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Lautstarker Protest gegen DVU-Kundgebung:

„Plön bleibt bunt!“

Bei der Landtagswahl 1992 in Schleswig-Holstein avancierte die rechtsradikale DVU mit 6,3 Prozent einst zur drittstärksten politischen Kraft. Nach einem Jahr war der Spuk allerdings schon wieder vorbei. Die Landtagsfraktion fiel im Streit auseinander und der Landesverband in Agonie. Fast 20 Jahre lang verstummten hierzulande sämtliche Sprachrohre der rechtsradikalen Partei. Doch jetzt versucht die „Deutsche Volksunion“ in der rechten Szene zwischen Flensburg und Pinneberg wieder Fuß zu fassen. Der Landesverband wurde zumindest im Internet reaktiviert, unter seiner neu gewählten Vorsitzenden Inge Lobocki aus Kiel fantasiert er dort von einem Comeback, kündigt für dieses Jahr eine „Öffentlichkeitsoffensive“ an. Die ging bislang aber ordentlich in die Hose. An der „Auftaktveranstaltung“ Anfang März auf dem Husumer Marktplatz nahmen gerade einmal sechs Neonazis teil, vergangenen Samstag am Rande der Plöner Fußgängerzone waren’s um die zwanzig.

Die DVU-Kundgebung in Plön hatte Hans-Gerd Wiechmann angemeldet. Er ist Landesvorsitzender der niedersächsischen DVU und hat eine bewegte, extremrechte Vergangenheit. So war er Mitglied der Republikaner, kandierte 2005 aber dann für die NPD zum Bundestag. Wiechmann trat und tritt immer wieder als Redner bei zahlreichen rechtsradikalen Veranstaltungen auf, auch vor extrem gewaltbereiten Freien Kameradschaften. Den Aufruf zur Kundgebung in Plön unter dem Motto „Für Arbeit, Soziale Gerechtigkeit und Sicherheit“ richtete Wiechmann an alle „patriotischen, freiheitlichen und nationalen Kräfte, unabhängig ihrer Parteizuge-
hörigkeit“. Und Wiechmann hatte Neonazi-Prominenz im Gepäck: den Holocaust-Leugner und verurteilten Gewalttäter Christian Worch. Der griff dann auch höchstselbst einmal zum Mikro, brach nach wenigen Sätzen aber schon wieder ab. Im gellenden Gegenprotest gingen seine Tiraden einfach ungehört unter.

Breites antifaschistisches Bündnis

Wie zuvor schon in Nordfriesland hatte sich auch in Plön ein breites antifaschistisches Bündnis gegen die Kundgebung formiert. Unter dem Slogan „Plön bleibt bunt“ riefen die SchülerInnenvertretung des Gymnasiums Schloss Plön, die DGB-Jugend Kiel, der Propst Matthias Petersen vom Kirchenkreis Plön-Segeberg, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten sowie andere gesellschaftliche Gruppierungen und politische Parteien zum Gegenprotest auf. Mit einem Aufruf, diversen Anzeigen und redaktionellen Beiträgen in der Lokalpresse und Flugblättern mobilisierte das Bündnis für eine Gegenkundgebung. Bei den Plöner Bürgerinnen und Bürgern stieß das auf positive Resonanz, ortsansässige Geschäfte legten Informationsmaterial aus und die Flugi-VerteilerInnen bekamen viel positives Feedback. Bloß vom Brillen-Megaseller „Fielmann“ war man ein wenig enttäuscht. Der wollte das Bündnis nicht unterstützen. Man biete „Brillen für Jedermann“, da könne man sich nicht „ideologisch“ festlegen. Da half auch nicht der Hinweis des Bündnisses, dass die DVU mit einem Bild des konzerneigenen Plöner Schlosses werbe, in dem das Untenehmen seine Akademie für Optiker untergebracht hat. Ganz anders dagegen die Reaktion der Plöner Ratsversammlung. Unterstützt von Bürgermeister Jens Paustian gab sie bereits im Vorfeld eine Erklärung ab. Rechtsradikale seien in Plön nicht willkommen: „Ein Aufmarsch Ewiggestriger und rechtsextreme Parolen gehören nicht in unsere Stadt! […] Der Hauptausschuss und die Fraktionen der Plöner Ratsversammlung unterstützen das zivilgesellschaftliche Engagement der demokratischen Öffentlichkeit und rufen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demonstration dazu auf, ein friedliches Zeichen gegen Intoleranz und Fremdenhass zu setzen.“

