulären Landtagsmitglieder werden direkt gewählt. Zwar gibt es  Ausgleichsmandate, aber voraussichtlich nicht genügend, sodass die CDU vermutlich überrepräsentiert sein wird.

Man könnte als Linker also versucht sein, taktisch zu wählen. Das hieße, für die SPD-Kandidaten dort zu stimmen, wo sie eine Chance haben, sich gegen die CDU durchzusetzen. Doch wer kann sich schon überwinden, SPD zu wählen. Ausgerechnet die Stegner-SPD. Und außerdem: Das würde nur dann Sinn machen, wenn zumindest im Ansatz eine linkes Projekt existieren würde. Wie seinerzeit in Hessen. Wo der linke Parteiflügel ein passables Programm hingelegt hatte.

Doch in Schleswig-Holstein ist davon keine Spur. Weder bei der SPD, die nicht einmal garantieren kann, dass sie, wenn es gerade passt, doch wieder eine große Koalition eingehen wird. Auch die Grünen halten sich inzwischen eine Koalition mit den schwarzen Kohle- und Atomfans durchaus offen. In Hamburg haben wir letztes Jahr gesehen, dass diese Partei wirklich keine Prinzipien mehr hat: Erst gegen Kohlekraftwerke vollmundigen Wahlkampf machen, dann mit der Law-and-Order-CDU koalieren und Kohlekraftwerke genehmigen.

Schade nur, dass auch die Linkspartei keinerlei Anstalten macht, die Situation politisch zu nutzen. Zwar wird sie wohl ein ganz ansehnliches Ergebnis einfahren. Aber einen offensiven Umgang mit der eventuell möglichen Mehrheit links von Schwarz-Gelb sucht man bei ihr vergebens. Auf dem Landesparteitag im August beschäftigte man sich lieber mit kleinkarriertem Hickhack und verweigerte rundweg die Diskussion über eine etwaige Tolerierung. Ein knackiges Paket von Mindestforderungen könnte politisch durchaus einiges in Bewegung setzen, aber dafür reicht es offensichtlich nicht. Leider auch nicht bei den sozialen Bewegungen.

(wop)