Kiel braucht mehr kleine und preiswerte Wohnungen
Als schwierige Gratwanderung bezeichnet der Kieler Mieterverein
die Entscheidungsfindung für die neuen Mietobergrenzen. Einer-
seits müssten diese Grenzen so bemessen sein, dass
zu diesen Werten tatsächlich auch Wohnungen angemietet werden können,
namentlich dann, wenn betroffene Haushalte wegen zu hoher Wohnkosten zum
Umzug aufgefordert werden. Diese Sicht der Dinge schlägt sich richtigerweise
auch in der Rechtsprechung des Sozialgerichts nieder. Andererseits warnt
der Kieler Mieterverein davor, Mietobergrenzen zu hoch anzusetzen. Dies
würde - den Marktgesetzen folgend - nur dazu führen, dass der
Mietenschub bei den kleinen, einfachen und schlecht ausgestatteten Wohnungen
weiter angeheizt wird. Dass diese Entwicklung längst eingesetzt hat
beweist der Mietspiegel 2008 besonders eindringlich. Wer sich die Veränderungen
gegenüber dem Mietspiegel 2006 sorgfältig ansieht wird feststellen,
dass die neueren, größeren und gut ausgestatteten Wohnungen
fast durchweg im Preis nachgegeben haben, in der Spitze bis zu 7,8 % (Rasterfeld
„h 4"). Im Gegenzug hat es bei den kleineren, älteren, einfacheren
und schlechteren Wohnungen einen deutlichen Schub gegeben (Rasterfeld „a
1" +4,3 %, Rasterfeld „a 2" +6,0 %, Rasterfeld „e 3" +7,8 %). Vor diesem
Hintergrund hält der Mieterverein es für richtig, zunächst
die Entscheidung des Landessozialgerichtes abzuwarten, um die Mietobergrenzen
dann verbindlich anzupassen.
Vor allem fordert der Mieterverein die Transferleistungsträger
aber auf, ein scharfes Auge auf die Betriebskosten zu haben. Insbe-
sondere die unternehmerische Wohnungswirtschaft kommt
mit Betriebskosten daher, die rund 30 % höher liegen als bei Privatver-
mietern und kleinen Genossenschaften. Teilweise machen
die großen Wohnungsunternehmen zusätzlich Kasse, indem sie typische
Hauswartsdienstleistungen über eigene Tochterunternehmen zu überhöhten
Preisen abrechnen. Deswegen hält der Mieterverein eine Betriebskostendeckelung
nach wie vor für wichtig. Als völlig kontraproduktiv bezeichnet
der Mieterverein in diesem Zusammen-
hang das gerade erst von CDU und SPD verabschiedete neue
Wohnraumförderungsgesetz. Dieses Gesetz entlässt rund 40.000
Sozialwohnungen, die bislang dem Kostenmietrecht unterlagen, mit einer
Übergangsfrist in den freien Wohnungsmarkt mit dem erklärten
Ziel, die Wohnungsmodernisierung zu fördern. Dies wird nicht ohne
kräftige Mieterhöhungen abgehen und bringt das preiswerte Marktsegment
zusätzlich unter Druck.
Kiel ist in diesem Bereich ohnehin ausgesprochen schlecht
aufgestellt. Von rund 132.000 Wohnungen dieser Stadt sind rund 16.000 1-
und 2-Zimmer-Wohnungen, aber knapp 85.000 Wohnungen mit 3 und 4 Zimmern
ausgestattet. Selbst die Zahl der 5-Zimmer-
Wohnungen ist mit 18.500 noch deutlich größer
als die Zahl der 1- und 2-Zimmer-Wohnungen und rund 13.500 Wohnungen haben
sogar 7 und mehr Zimmer. Anders ausgedrückt: Der Kieler Wohnungsmarkt
passt nicht zur Hartz-IV- Gesetzgebung und muss gründlich umgebaut
werden. Aus diesem Grunde fordert der Kieler Mieterverein verstärkte
Hinwendung zu kleineren Wohnungen und eine Ankurbelung der Neubauleistungen.
Wurden Ende der 90er Jahre noch über 1.000 Wohnungen
jährlich neu gebaut - 1998 z. B. 1.500 WE -, so brach die Zahl danach
dramatisch ein und pendelt jetzt zwischen 200 und 300 Wohnungen jährlich.
Das ist nach Auffassung des Mietervereins viel zu wenig. Dies gilt um so
mehr, als das preiswerte Marktsegment durch verschiedene Aktivitäten
zusätzlich unter Druck steht. So werden beständig ältere,
preiswerte Wohnungen abgerissen ohne dass im gleichen Umfang und dem gleichen
Marktsegment neu investiert würde. Beispielhaft sei die Sprengung
des Hauses Schönberger Straße 44 genannt oder der drohende Abriss
in der Moltkestraße, den zu verhindern die dort noch wohnenden Mieter
und der Kieler Mieterverein sich - durchaus erfolgversprechend - immer
noch bemühen. Die Anpassung der Mietober- grenzen ist das eine
- ohne eine gleichzeitige Anpassung des Kieler Wohnungsmarktes an die Bedürfnisse
unserer Zeit werden der Politik die Mieten davonlaufen. Darüber kann
auch der mäßige Anstieg des Kieler Mietspiegels 2008 im Mittelwert
- 0,4 % - nicht hinwegtäuschen. Dieser mäßige Anstieg ist
nämlich nur der Tatsache geschuldet, dass diejenigen, die die hohen
Mieten für Neubauten nicht mehr bezahlen können oder bezahlen
wollen, den Konkurrenzdruck auf preiswertere Wohnungen erhöhen. Deswegen
geben die in Überzahl vorhandenen besseren Wohnungen nach und im einfachen
Marktsegment fliegt den Beteiligten das Markt- geschehen um die Ohren.
Die Finanzkrise wird diesen Trend nach Auffassung des Mietervereins zusätzlich
befeuern.