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Kommentar:
Wurschtelpolitik

Lavieren, Tricksen und Täuschen scheinen die wichtigsten Strategien der neuen schwarz-gelben Regierung in Berlin. Immerhin kann sie sich anders, als ihr Kieler Gegenstück sicher sein, nicht demnächst durch richterlichen Beschluss aus dem Amt gekickt zu werden. An der Förde hat es ja bekanntlich nicht einmal für eine Mehrheit der Wählerstimmen gereicht. Was allerdings die hiesigen Schwarzliberalen nicht davon abhält, ihre erschlichene Macht zum Zurückdrehen der Zeit im Bildungssystem zu nutzen. Den Bürgerlichen ist halt kaum etwas mehr zu wider, als eine halbwegs gleichberechtigte Erziehung der Kinder.

In Berlin wird die künftige Regierung jedenfalls etwas fester im Sattel sitzen, doch trotzdem verfolgt sie ihre durchaus reaktionären Vorhaben auf eine möglichst wenig konfrontative, eher wurschtelige Art. Mag sein, dass das vor allem den anstehenden Landtagswahlen in NRW geschuldet ist, wie einige Beobachter meinen. Gut möglich jedoch, dass dieser Stil einfach der Wesensart von Angela Merkel entspricht. Bisher ist sie damit ja nicht unerfolgreich gewesen.

In Sachen Atomkraft ergibt sich dadurch das eigenartige Bild, dass CDU, CSU und FDP sich für die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke aussprechen, aber im Koalitionsvertrag wenig Konkretes darüber schreiben. Die Koalitionäre versprechen, eine Verlängerung der Laufzeiten werde es nur mit „strengen technischen Auflagen“ geben, doch wie die aussehen sollen, bleibt unklar. Angesichts der langen Geschichte von Schlampereien und laxen Aufsichtsbehörden klingt diese Ankündigung ohnehin nur wie ein schlechter Witz.

Zum Glück steht den schwarzgelben Atomplänen eine gutorganisierte, breite Bewegung entgegen, die durch das Lavieren der Koalitionäre eher noch bestärkt wird. Wer weiß, vielleicht entwickelt sich an dieser Frage demnächst ein richtig ausgewachsener gesellschaftlicher Konflikt, der Schwarzgelb ins Straucheln bringen könnte. Schade nur, dass keine wirkliche Alternative in Sicht ist, oder sollen wir etwa die rosarote Elends-
verwaltung á la Berlin und demnächst auch Brandenburg für eine solche halten? Dort ist die Linkspartei auf dem besten Wege entgegen eigenen Beschlüssen der Ausdehnung des Abbaus der besonders klima-
schädlichen Braunkohle zuzustimmen.

(wop)