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Um HDW-Arbeitsplätze kämpfen:

Den zivilen Schiffbau verteidigen

Nach einem dramatischen Jahr mit wegbrechenden Aufträgen, drohenden Massenentlassungen und einem möglichen neuen Anteilseigner vom Persischen Golf bleiben auch im neuen Jahr 2010 Befürchtungen und Unsicherheiten hinsichtlich der Sicherung der Arbeitsplätze der HDWlerInnen auf der Tagesordnung. Die als Ergebnis der erfolgten Zusammenlegung von HDW (U-Boot-Bau) und HDW-Gaarden unter dem Dach der ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) angedrohte Entlassung von 190 MitarbeiterInnen aus dem Überwasserstahlschiffbau ist zwar vorerst für ein halbes Jahr vom Tisch – was aber Mitte des Jahres auf die Kolleginnen und Kollegen zukommt, bleibt ungewiss. Steigt Abu Dhabi MAR bei der HDW ein? Wenn ja, mit welchem Ziel? Im Poker um den möglichen Verkauf der zivilen Fertigungskapazitäten der HDW soll es bis zum Sommer eine Entscheidung geben. Damit bewahrheitet sich immer mehr die Befürchtung, dass der  ThyssenKrupp- Konzern auf der HDW den Handelsschiffbau ganz einstellen will. Bereits vor fünf Jahren war dies ein Thema und führte zu erheblichen Protesten der Belegschaft und zu einer großen Demonstration von 5.000 Kielerinnen und Kielern.

Wie kann es weitergehen mit einer Werft, die im U-Boot-Bau für die kommenden Jahre gut ausgelastet, der zivile Handelsschiffbau aber vollständig zum Erliegen gekommen ist? Was tun mit riesigen Flächen, Docks und Hallen, von denen etliche jetzt leer stehen? Wie können die vorhandenen Arbeitsplätze auf der Werft gesichert werden? Auf diese Fragen will ThyssenKrupp zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Antworten geben – die HDWlerInnen werden weiterhin im Ungewissen gelassen, werden von Aufsichtsratssitzung zu Aufsichtsratssitzung vertröstet. Die Erfahrungen der Vergangenheit sollten die Beschäftigten allerdings lehren, dass die  Entscheidungen von Kapitalseite allein an den Gewinnprognosen ausgerichtet sind und die Belange der Beschäftigten diesem Ziel rigoros untergeordnet werden. Der zivile Schiffbau auf der HDW wird nur dann eine Zukunft haben, wenn HDWlerInnen, IG Metall und breite Teile der Kieler Bevölkerung dafür kämpfen.

Werftenkrise als Ausdruck der Krise der kapitalistischen Weltwirtschaft

Tatsache ist: In den zurückliegenden Jahren hat sich die Krise der zivilen Schifffahrt weiter verschärft. Im Zuge der Krise der kapitalistischen Weltwirtschaft ist der Containerverkehr dramatisch zurück gegangen; Reedereien stornieren ihre Aufträge für Schiffsneubauten (so geschehen mit zwei Containerschiffen bei der HDW- Gaarden); viele Banken drehen den Geldhahn zu und verweigern branchenübliche Zwischen-
finanzierungen ( so geschehen bei der Lindenau-Werft). Der Bau von Containerfrachtern auf deutschen Werften ist dramatisch zurück gegangen: Im Jahr 2009 wurden nur 16 Neubauten dieses Modells auf heimischen Werften vom Stapel gelassen - die geringste Zahl seit 20 Jahren. Bislang war die Schifffahrt einer der größten Profiteure der Globalisierung. Viele Konzerne und Banken haben in der zurückliegenden Zeit unglaublich hohe Gewinne gemacht. Jetzt, in der Krise, gehen die „Konzern-Wirtschaftskapitäne“ von Bord und bringen ihr angehäuftes Kapital in Sicherheit und überlassen die Werften und ihre Belegschaften „Leichenfledderern“ (gegenwärtig vor allem aus Russland und den arabischen Ländern), die sich die Filetstücke und technisches Know-how sichern und den Rest dann abwickeln (siehe Wadan-Werften Wismar und Rostock, Blohm & Voss in Hamburg). Und viele Anzeichen deuten darauf hin, dass auch ThyssenKrupp sich über kurz oder lang vollständig vom zivilen Schiffbau verabschieden will in dem sie diesen Bereich meistbietend verkauft.

