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Landtagswahl:
Der Untergang der SPD

Wirkliche Überraschungen hat die Landtagswahl nicht gebracht. Die SPD hat sich, wie auch im Bund, regelrecht zerlegt. Die Zersetzung des sozialdemokratischen Milieus, zum Teil vom Parteiapparat befördert, hat nun auch die SPD selbst im vollen Umfang erreicht. Landesweit verlor sie bei den Zweitstimmen rund 150.000 Wähler und kam statt auf 38,7 nur noch auf 25,4 Prozent. Die CDU konnte davon nicht wirklich profitieren, sondern verlor ebenfalls gut 70.000 Stimmen. Statt 40,2 schaffte sie nur noch 31,5 Prozent. Die FDP gewann hingegen fast im gleichen Umfang an Stimmen und Prozentanteilen hinzu. Unterm Strich hatte der bürgerliche Block, wenn man ihn denn so nennen will, einen marginalen Verlust von 0,3 Prozent-
punkten. Wie ein Rechtsruck in der Gesellschaft sieht das eigentlich nicht aus, zumal auch die Nazis erfreulich schlecht abschnitten. Die NPD verlor gegenüber 2005 46 Prozent ihrer Wähler und bekam nur noch 14.977 Stimmen, was einem Anteil von 0,9 Prozent entsprach. Die absoluten Verluste wiegen vor dem Hintergrund einer um rund 200.000 Stimmen höheren Wahlbeteiligung – vermutlich aufgrund der Zusammenlegungen mit der Bundestagswahl – besonders schwer.

Zugelegt haben hingegen der SSW (+0,7 Prozentpunkte auf 4,3 Prozent), der erstmals seit den 1950ern wieder mit einer Fraktion im Landtag vertreten sein wird, die Grünen, die ihren prozentualen Anteil glatt verdoppelten (jetzt 12,4 Prozent) und rund 110.000 Stimmen zusätzlich verbuchen konnten, sowie die Linkspartei, die mit sechs Prozent und rund 95.000 Stimmen erstmalig in den Landtag einzieht. Sie wird künftig im Landesparlament durch Antje Jansen aus Lübeck (Mitglied der dortigen Bürgerschaft, in der sie zuvor schon lange für die Grünen gesessen hatte), Heinz-Werner Jezewski (Flensburg, dort ebenfalls im Stadtrat), Ellen Streitbörger (Schwarzenbeck, in den 1980ern SPD-Kommunlapolitikerin), Uli Schippels (Kiel, langjähriger PDS-Landesgeschäftsführer) und Ranka Prante (Hohenfelde) vertreten. Eventuell könnte es auch noch ein sechstes Mandat geben, das dann an Björn Thoroe (Kiel, Mitglied im Landesvorstand) ginge.

Unklare Mehrheiten

Die Sitzverteilung und damit die Frage, ob CDU und FDP gemeinsam regieren können, ist nämlich noch umstritten. Nach der Auslegung des Landeswahlgesetzes durch die Landeswahlleiterin bekämen sie zusammen 49, die anderen 46 Sitze. (Im Einzelnen: CDU 34, SPD 25, FDP 15, Grüne 12, SSW 4, Linkspartei 5) Allerdings haben Union und Liberale zusammen nur 46,4 Prozent der Stimmen  be- kommen, während auf SPD, SSW, Grüne und Linkspartei insgesamt 48,1 Prozent der Stimmen entfielen.

Hintergrund ist einerseits die Tatsache, dass die CDU wegen der Implosion der SPD trotz erheblichen Stimmenverlusten 24 der 40 Direktmandate erobern konnte. Womit sie eine erhebliche Anzahl von Überhangmandaten hat, denn dem Landtag gehören regulär nur 69 Mitglieder an. Andererseits ist das Wahlgesetz im Bezug auf das Ausgleichen dieses Überhangs nicht eindeutig. Eine restriktive Auslegung führt zu der beschriebenen Verzerrung, eine großzügigere Lesart würde den Landtag weiter vergrößern und Schwarz-Gelb die Mehrheit kosten.

