Es gärt schon seit langem in der Partei Die Linke
in Schleswig-Holstein. Für einen größeren Teil der Mit-
glieder ist das Fass jetzt voll. Die vielen Austritte
kurz vor der Wahl sorgten auch in der linken Szene für Verwirrung.
Insgesamt gab es in den letzten Wochen wohl schon über 60 Austritte,
die genaue Anzahl ist nur der Landesgeschäftsstelle bekannt, die versucht,
die Zahl der Austritte herunter zu spielen. Aber warum eigentlich? Es kursieren
die merkwürdigsten Gerüchte, z. B. die Ausgetretenen seien gekränkt,
weil sie nicht auf den Listen aufgestellt worden sind. Auf diesen Listen
sind allerdings die meisten schon gar nicht mehr angetreten.
Der Landesvorstand hat die Zeichen ignoriert
Bereits im letzten Jahr gab es die ersten verhärteten
Fronten in der Linken. Der erste gewählte Landesvor-
stand nach der Gründung der Partei war bunt und
spiegelte die Zusammensetzung der Mitgliedschaft wieder. In der Satzung
der schleswig-holsteinischen Linken setzte sich ein basisdemokratisches
Modell mit einem Landesrat als höchstes Organ zwischen den Parteitagen
durch. Nicht wenigen der Partei ein Dorn im Auge. Nicht nur an dem Klaus
Ernst-Papier zu Hartz IV lässt sich seit geraumer Zeit eine Verwässerung
der Inhalte ablesen, aktuell die jüngsten Aussagen Bodo Ramelows zu
Afghanistan. Die Strömung der sich selbst ernannten „RealpolitikerInnen“
lässt sich am besten im bundesweit fest installierten Forum demo-
kratischer Sozialisten (FDS) zusammen fassen.
Zu der Kommunalwahl 2008 begann mit dem Streit um DKP-Mitglieder auf den Listen der Linken eine groß angelegte „Säuberungsaktion“ in der Partei. Unter aktiver Mitarbeit der Bundesebene wurde in den Kreisverbänden begonnen, alle, die als KommunistInnen vermutet wurden, systematisch auszugrenzen. Das Vorgehen wurde pressewirksam aufgebaut und von denen verteidigt, die jetzt gegen die Pressearbeit der KritikerInnen schimpfen.
Nach der Kommunalwahl wurde im Vorfeld des Superwahljahres
intensiv daran gearbeitet „kontrollierbare“ Mehrheiten zu schaffen. Für
Parteimitglieder, die gewohnt sind, ihre Meinung zu vertreten und mit Kritik
nicht hinter dem Berg zu halten, brachen schwere Zeiten in der Partei an.
Gegen sie wurden regelrechte Attacken gefahren, die sich teilweise bis
in den privaten und beruflichen Bereich erstreckten. Neumitglieder wurden
schnell für die innerparteiliche Spaltung nach dem Motto: „Wir und
die Bösen“ eingenordet. Die „Hexenjagd“ fand dann im Herbst letzten
Jahres einen weiteren Höhepunkt, indem alle von dieser als KommunistInnen
vermuteten Gruppe gestellten Anträge abgelehnt oder in nicht existierende
und niemals gegründete Kommissionen verschoben wurden, obwohl sich
der Inhalte dann zum Teil doch gerne bedient wurde. Einige Kreisvorstände
kündigten die Zusammenarbeit mit dem Landesvorstand auf. Der Landes-
sprecher zeigte sich auf dem Landesparteitag gesprächsbereit,
leider ohne Folgen. Die Landessprecherin, die sich beruflich als Mobbing-Beraterin
anbietet, hat ebenfalls noch nicht einmal versucht schlichtend und einigend
zu wirken, sondern den KritikerInnen öffentlichkeitswirksam die Tür
gewiesen („Wer hier nur stänkern will, der soll die Tür von außen
zu machen“).
Gegen die eigene Partei
Zum Herbst des letzten Jahres hat sich der Neumünsteraner Kreis (NK) gegründet, eine bunte Mischung aus Mitgliedern aller politischer Richtungen, vereint um mehr Mitbestimmungsrechte innerhalb der Partei zu erkämpfen und Wege zu erarbeiten, die zu einer inhaltlichen politischen Auseinandersetzung führen. Bestrebungen landespolitische Eckpunkte zu erarbeiten gab es schon seit 2 Jahren, der NK brachte zum Landesparteitag im Januar dieses Jahres ein landespolitisches 100-Punkte-Programm zur Abstimmung, das wie alle anderen landespolitischen Papiere zuvor barsch und unter fadenscheinigen Gründen abgelehnt wurde.