Arbeitsplatzabbau auf der HDW hat eine lange Tradition

Ein Blick auf die Entwicklung der HDW Kiel in den zurückliegenden Jahren zeigt, dass es den verschiedenen Konzerneignern nicht um die Entwicklung einer tragfähigen Zukunftsperspektive für den Schiffbau an der Förde gegangen ist, sondern allein um die Realisierung kurzfristiger Profite. 1971 waren auf der Werft noch 11.500 Beschäftigte in Lohn und Brot. In der Folge der schweren Wirtschaftskrise Mitte der 70er Jahre wurde die Belegschaft kontinuierlich abgebaut und der Anteil der Rüstungsproduktion (vor allem der Bau von U-Booten) wurde im gleichen Maße ausgeweitet. 1990 verkaufte die SPD-geführte Landesregierung ihre 25,1 Prozent Landesanteile an der HDW, die sie noch 1973 „zur Sicherung des Werftstandortes Kiel“ gekauft hatte. Das war ein eindeutiges Signal in Richtung der Kapitaleigner, den einmal eingeschlagenen Weg der Profimaximierung auf Kosten der Belegschaft mit aller Macht durchzuziehen.

Von 1999 bis 2002 hatte die Preussag viel versprochen aber wenig gehalten: Über 1.000 Arbeitsplätze wurden vernichtet. Der Einstieg von Babcock war eine Katastrophe und der Übergang an den amerikanischen Investor One Equity Partners (OEP) half auch nicht weiter. Kurzfristig wurden wieder 250 Arbeitsplätze vernichtet. Der Kauf der schwedischen Kockums-Marinewerft führte ebenfalls nicht zu neuen Arbeitsplätzen, sondern Arbeitsplätze auch im Marineschiffbau wurden abgebaut. Nach der Babcock Pleite übernahm die Thyssen-Krupp AG 2005 die HDW als Teil des Werftenverbundes unter dem Namen ThyssenKrupp Marine Systems. Heute hat HDW noch rund 2.300 Beschäftigte – Tendenz fallend. Diese Auflistung zeigt: Alle Ankündigungen der jeweiligen Kapitaleigner, den Werftenstandort Kiel zu sichern und Arbeitsplätze zu erhalten, waren leere Versprechungen; sie wurden begünstigt durch den Offenbarungseid der Politik (Verkauf der Landesanteile). Wenn heute Ministerpräsident Carstensen und SPD-Landespolitiker an die Konzernmanager appellieren, den zivilen Schiffbau auf der HDW zu erhalten, so ist das – gelinde gesagt – scheinheilig.

Rüstungswerft HDW ist keine Lösung

Der Kriegsschiffbau ist keine Rettung – und kann es auch nicht sein. Wenn der Kieler SPD-Bundes-
tagsabgeordnete Bartels fordert, jetzt Rüstungsprojektaufträge vorzuziehen um damit Arbeitsplätze zu sichern, so ist das der falsche Weg. Waren es nicht die Betriebsräte der Kieler Germania-Werft, die 1945 nach den Erfahrungen des 2. Weltkrieges und angesichts des zerstörten Kiel gelobten, dass auf ihrer Werft nie wieder U-Boote gebaut werden sollen? Und es sei an die Worte des HDW- Betriebsrats erinnert, die er 2004 auf der Demonstration der 5.000 HDWlerInnen und Kieler BürgerInnen aussprach: „Wir müssen aus der Geschichte lernen, um Perspektiven für einen Handelsschiffbau in Kiel zu entwickeln. Dafür werden wir uns mit dem großen Kapital anlegen müssen.“ Traditionell sehen die  Werftenkonzerne die Möglichkeit zu hohen, kontinuierlichen, staatlich garantierten Profiten durch die  Verankerung im Rüstungsbereich. Rüstungsproduktion ist aber nicht nur lebensgefährlich, sondern vertieft auch auf lange Sicht die wirt-
schaftliche Krise. Geld, das in die Rüstung angelegt wird, ist totes Kapital. Während zum Beispiel Off-Shore-Ausrüstungen zur Förderung wertvoller Rohstoffe oder für Windparks das Geld, das sie kosten, auch wieder reinholen, sind alle Investitionen in Waffen aus dem wirtschaftlichen Kreislauf entfernt, also „totes Kapital“.

