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Klimaverhandlungen:

Wie Protestieren?Am 7. Dezember beginnt in Kopenhagen die diesjährige UN-Klimakonferenz. Die Er-
wartungen sind hoch: Im  indonesischen Bali war vor zwei Jahren vereinbart worden, dass in Kopen-
hagen die Fortschreibung des noch bis 2012 gültigen Klimaschutzvertrags, des so genannten Kyoto-
Protokolls beschlossen werden soll. Die Vorgaben der Wissenschaftler sind ziemlich eindeutig: Um den Klimawandel noch im erträglichen Rahmen zu halten, das heißt, um die globale Erwärmung auf zwei Grad gegenüber dem  vorindustriellen Niveau zu beschränken, muss der weitere Anstieg der Treibhausgase-
missionen – das mit Abstand wichtigste ist das Kohlen- dioxid (CO2) – in den nächsten zehn Jahren aufgehalten werden. Danach müssen die globalen Emissionen rasch abnehmen, bis 2050 auf die Hälfte des Wertes von 1990, bis zum Ende des Jahrhunderts auf nahezu null.

Da die Industriestaaten nicht nur für die bisher bereits in der Atmosphäre angereicherten Emissionen verantwortlich sind, sondern auch immer noch fast die Hälfte der Emissionen verursachen,obwohl sie gerade 20 Prozent der Erdbevölkerung beherbergen, kommt es vor allem auf sie an. Schon zu Beginn der 1990er wurde in der Klimarahmenkonvention vereinbart, dass sie vorangehen müssen, damit den ärmeren Ländern Raum bleibt, ihre Wirtschaft zu entwickeln. Konkret heißt das, so die Forderung der Wissen-
schaftler, dass  die Industriestaaten ihre Emissionen bis 2020 um 25 bis 40 Prozent senken müssen, gemessen am Niveau von 1990. Doch während große Schwellenländer wie China und Brasilien in den letzten Wochen erstmals angekündigt haben, den weiteren Anstieg ihrer Emissionen bis 2020 erheblich begrenzen zu wollen, bewegen  sich die Industriestaaten noch immer viel zu wenig.
 
 

Übers ganze Jahr und den ganzen Planeten gemittelte Temperatur, dargestellt als Abweichung vom Mittel der Jahre 1951 bis 1980. Heute ist es bereits 0,6° wärmer als 1970. Grafik: Goddard Institute for Space Studies der NASA

Die Bremser

Die EU hat 20 Prozent Reduktion zugesagt und will eventuell auch 30 Prozent akzeptieren, wenn andere Länder mitziehen. Japan hat 25 Prozent versprochen, allerdings unter dem gleichen Vorbehalt. Und da aber die USA noch viel weniger bieten,werden sie sich vermutlich letztendlich zum wiederholten Male hinter dieser verstecken. US-Präsident Obama hat angekündigt die US-Emissionen gegenüber 2005 bis 2020 um 17 Prozent zu senken, und hat dafür noch nicht einmal die Rückendeckung seines Parlaments. Doch vielleicht wird er sie immerhin in den nächsten Monaten erhalten. Allerdings sind die US-Emissionen seit 1990 bis heute weiter kräftig gewachsen. Obamas Vorschlag bedeutet gerade, sie auf das Level des Ausgangsjahres zurück zu führen.

Mit anderen Worten: Obama bietet Null Prozent an, wenn der gemeinsame Maßstab 1990 angelegt wird. Das sieht aber nun doch ein bisschen blöde aus. Deshalb beharrt seine Regierung denn auch darauf, dass das Basisjahr 1990 aufgegeben wird. Und gerade dabei ist, möchte man gleich das ganze Kyoto-Protokoll im Papierkorb verschwinden lassen. Das bringt wiederum die meisten Entwicklungsländer ziemlich auf, denn in dem Protokoll, das inzwischen von 189 Staaten ratifiziert wurde, nicht aber von den USA, steckt die Verhandlungs- arbeit von mehr als zehn Jahren. Zahlreiche technische Absprachen und Normen sind in dem Protokoll und seinen Nebenvereinbarungen in zäher Arbeit vereinbart worden.

Die US-Position ist also bisher nicht besonders förderlich für den Verlauf der Verhandlungen gewesen. Aber auch die Bundesregierung und die EU haben sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert. So gestehen die EU-
Regierungschefs zwar ein, dass jährlich 100 Milliarden Euro notwendig wären, um in den Entwicklungs-
ländern Schäden zu beseitigen und die Anpassung an den Klimawandel zu finanzieren. Gleichzeitig knausern sie aber, wenn es um europäische Zahlungen in einen entsprechenden Fonds geht, der ebenfalls Gegenstand der Verhandlungen ist. Nicht einmal ein konkretes Angebot war bisher aus Brüssel oder Berlin zu hören.

Alles für die Katz?

