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Stadthaushalt Kiel :
Finanzielle Aushungerung

Schon im letzten Jahr hatte die Verschuldung einen Stand erreicht, der höher war als vor dem Verkauf von Stadtwerkeanteilen und der Kieler  Wohnungsbauge- sellschaft. 2009 ist der Schuldenstand bei 416,7 Mio. Euro und es wird bereits berechnet, dass er 2013 bei über 488 Mio. Euro liegen wird. Hinzu kommen dann noch Kassenkredite, die bis 2013 auf 521,7 Mio. steigen, so dass die Gesamtverschuldung die 1 Mrd. Grenze erreicht.

„Der Haushalt der Landeshauptstadt Kiel schließt mit einem Defizit von 80,6 Mio. Euro ab. Dieses Ergebnis wird sich durch die  voll- ständige Einbeziehung sämtlicher Abschreibungen auf dem Weg zur Eröffnungsbilanz noch verändern, wobei von einer Erhöhung des Defizits auszugehen ist. Auch die mittelfristige Planung bis 2013 vermittelt keine positive Entwicklung, im Gegenteil: die Defizite übersteigen in allen Jahren die 100 Millionen Grenze. Die Stadt ist mittelfristig somit weiterhin nicht in der Lage, die finanziellen Mittel für dringend notwendige Investitionen aus eigener Kraft zu erwirtschaften. Eine Finanzierung ist nur über Kredite mit der Konsequenz einer weiter steigenden Verschuldung möglich.“

Seit 1998 gehen die Einnahmen aus Gewerbesteuer, dem Anteil an der Einkommensteuer und dem Finanzausgleich immer weiter zurück. Die Gewerbesteuereinnahmen sind sehr schwankend und hatten 2006 einen außergewöhnlichen Höchststand von fast 180 Mio. Euro. Der ist jetzt zusammengefallen auf 88 Mio. Zwischenzeitlich waren die Abgaben der Stadt an den Bund bis auf 26,5% angestiegen, so dass diese 2004 auf 56 Mio Euro einbrachen. Die 78% der Gewerbesteuereinnahmen kommen von 0,2 % der Betriebe. Das bedeutet, dass diese sehr stark abhängig sind von der wirtschaftlichen Entwicklung einiger weniger Betriebe und man munkelt, dass der  Höchststand wohl auf Gewinne bei der HSH-Nordbank zurückzuführen war. Damit ist aber nun bekanntlich erstmal Schluss.

Im Gegenzug wurden den Kommunen die „Sozial-Transferleistungen“ aufgebürdet, die seit der Hartz IV-Gesetzgebung ständig steigen. Und es gibt vom Bund dafür keinen Ausgleich. Die Sozialleistungen der Stadt stellen den größten Ausgabenbereich des Kieler Stadthaushaltes dar (55%) und die Auswirkungen der Krise, so jedenfalls berechnet es die Finanzverwaltung, wird diese Kosten bis 2013 auf 264 Mio. steigen lassen. Das bedeutet, dass der Staat die Folgen der kapitalistischen Krisenwirtschaft den Kommunen aufbürdet. Vor der Hartz IV-Gesetzen betrugen die Ausgaben für Sozialhilfe über viele Jahre beständig nur ca. 100 Mio.

Die Stadt muss sich also weiter verschulden, um den dringendsten Aufgaben in Bildung, Soziales und Daseinsvorsorge nachzukommen. Die Profiteure sind die Banken. Die Stadt zahlte 2009 allein 20,6 Mio. Zinsen und diese werden bis 2013 auf 34 Mio. ansteigen. Die Banken verdienen doppelt. Zum Einen bekommen sie ihre Verluste durch spekulative Finanzgeschäfte vom Staat geschenkt und zum Anderen verdienen sie noch daran, dass sich der Staat verschuldet. Diese Schulden landen vor allem bei den Kommunen, weil diese mit immer mehr Aufgaben belastet werden und auf der anderen Seite immer höhere Abgaben an Bund und Land zahlen müssen. An den Zahlen des Anteils an der Einkommensteuer und dem Finanzausgleich lässt sich erkennen, dass der Bund gleichzeitig immer weniger Geld an die Kommunen zahlt.

Welche Auswirkungen die zunehmende Verschuldung haben wird, lässt sich erahnen. Das meiste Tafelsilber ist bereits verkauft.  Insbesondere die Energie- und Wasserversorgung und der Wohnungswirtschaft ist nicht mehr in städtischer Hand und was noch bleibt wie z.B. Immobilien und Grundstücke (z. B.  Erbpacht- grundstücke) werden verkauft. Nach den Ursachen der Verschuldung fragt die herrschende Politik nicht, sondern insbesondere CDU und FDP drängen auf eine sogenannte Haushaltskonsolisierung durch den strukturellen Umbau. Es wurde bereits unter OB Volquartz die Frage aufgeworfen, welche Aufgaben die Stadt zukünftig noch wahrnehmen sollte und ob diese nicht „von Privat eingekauft“ werden sollten. Weitere Privatisierungen wären die Folge mit tiefen Eingriffe in die   Daseins- vorsorge. Gebühren für Museum und Schwimmbäder werden erhöht und eine weitere Fahrpreiserhöhungen sind trotz der Rekommunalisierung zu befürchten. Wenn es so weiter geht, ist die Verwaltung bald nur noch für die Aufrechterhaltung der Ordnung und die finanzielle Abwicklung der Stadtfinanzen und der Eigenbetriebe zuständig.

