Nächste Seite
Die “Bürger-Thüga“
Warum Geld verbrennen?

“Energie in Bürgerhand“ aus Freiburg, Campact, die Klima-Allianz, die Elektrizitäts- Werke-Schönau/EWS, Wasser-in-Bürgerhand und andere werben für die Genossenschaft “Energie in Bürgerhand“ und für Beiträge, um sich am Thüga-Nachfolgekonzern zu beteiligen. Angestrebt wird ein 100 Mio. €-Fond.

Versprochen wird:

- „Schon mit 500 Euro werden Sie Miteigentümer von 90 Stadtwerken.

- Sie können mitbestimmen, ob diese mit Atomstrom oder grünem Strom versorgt werden.

- Sie können dafür sorgen, dass Millionenbeträge nicht länger in Konzernkassen
verschwinden, sondern zurück in die Taschen der Bürger/innen vor Ort fließen.

- Mitspracherechte bei der Thüga sichern.“

Aber leider stehen Tatsachen dagegen:

Die Thüga-Nachfolgegesellschaft wird eine AG sein. Aktiengesellschaften haben nicht die Aufgabe ökologisch oder sozial zu  wirtschaften, sondern müssen für die Aktionäre eine höchstmögliche Dividende einfahren. Wird durch eine ökologische Ausrichtung des Konzerns der Profit geschmälert, wird ökologisches Wirtschaften unterbunden. Jeder Aktionär kann das gerichtlich durchsetzen. In einer AG ist deshalb eine ökologischsoziale Energiepolitik in der Regel nicht möglich.

Beispiele:

1. Oberbürgermeister Ulrich Klose, als Vertreter der Stadt Hamburg in den Hamburgischen Electricitäts-
Werken / HEW, also der Ministerpräsident eines Bundeslandes, wollte das Atomkraftwerk Brokdorf verhindern. Hamburg hatte an der Verbundgesellschaft HEW einen Anteil von 70 %. Er konnte den Bau nicht verhindern und musste als OB zurücktreten. Was 70 % (verfassungsgebender) Anteil nicht vermag, sollen 3 % (100 Mio.€) schaffen?

2. Beim Widerstand gegen die Bahnprivatisierung war uns allen klar, dass ein privater Investor seine Profitinteressen durchsetzt, selbst wenn der Staat die Mehrheit der Aktien hält, geplant waren 51 %. Aus dem Bahnmemorandum von Dr. Hermann Scheer und Peter Friedrich.

Wieder ging es um die HEW: “Die Argumentation der Befürworter, dass der Bund mit 51 Prozent der Anteile das Sagen haben werde, sehen die Verfasser des Memorandums aufgrund der Erfahrungen mit den Hamburgischen Elektrizitätswerken (HEW) sehr kritisch. Exemplarisch sei der Druck, den private Aktionäre im Jahr 1990 gegen den Schleswig-Holsteinischen Energieminister, Günter Jansen ausgeübt haben. Jansen war in den Aufsichtsrat des Unternehmens berufen worden. Jansen war ein entschiedener Atomkraftgegner und vertrat diese Ansicht auch offensiv. 277 Kleinaktionäre, die nicht einmal ein Prozent des Aktienkapitals repräsentierten, klagten ihn aus dem Aufsichtsrat. Jansen vertrat vor Gericht die Ansicht, dass er mit seiner Einstellung gegen die Atomenergie die Gemeinwohlinteressen vertrete.

Das Landesgericht sah dies anders: „Insbesondere kann für die Entscheidung nicht von Bedeutung sein, dass die Gesellschaft ihrer Satzung gemäß (…) zur Berücksichtigung der öffentlichen Interessen verpflichtet ist“. Das Oberlandesgericht stellte darüber hinaus fest, dass „die Bewertung der Unternehmensinteressen nicht durch ein von Jansen in Anspruch genommenes öffentliches Interesse“ beeinflusst wird. Das Gericht weiter, „An das Unternehmensinteresse der HEW, auch was die Nutzung der Kernkraftenergie betreffe, sei er als Aufsichtsrat gebunden.“