In diesem Zusammenhang sei noch an eine Erfahrung vom produktiven Zusammenwirken gewerk-
schaftlicher/betrieblicher  Interessenvertretung und  außerparlamentarischer Bewegung erinnert: Anfang der 80er Jahre, in der Hoch-Zeit der Friedensbewegung, fanden sich Kolleginnen und Kollegen in Rüstungs-
betrieben in „Arbeitskreisen für alternative Produktion“ zusammen, in denen konkrete Vorschläge für den Umbau von Rüstungs- auf zivile Produktion erarbeitet wurden. Im Mai 1985 kam es auch auf der Kieler HDW zur Gründung eines derartigen Arbeitskreises. Als Reflex der Initiativen des Arbeitskreises wurde im November 1987 auf Unternehmensseite die „Direktionsabteilung Diversifikation“ geschaffen. Ihrem Selbstverständnis nach sollten hier Konzepte erarbeitet werden für die  Entwicklung von Spezialschiffbau und Umwelttechnik. Nach dem Ende der Systemkonkurrenz 1989/90 verschwand beides (betrieblicher Arbeitskreis wie Direktionsabteilung) schnell in der Versenkung. Auf gewerkschaftlicher Seite läge hier eine lohnenswerte Aufgabe, die Erfahrungen und Vorschläge dieser Arbeitskreise wieder auf die Tagesordnung zu setzen.

Ziviler Schiffbau ist auch in Zukunft notwendig

- Es besteht Ersatzbedarf für neue Handelsschiffe: Schrottreife Schiffe müssen auch tatsächlich verschrottet werden und nicht als Risiko für Mannschaften und Umwelt weiterfahren. Neue und moderne, nach neuesten Sicherheitsstandards entwickelte Schiffe, müssen gebaut werden.

- Tanker müssen grundsätzlich als Doppelhüllentanker gebaut bzw. nachgerüstet werden.

- Nachrüstung von Schiffen um bessere ökologische Effizienz zu erreichen (umweltschonendere Antriebe, Verringerung der Luftschadstoffemissionen z.B. durch neue Wulstbuge u.ä.)

- Es besteht ein großer Bedarf an Spezialschiffen zur Ausbeutung von Energie- und Rohstoffquellen im Meer, ein Bedarf an Schiffen zur Errichtung von Windkraftanlagen auf dem Meer, für Fähren und eisbrechende Schiffe / für die Erschließung sibirischer Seewege und dem Abbau von Rohstoffen in arktischen Gewässern).

Alternative Produktion

Herzstück der Werften ist der Schiffbau und muss es auch bleiben. Aber freigewordene Kapazitäten machen eine Ausweitung der Produktionspalette möglich und notwendig. Bis 2013, so schätzen Experten, werden allein für die Offshore-Projekte in Nord- und Ostsee rund 20 Hebeplattformen gebraucht. Zusätzlich muss eine Flotte von Wartungs- und Versorgungsschiffen aufgebaut werden Die Ergebnisse der Alternativen Arbeitskreise zur Landstromversorgung mit entsprechenden Blockheizkraftwerken sollten durch die Werften mit umgesetzt werden. Die HDW braucht für die Umsetzung dieser Forderungen eine eigenständige Ingenieursabteilung und ein Ver- triebssystem, dass auf dem Weltmarkt Aufträge einholt.