„Plön bleibt bunt“

Die Gegenkundgebung des Bündnisses „Plön bleibt bunt“ begann mit einer Andacht der Pastoren Michael Schwer und Jörn Kress in der Nikolaikirche am Markt. Schwer erinnerte an die Zeit des Nationalsozialismus und ermutigte die gut hundert ZuhörerInnen zum Widerspruch gegen rechte Parolen. Um halb elf Uhr dann wurde von einem Vertreter des Bündnisses auf dem Plöner Marktplatz eine Resolution vorgetragen „Gegen eine Gesellschaft des Rassismus, des Antisemitismus und der Ausgrenzung und für eine offene Gesellschaft der Demokratie und Toleranz“. In der Resolution wurde angekündigt, es nicht beim einmaligen Protest belassen zu wollen, sondern sich auch in Zukunft gemeinsam gegen Rechts und für mehr Zivilcourage zu engagieren.

Da die DVU tags zuvor kurzfristig ihre Kundgebung vom Markt an das andere Ende der Plöner Fußgängerzone verlegt hatte, zogen die TeilnehmerInnen der „Plön bleibt bunt“- Kundgebung flugs zum Wentorper Platz, auf dem die DVU-Kundgebung um 11 Uhr starten sollte. Zuvor hatten bereits einige Dutzend Protestierende versucht, den Platz zu besetzen, waren aber von der Polizei abgedrängt worden. Insgesamt fanden sich vor dem Kundgebungsort über 200 Menschen ein, die mit Trillerpfeifen, Tröten und Rasseln ihren Protest gegen die Neonazis zum Ausdruck brachten. Und alle waren vertreten: autonome AntifaschistInnen, SchülerInnen, VertreterInnen aller Parteien und Plöner BürgerInnen, von ganz jung bis ganz alt. Sie alle standen, getrennt durch zwei Polizeiketten, den etwa zwanzig Teilnehmern der DVU-Kundgebung gegenüber, die Wiechman, Worch und Co. mit nach Plön gebracht hatten, in der Mehrzahl Jugendliche, die dem Dresscode nach zu urteilen soge- nannten autonomen Nationalisten zuzuordnen sein dürften. Trotz improvisiertem Lautsprecherwagen, von Wiechmann und Worch war keine Silbe zu verstehen. Sie gingen im gellenden Protestkonzert einfach unter. Schließlich brach die braune Truppe ihre Kundgebung nach etwa einer Stunde ungehörter Schreierei ab und machte sich von dannen.

Bündnis arbeitet weiter

Insgesamt kann die Zusammenarbeit innerhalb des Bündnisses „Plön bleibt bunt“ und die Gegenkundgebung als erfolgreich bewertet werden. Zum einen ist es im Vorfeld gelungen, ein breites Bündnis von VertreterInnen unterschiedlicher politischer und gesellschaftlicher Spektren zusammenzubringen, zum anderen wurde mit der Kundgebung selbst ein deutliches Zeichen gegen Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung gesetzt. Das motiviert, und die Bündnispartner wünschen sich, dass es nicht bei dieser einen Aktion bleibt, sondern dass sich „Plön bleibt bunt“ dauerhaft als antifaschistischer Zusammenschluss für den Kreis Plön mit eigenen  Ver- anstaltungen etablieren kann. Die DVU hat angekündigt, ihre „Öffentlichkeitsoffensive“ in Niedersachsen und Schleswig-Holstein fortsetzen zu wollen. Dagegen helfen im Zweifelsfall schon ganz einfache Mittel: Trillerpfeifen!
 

(Lorenz Gösta Beutin, Gabi Gschwind-Wiese)