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Die Diskussion hat begonnen:
Ein Kulturfahrplan für Eckernförde?

Am 17.03.2010 fand im Eckernförder Ratssaal ein „Kulturgespräch“ statt, zu dem Sven Wlassack, der städtische Kulturbeauftragte eingeladen hatte. Und viele kamen: Kulturschaffende und -interessierte, VertreterInnen aus Verwaltung und Politik. Vorgestellt wurden erste Ergebnisse aus einer Umfrage zur Erfassung kultureller Aktivitäten in unserer Stadt, aus der sich ergibt, dass z.B. im Jahr 2009 an 1033 Kulturveranstaltungen rund 52000 Menschen teilgenommen haben. Das ist – im  Ver- gleich zu anderen Kommunen – eine durchaus stolze Bilanz, die sicherlich auch mit der kontinuierlichen Arbeit Sven Wlassacks seit 1988 zusammenhängt. So  ver- wunderte es kaum, dass die Versammelten sich einmütig für einen Erhalt der Stelle des Kulturbeauftragten aussprachen – auch nach der Pensionierung Wlassacks in zweieinhalb Jahren. Zustimmend wurde auch die Frage von Hartmut Steins (SSW) beantwortet, ob dies denn auch für die Stelle des Museumsleiters (Dr. Beitz) gelten solle ?

Wie kommt es aber, dass urplötzlich eine breite Diskussion über die Rolle der Kultur in unserer Stadt entstanden ist mit dem Ziel, ein „Kulturkonzept“ zu diskutieren und zu beschließen? Leider steht dahinter weniger der Wunsch, das kulturelle Angebot für Bürgerinnen und Bürger auszubauen und zu vervollkommnen, als die Frage danach, was „wir uns in Zukunft noch leisten können“. So wurden im Rahmen der Diskussion um die städtische Haushaltskonsolidierung seit Frühjahr 2009 mehrere städtische  Liegenschaften aus dem Kulturbereich als Verkaufsobjekte ins Auge gefasst: das VHS-Gebäude in der Frau-Klara-Straße, die alte Straßenmeisterei  (Mucke- macher), das Künstlerhaus in der Ottestraße und das Bootshaus (Galerie Nemo). Endgültig beschlossen wurde noch nichts, aber die Diskussion dauert an. Einen weiteren Anstoß gab die Kontroverse um den Erwerb des Gebäudes der Alten Bauschule in der Kieler Straße. Trotz erkennbaren Bedarfs für ein zentrales städtisches Kulturhaus, trotz starken Engagements vieler Eckernförder Bürgerinnen und Bürger für diese Idee lehnte der Finanzausschuss einen Einstieg in das Bieterverfahren für das Gebäude ab. Angesichts der Tatsache, dass Millionen von Euro in den Erwerb eines selbst von der FDP bezweifelten Gewerbegebietes Nord, in den Kauf des HaGe-Geländes („Nooröffnung“), in Pflasterung von Straßen oder Hafenpromenaden fließen, stößt diese Entscheidung selbst in besitzbürgerlichen Kreisen häufig auf Unverständnis.

Neben der eher sparpolitischen Betrachtungsweise krankt die Diskussion um ein städtisches Kulturkonzept leider noch an einem weiteren Mangel: „Kultur“ wird zunehmend als bloßes Mittel zum Zweck begriffen,möglichst viele Touristen in die Stadt zu locken, egal wie „mainstream“-mäßig und dumm das entsprechende Angebot ausfällt. Diese an kommerziellen Interessen ausgerichtete, instrumentalisierende Betrachtungsweise muss zwangsläufig zu einer Verflachung des kulturellen Angebots führen.

Umgekehrt wird ein Schuh daraus: wenn wir selbst unsere eigene kulturelle Identität entwickeln, nicht provinziell, sondern weltoffen und innovativ, wird unsere Stadt auch nach außen hin an Ausstrahlungskraft gewinnen. Dazu muss Kultur freilich in ihrer ganzen Breite begriffen und angeeignet werden: bildende Kunst, Literatur, Musik, Theater, Stadtgeschichte in all ihren Ausprägungen, also auch als Sozial-, Alltags- und Mentalitätsgeschichte, Denkmalschutz – all dies und noch viel mehr macht unsere Kultur aus. Auch die Diskussion um ein Fischräuchereimuseum gehört in diesen Zusammenhang. Dass sich so viele engagierte Menschen in Eckernförde um die Stadtkultur Gedanken machen, ist ein Segen. Politik sollte dies nicht nur in schönen Reden würdigen, sondern dort wo es nottut, auch die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung stellen.
 

(Rainer Beuthel, Vorsitzender der Ratsfraktion DIE LINKE Eckernförde)