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Wählerwut

Seit einiger Zeit fühle ich mich krank. Nein, ich habe nicht die Schweinegrippe oder eine andere harmlose Krankheit, ich leide sehr unter Wutanfällen. Nachdem ich die letzte LinX noch einmal überflogen habe, ist mir klargeworden, ich bin mit der Wählerwut infiziert und Schuld ist die LINKE.

Bekanntlich hege ich gewisse Sympathien für die Partei, die zwar nicht für einen Beitritt, wohl aber für die Stimmabgabe bei Kommunal- Landtags- und Bundestagswahlen reichten. Einen bescheidenen Anteil daran, dass die LINKE nun auf allen drei Ebenen vertreten ist, kann ich deshalb für mich reklamieren. Natürlich habe ich nur die Außenansicht auf die Partei, aber dass intern heftig um Inhalte, Strategie und Taktik gestritten wird, setze ich voraus. Ich halte diese Auseinandersetzungen nicht nur für normal, sie ist für eine demokratische und linke Partei sogar zwingend erforderlich, sonst entwickelt sie sich nicht weiter und verkümmert zum Wahlverein.

Nun las ich in der LinX gleich an mehreren Stellen vom Knatsch in der LINKEN Schleswig-Holstein und Kiel. Da geht es um Mobbing, Ausgrenzungen, Säuberungen und die Nichtaufstellung bzw. Nichtwahl von KandidatInnen; es wird zurückgetreten und ausgetreten, es werden Fraktionen verlassen und neugegründet, es gibt einen neuen Verein ‚Linksbündnis’ und eine neue (?) Zeitung, den Linksblick. Es geht um Klüngel und Kungelrunden (Klüngel sind dabei immer die anderen, sonst sind es Netzwerke, und Kungelrunden sind immer die, zu denen man nicht eingeladen wurde, sonst sind es taktische Absprachen). Worum eigentlich gestritten wird, bleibt weitgehend unklar. Mal wird der Vorschlag von Klaus Ernst zu Hartz IV genannt, mal hat Bodo Ramelow sich zum Afghanistan-Abzug geäußert und das war’s dann. Auf den Webseiten von Linksbündnis und Linksblick gibt es dazu noch ein paar persönliche Angriffe, aber nichts grundsätzlich Neues.

Liebe rebellierende GenossInnen, sind das wirklich die Inhalte, um die Ihr bis zu den jetzt ergriffenen Maßnahmen streitet? Dann solltet Ihr professionelle Hilfe suchen, mit der Ihr ins wahre Leben zurückfindet. Ich habe zunächst geglaubt, Ihr seid vielleicht noch sehr jung und reagiert deshalb auf persönliche Ver-
letzungen in der politischen Auseinandersetzung besonders sensibel, aber dann sah ich das Foto Eures Vorstandes. Ihr seid ja alle alte KämpferInnen und solltet voll im Leben stehen. Von Euch aber kann und mag ich das Gejammer über Mobbing usw. nicht mehr hören. Von linken PolitikerInnen wird Beharrlichkeit und Leidensfähigkeit erwartet. Das bürgerliche Lager wird Euch um ein vielfaches härter attackieren.

Wie auch immer Eure weitere Arbeit aussieht, bedenkt dabei, das viele – wenn nicht alle – WählerInnen die Partei DIE LINKE gewählt haben, nicht Euch persönlich. Was das für Eure Mandate bedeutet, muss ich Euch nicht sagen.

Lasst meine Wählerwut nicht chronisch werden.

Charly