Das Endgültige Ergebnis wird Mitte Oktober im Landeswahlausschuss verkündet, in dem SPD, SSW, Grüne und Linkspartei die Mehr- heit haben. Der SSW hat signalisiert, dass er nicht gegen die restriktive Auslegung opponieren will, sofern es im Vorfeld eine klare politische Absprache über die Änderung des Wahlgesetzes gibt, damit künftig derartige Schieflagen vermieden werden. Die Grünen haben angekündigt, ggf. nicht als Partei klagen zu wollen, mögen aber zugleich nicht ausschließen, dass Einzelpersonen dieses vorhaben. Bei der Linkspartei will man sich mit der Sitzverteilung nicht ohne weiteres abfinden, sondern hält sich alle Optionen offen. Sie wären die ersten, die im Falle einer Vergrößerung des Landtags mit einem weiteren Sitz rechnen können.

Knatsch in der Linkspartei

Nach dem letzten Parteitag im August hatte es wie berichtet bei der Linkspartei in Neumünster und Ostholstein einige Austritte und erhebliche schlechte Stimmung gegeben. In Kiel haben inzwischen zwei Ratsmitglieder, Ingrid Zimmermann und Bernd Jenning, die Mitarbeit in der Ratsfraktion eingestellt. In einem Schreiben an die Fraktion, das der Redaktion vorliegt, begründen sie ihren Schritt damit, dass politische und sachliche Inhalte nicht im Vordergrund der Fraktionsarbeit stünden. Wie auch in vielen anderen Fällen sind wirkliche inhaltliche Differenzen selten auszumachen. Oft wird die Verletzung demokratischer Spielregeln beklagt, doch meist eher allgemein. In einer Austrittsbegründung wird beklagt, dass der Kieler Kreisvorsitzende im Wahlausschuss nicht gegen die Kandidatur der NPD gestimmt habe. Einige Medien haben im Zusammenhang mit den Streitigkeiten von "Massenaustritten" geschrieben. Die Linkspartei-Landesvorsitzende Cornelia Möhring meint dazu: „Es gibt keine Massenaustritte in unserem Landesverband. In dieser Woche [Ende September] sind genau acht Mitglieder ausgetreten, dem gegenüber stehen 57 Eintritte. Die Linke in Schleswig-Holstein hat ein rasantes Wachstum hinter sich. Wir haben die Zahl unserer Mitglieder seit 2007 mehr als verdoppelt, derzeit sind es mehr als 1.200. In diesem Wahlkampf sind knapp 150 Menschen zu uns gestoßen.“

Kieler Ergebnisse

In ihrer einstigen Hochburg auf dem Ostufer, die früher für 60 Prozent und mehr sozialdemokratischer Stimmen gut waren, kam die SPD nur noch auf 34 Prozent (2005 46,8). Auch die CDU verlor hier noch einmal und schaffte nur noch 20,8 Prozent (2005 27,7). Die Linkspartei kam auf 10,2 Prozent (2005 bekam die PDS hier zwei Prozent der Zweitstimmen). Die NPD schnitt mit 1,5 Prozent überdurch-
schnittlich ab, halbierte sich jedoch annähernd. In Kiel Nord und West waren die Einbrüche der SPD ähnlich groß. Dort liegt sie jetzt jeweils knapp unter 30 Prozent. Die Direktmandate konnte sie sich dort nur noch sichern, weil auch die CDU erheblich Federn lassen musste. Die Grünen erreichten in diesen beiden Wahlkreisen 18,8 und 18,5 Prozent, womit sie zu ihren landesweiten Hochburgen gehören dürften. Auch der SSW bekam in Kiel Nord mit 5,6 Prozent der Stimmen noch mehr als im Landesdurchschnitt. Die Linkspartei bekam in Nord 5,6 Prozent und in West 8,1 Prozent womit einmal mehr klar wäre, dass ihre Anhänger überwiegend in den sozialen Brennpunkten auf dem Ostufer wohnen.

(wop)