Gegenwehr entwickeln!

Die Beschäftigten haben in den zurückliegenden Jahren große Beiträge zum vermeintlichen Erhalt ihrer Arbeitplätze geleistet: Lohnverzicht, Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich und Arbeitsverdichtung. Der Dank der Unternehmer war Arbeitsplatzabbau, die Ausgliederung von Teilen der Belegschaft und die Weiterbeschäftigung zu erheblich schlechteren Bedingungen sowie die permanente Drohung mit weiterem Arbeitsplatzverlust. Da müssen sich auch die IG-Metall und ihre Vertreter auf der Werft die Fragen gefallen lassen, warum sie nicht auf wirkliche Gegenwehr und den Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze sondern auf  Verhandlungen und Verzicht gesetzt haben. IG-Metall, Betriebsrat und Vertrauensleute sind jetzt gefordert, sich der drohenden Abwickelung des zivilen Schiffbaus und der weiteren Arbeitsplatzvernichtung entschlossen entgegen zu stellen.

Dringend notwendig ist die Zusammenarbeit der betrieblichen und gewerkschaftlichen Interessenver-
tretungen der deutschen Werften, um eine langfristige Strategie der Gegenwehr gegen Arbeitsplatz- und Standortvernichtungspläne des Kapitals zu entwickeln. Eine  Grundforderung muss darin bestehen, dass es keine Standortschließungen, keine Entlassungen auf den Werften geben darf und dass der Erhalt des zivilen Schiffneubaus gesichert werden muss. Vom Land Schleswig-Holstein ist zu fordern, dass es alle zur Verfügung stehenden Mittel nutzt , um in Hinblick auf die HDW Druck auf den ThyssenKrupp –Konzern in der Richtung zu entwickeln, dass

- Garantien für Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen gegeben werden,

- die  unbefristete Übernahme aller Auszubildenden nach Abschluss der Ausbildung garantiert ist,

- keine Rüstungsgüter in Krisengebiete geliefert werden dürfen

- Initiativen in Richtung Alternativproduktion und Rüstungskonversion ergriffen werden.

An die Vergabe öffentlicher Gelder durch den Bund (für Rüstungsgüter) sind die selben Anforderungen zu stellen.

Die Wochenarbeitszeit ist im gesamten Werftbereich auf 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich zu begrenzen; Verbot von Überstunden; Verbot von Leiharbeit. Die DKP tritt für die Verstaatlichung der Werften entsprechend Artikel 14 und 15 des Grundgesetzes als ersten Schritt hin zur Vergesellschaftung ein. Dadurch würden die Möglichkeiten für die Einflussnahme auf die Sicherung der Arbeitsplätze und das Produktionsprofil zunehmen, wenn gleichzeitig Druck der Gewerkschaften, der  betrieblichen Interessen-
vertretungen und der außerparlamentarischen Bewegung auf die Politik entwickelt wird. Dass Verstaatlichungen möglich sind, zeigte die Bundesregierung im zurückliegenden Jahr am Beispiel der HRE-Bank, wo die Verluste einer maroden Bank für das Finanzkapital „sozialisiert“ wurden. Warum sollte eine derartige Maßnahme nicht auch für andere Bereiche im Sinne Tausender Beschäftigte möglich sein?

Jetzt kommt es im ersten Schritt darauf an, die Pläne für ein Ende des zivilen Schiffbaus auf der HDW zu verhindern.

Ein weiterer drohender Arbeitsplatzabbau muss verhindert werden.

Dafür gilt es in der Belegschaft, in der Gewerkschaft, in den Parlamenten und in außerparlamentarischen Bewegungen Widerstand und Gegenwehr zu entwickeln.

Wer kämpft kann verlieren - Wer nicht kämpft hat schon verloren.


(DKP Kiel)
www.dkp-kiel.de ; info@dkp-kiel.de