Ist von den Verhandlungen in Kopenhagen also nichts zu erwarten? Müssen sie sogar wie einst die Gespräche der Welthandels- organisation WTO in Seattle 1999 blockiert werden, wie es in der radikalen Linken diskutiert wird? Spricht nicht schon die Tatsache für letzteres, dass in den Verträgen auch der Handel mit Emissionsrechten festgeschrieben ist? Was den Emissionshandel angeht, so ist zum einen festzuhalten, dass er nur gegen den Widerstand der Mehrheit der Entwicklungsländer Eingang in die Verträge gefunden hat. Zudem werden die wesentlichen Fragen, die ihn regeln, nicht auf der globalen Ebene in den Klimaverträgen, sondern in Berlin und Brüssel von den europäischen Regierungen entschieden. Wer tatsächlich verhindern will, dass zu viele Emissionsrechte ausgegeben werden,wie es in Deutschland und den anderen EU-Staaten der Fall ist, der muss vorort Druck auf die jeweiligen Regierungen ausüben.

Des weiteren ist es verfehlt, die sich in Kopenhagen versammelnden knapp 200 Regierungen als mono-
lithischen Block zu sehen. Auf der Klimakonferenz werden zum Beispiel auch kleinen Inselstaaten vertreten sein, die von den Industriestaaten seit Jahren einschneidende Klimaschutzmaßnahmen verlangen. Aktuell lautet ihre Forderung minus 40 Prozent bis 2020. Diese Staaten haben gar keine andere Chance, als zu versuchen, ihre Positionen in einem internationalen Vertrag durchzusetzen.

Aber auch die meisten anderen Entwicklungsländer drängen inzwischen mit Nachdruck auf ein wirksames Klimaschutzabkommen, wobei zwei Punkte für sie im Mittelpunkt stehen:

1. Deutliche Reduktion in den Industriestaaten für die nächste Vertragsperiode.

2. Ausreichende Finanzmittel für den Anpassungsfonds, sowie Technologietransfer damit der Süden sich mit moderner, "sauberer" Technik industrialisieren kann.

Während die Regierungen in Washington, London, Berlin und Kopenhagen schon seit Wochen dafür werben, die Entscheidungen über einen neuen Vertrag aufs nächste Jahr zu verschieben und auf dem Gipfel lediglich eine politische Erklärung zu verabschieden, halten die Entwicklungsländer daran fest, dass ein Vertrag herauskommen muss, und dass dies die Fortschreibung des Kyoto-Protokolls sein soll.

Um den Druck auf den Norden zu erhöhen haben Länder wie Brasilien und China sich erstmals darauf eingelassen, eine Beschränkung des weiteren Wachstums ihrer Emissionen zu versprechen. Indien wird ähnliches wahrscheinlich noch unmittelbar vor der Konferenz machen. Und dass das alles keineswegs leere Versprechen sind, ist an den enormen Anstrengungen abzulesen, mit denen insbesondere in China und Indien der Ausbau der erneuerbaren Energieträger vorangetrieben wird.

Der Protest

Doch Protest ist sicherlich gerechtfertigt, aber er muss sich zielgenauer gegen die Regierungen der reichen Staaten richten, die durch ihre Untätigkeit erst das Problem heraufbeschworen haben. In diesem Zusammenhang ist es ein Skandal, dass die Mehrheit aus  konser- vativen, rechtsliberalen und rassistischen Parteien im dänischen Parlament im November schärfere Polizeigesetze erlassen hat.Künftig können Personen, von denen die Polizei meint, sie könnten vielleicht ein Gesetz brechen, bis zu 12 Stunden festgehalten werden. Wer die Polizei behindert, kann dafür nun für 40 Tage in Haft kommen. Auch die Geldstrafen für Vergehen in Zusammenhang mit Demonstrationen wurden erheblich heraufgesetzt. Schon seit dem Sommer wird in Kopenhagen seitens der rechtsliberalen Regierung und der Polizeiführung Stimmung gegen die geplanten Proteste gemacht.

Die Rot-Grüne Einheitsliste, Dänemarks linkssozialistische Partei, die Anfang der 1990er aus einem Bündnis verschiedener kommunistischer Gruppen entstand, hat angekündigt, sich an der für den 12. Dezember geplanten Großdemonstration mit einem eigenen Block zu beteiligen. (Auch aus Kiel wird ein Bus zur Demo fahren.) Die Sozialisten rufen die Teilnehmer auf, sich nicht von der Polizei provozieren zu lassen und sich friedlich zu verhalten. Drei Forderungen stehen für sie im Mittelpunkt: 40 Prozent Reduktion der Emissionen in den Industriestaaten bis 2020, Finanzielle Hilfe für die ärmeren Länder und keine Schein-
lösungen wie Emissionshandel.

Parallel zum offiziellen Gipfel ist ein Alternativgipfel geplant, der vom 7. bis zum 18. Dezember tagen wird. Vorgesehen sind weit über 100 Veranstaltungen mit Gästen aus aller Welt. Themen werden unter anderem der Verkehrssektor, der Schutz der Regenwälder, die Lage der indigenen Völker, die CCS-Technologie (Abscheidung und Einlagerung von CO2) und die Zukunft der Klimabewegung nach dem Gipfel sein. Der Tagungsort ist nur wenige Meter vom Kopenhagener Hauptbahnhof entfernt.
 

(wop)


 http://www.klimaforum09.dk
http://www.klimagipfel2009.de/
Näheres über Fahrkarten für den Bus zur Demo am 12. in Kopenhagen:
http://www.keine-kohle-kiel.de/