Die meiste Zeit nahmen auf den Treffen die Berichte über
die „Säuberungsaktionen“ in den Kreisen ein. Viele der ca. 100 Mitglieder
und SympathisantInnen des NK waren in Landesarbeitsgemeinschaften, Kreis-
vorständen, dem Landesrat oder sonstwie in Partei
und Bewegung aktiv. Der NK wurde im Landesverband intensivst gemoppt,
die erklärte Zugehörigkeit eine Garantie für kein Amt gewählt
zu werden und für nichts eine Mehrheit zu erreichen. Vor der Besetzung
der Listenplätze griff diese innerparteiliche Diskriminierung auch
auf die Antikapitalisten in der Partei über. Viele derer, die zuvor
noch Freund waren, hatten keine Chance mehr, ein Delegiertenmandat zu erreichen.
Inhaltliche Arbeit findet seit einem Jahr nur noch in den Parteigremien
statt, innerparteiliche KritikerInnen waren hauptsächlich damit beschäftigt,
sich gegen Verleumdungen und Satzungsbrüche zu wehren, – im Kampf
gegen die eigene Partei. Eintrittsgrund für die KritikerInnen waren
die Hoffnung auf eine pluralistische vereinigte Linke links neben der SPD,
gefunden wurden Diskriminierung, Separation und regelrechte Spaltungsattacken.
Die ausgetretenen Mitglieder sahen, trotz der Aufrufe
von Gysi und Lafontaine zum Pluralismus, ein Drittel der aktiven Mitgliedschaft
der Partei ausgeschlossen und diesen Zustand mit der Wahl der Listen-
kandidatInnen zementiert. Von den sieben gewählten
VertreterInnen waren sechs an der Ausgrenzungs-
kampagne nicht unerheblich beteiligt, fünf von ihnen
haben nach unserer Kenntnis aktiv Mehrheitsbe-
schaffung durch Diskriminierung und Satzungsbrüche
initiiert. Alle Ausgetretenen waren Mitglied geworden, um die Zustände
für die in der Gesellschaft Benachteiligten zu verändern, ihr
Engagement wurde parteilich erstickt. Wenn der parteiinterne Weg nichts
nutzt, um gehört zu werden und auch der öffentliche nicht, dann
ist es Zeit, nicht länger gegen Windmühlen zu kämpfen. (Wer
sich einen Einblick verschaffen will über die innerparteilichen Zwistigkeiten
und die üblichen Umgangsformen: www.linksblick.net )
Das Linksbündnis
Ausgetretene kommunale Mandatsträger haben sich in
dem neu gegründeten Verein „Linksbündnis e.V.“ zusammengeschlossen,
um weiterhin eine aktive Politik auf der Grundlage der Kommunalwahlprogramme,
frei von den Lasten der Partei Die Linke machen zu können. Weitere
ehemalige Mitglieder haben sich dem angeschlossen. Eine basisorientierte
und pluralistische Politik, die auf Selbstbestimmung und Mitbe-
stimmungsrecht fußt, soll der Ausgangspunkt für
eine unverwässerte linke Politik und die Zusammenarbeit mit der linken
Bewegung sein. Wir können gespannt sein, was sich hieraus entwickelt:
www.linksbuendnis.net
Rücktritt
Wie auch andere bin ich noch in der Partei verblieben. Da ich aber unter diesen Voraussetzungen keine Basis mehr für eine inhaltliche Arbeit in der Partei Die Linke sehe, trete ich heute aus dem SprecherInnenrat der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Hartz IV und als Sprecherin der LAG Umwelt zurück. Viele aktive GenossInnen, mit denen eine Zusammenarbeit möglich war, haben nun die Partei verlassen und eine unüberbrückbare Lücke geschaffen. Die politische Kompetenz in der Landespartei war von jeher schwach. In den drei Jahren Parteizugehörigkeit hat sich in Sachen Hartz IV verschwindend wenig getan, die meisten Treffen überstiegen 3-5 Personen nicht und wurden wie vieles andere auch von parteiinternen Machtkämpfen überschattet.
Das ökologische Engagement in der Partei lässt auch sehr zu wünschen übrig. Besonders kritisiere ich hierbei die Verwendung von Easyplates als resourcenverschwendenden und nicht wiederverwendbaren „Einmalmüll“ und das fehlende klare „Nein“ zur Kohlekraft von Lafontaine, das wohl vorrangig dazu diente, sich im Saarland Wählerstimmen zu sichern. Auch die Mitentwicklung bzw. Korrektur des Bundestags- und Europawahlprogramms musste mit viel zu wenig Zeit für eine Abstimmung an der Basis erst erstritten werden.