Eine Kontrolle des Konzerns über ein von der Bürgergenossenschaft entsandter Aufsichtsrat ist eine Illusion. Auch dieser Genossenschaftsvertreter ist zur Geheimhaltung verpflichtet. Damit ist Transparenz nicht möglich. Die “Energie in Bürgerhand“ als Genossenschaft zu organisieren, ist eine Irreführung. GenossInnen gestalten selbstbestimmt und dienen nicht als reine Geldgeber. Die beteiligten Bürger können weder über die Energiepolitik der neuen Thüga, noch über die Millionenbeträge, die in den Konzernkassen verschwinden, bestimmen: lediglich über die Dividende der Genossenschaft.

Ein Vergleich mit EWS ist unreell, weil die Schönauer das Stromnetz zu 100 % und nicht in Anteilen erworben haben. Ebenso ist der Vergleich mit dem Hertenfonds falsch, weil die Stadtwerke Herten zu 100 % der Kommune und den Hertener Bürgern gehören. Transparenz, demokratische Kontrolle und eine ökologisch-soziale Energiepolitik wäre erst möglich, wenn die einzelnen Thüga-Kommunen ihre jeweiligen Stadtwerke komplett zurückkauften und die Betriebsführung in keiner AG oder GmbH stattfände. Anlagen vor Ort sind die Alternative. Sie sind dezentral, kommunal und genossenschaftlich und damit demokratisch kontrollierbar. Hier sein Geld zu investieren in effiziente Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen und erneuerbare Energien ist richtig. Das dort investierte Geld erhält den Wohlstand in der Region.

Was können die Kommunen bei RWE bestimmen? Wie unterscheidet sich RWE oder EnBW von der Bürger-Thüga? Bei RWE und EnBW herrschen trotz einem kommunalem Anteil von 15 bzw. 50,1% ausschließlich Profitinteressen. Die demokratische Kontrolle bleibt auf der Strecke. Daran würde auch ein Bürgervertreter im Aufsichtsrat nichts ändern. Erst über dezentral kontrollierbare Einrichtungen wird eine neue Energiepolitik in unserem Sinne gewährleistet. Nur dann setzt sich die demokratische, ökologische Bewegung gegen die Energieoligopole durch. Leider wird eine ökologisch-soziale Energiepolitik auch nicht über den Atomstrom- Verschiebebahnhof Öko- strom-Handel / Stromwechsel bewirkt, oder gar über ein militärisch zu bewachendes, 400 Milliarden € teures  Desertec-Oligopol- Projekt. Das einzig für die dezentrale Energieerzeugung bewährte politische Instrument, das EEG (Erneuerbare Energien-Gesetz) wird dann endgültig gestoppt, um Desertec zu ermöglichen.Setzen wir unser Geld ein für dezentrale Energieanlagen vor Ort. Gründen wir Genossenschaften! In Zeiten unsicherer Kapitalmärkte ist die Investition in eine Genossenschaft vor Ort die sicherste Anlageform. Eine “Bürger-Thüga“ wäre zu schön, um wahr zu sein! (Quelle: wib, Barbara Kern, Ulrich Jochimsen)

RANDBEMERKUNG:

E.on hat sich mit dem Konsortium Integra/KOM9 über die wirtschaftlichen Grundzüge eines Verkaufs der Thüga geeinigt.

Demnach sollen die Thüga-Beteiligungen an der Berliner Gasag (37 %), an der Darmstädter HSE AG (40 %), an den Stadtwerken Duisburg (20 %) sowie an den Stadtwerken Karlsruhe (10 %) an E.on Ruhrgas übertragen werden. Diese Beteiligungen sollen  un- mittelbar nach Abschluss der Transaktion separat verkauft werden. Für die so verkleinerte Thüga wurde ein Bar-Kaufpreis von rd. 2,9 Mrd. € vereinbart. Die Integra-Konsorten enercity aus Hannover, Mainova aus Frankfurt und N-Ergie aus Nürnberg werden je 20,75 % der Thüga-Anteile übernehmen. KOM9, ein Zusammenschluss von knapp 50 Stadtwerken, erwirbt 37,75 %.
 

aus: ZfK-Newsletter vom 12.08.2009