Die Eigenbetriebe werden vor allem auf „Wirtschaftlichkeit“ orientiert, d.h., sie sollen Gewinne machen und sich selber tragen. Und die wichtigste Aufgabe der Stadt ist es dann nur noch für eine intakte und möglichst kostenlose Infrastruktur für Betriebe und Konzerne zu sorgen. In einigen Bereichen ist das bereits jetzt schon so: Der Kieler Hafenbetrieb hatte 2009 ein Kreditvolumen von über 65 Mio. Euro. Dafür werden und wurden aufwendige Hafenanlagen für den Fährverkehr und die Luxusliner gebaut. Es ist im Haushaltsbericht nicht erkennbar, ob dafür irgend etwas zurückfließt. Erträge aus den Eigenbetrieben gibt es fast gar nicht. Die Ausnahme ist der Anteil an den Stadtwerken, wo über die Konzessionsabgabe 14,2 Mio. jährlich reinkommen; die restlichen Gewinne gehen an die Stadt Mannheim oder genauer gesagt, an die Aktionäre des MVV-Konzerns.

Das Haushaltsdefizit hat Auswirkungen auf dringende und nützliche Zukunftsprojekte. Besonders der Dezernent und Bürgermeister Todeskino hat schnell mit Lösungen parat, die in Privatisierung und Ausverkauf der Stadt münden. Die Umgestaltung des Regionalen Berufsbildungszentrums soll als öffentlich-privates Projekt (PPP = Publik Private Partnership) realisiert werden (44 Mio.). Das Zu- kunftsprojekt einer Stadtregionalbahn (380 Mio. ?) ist angeblich auch nur als PPP-Projekt denkbar. Dann hätte man sich die  Rekommunalisierung der KVG beinahe sparen können.

Firmen die PPP-Projekte anbieten, wollen daran möglichst schnell verdienen und überlassen das finanziellen Risiko meistens den Kommunen. Diese könnten aber eigene Kredite wesentlich günstiger bekommen und die Erträge landen nicht in fremden Händen. Jedenfalls sollten solche Verträge genau angeschaut werden und öffentlich diskutiert werden.

Bezüglich der Zukunftsinvestitionen stellt sich die Frage, welche Prioritäten die Stadt Kiel setzen will. Bei der aktuellen Auseinander- setzung um eine zukunftsfähige und umweltfreundliche Energieversorgung ist es z. B. erforderlich auch den Zugriff auf die Netze und die Energieerzeugung zu bekommen. Im Zusammenhang mit der Daseinsvorsorge steht vor allem der Rückkauf des 51%-Anteils der Stadt- werke Kiel von dem Mannheimer Energiekonzern MVV zur Diskussion. 2006 läuft der Konzessionsvertrag aus und damit besteht die Möglichkeit und das Recht, die Netze zurückzu- kaufen. Für eine komplette Rekommunalisierung der Stadtwerke wären ca. 150 Mio. nötig. Eine lohnenswerte Investition, will die Stadt ihre Verantwortung für die Daseinsvorsorge ernst nehmen.

Der Haushalt 2009 ist der erste „flächendeckende“ doppische Haushalt, was eine erhebliche Umstellung der städtischen Buchführung bedeutet. Das bedeutet aber nicht, dass damit der Haushalt transparenter und für alle Menschen leichter zu begreifen wäre. Im Gegenteil ist nur für eingeweihte Finanzexperten zu erkennen, was hinter den Kennzahlen steckt. Und ob dahinter eine korrekte Erhebung der Daten steht, ist für den Außenstehenden nicht festzustellen.

In der Doppik werden Vermögen und Schulden gegenübergestellt, was im Ergebnis eine Bilanz ergibt, bei der die Stadt mit höheren Erträgen reicher wird und mit weniger Erträgen ärmer. Die Stadt wird also quasi wie Konzern geführt. Allerdings lassen sich Vermögenswerte der Stadt nicht einfach verkaufen, denn eigentlich gehören sie, wie z. B. auch die Wasserversorgung, das Straßennetz und die Grundstücke der Allgemeinheit. Genau betrachtet bedeutet die Verschuldung der Stadt, dass sie jetzt den Banken gehört.Die Ursache der Verschuldung ist nicht im Kieler Haushalt zu finden, sondern liegt in der mangelnden Finanzausstattung durch den Bund. Der Anteil aus der Einkommensteuer ist zu gering. Hinzu kommt die bundesweite Steuerpolitik, die die Vermögenden, Reichen und Konzerne schont, was letztlich zur Aushungerung der Kommunen führt.

(uws)