Rekommunalisierung der Müllentsorgung in Kiel
Das Entsorgungsunternehmen Remondis Nord wirft der Stadt Kiel in den Kieler Nachrichten vom 23.04.2010 unfairen Wettbewerb und Kampfpreise vor und fordert deshalb die öffentliche Ausschreibung und Vergabe der Kieler Müllabfuhr. „Das ist der Witz des Jahrhunderts“, so der für Remondis zuständige ver.di Vertreter Holger Buchholz aus Kiel. Das Gegenteil sei der Fall. Remondis Nord betreibe mit seinen Mitbewerbern seit Jahren einen ruinösen Wettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten, versuche immer wieder bestehende und geltende Tarifverträge zu unterlaufen. Hintergrund ist, dass Remondis Nord als Mitglied im Bundesverband der Entsorgungswirtschaft (BDE) eigentlich auch die bundeseinheitlichen Mantel- und Einkommenstarifverträge zu erfüllen hat. Remondis hat sich aber aus Arbeitnehmer- sicht einen besonders infamen Trick ausgedacht, diese Tarifverträge zu umgehen. Vor einigen Jahren übernahmen sie von den Stadtwerken Kiel zu 100 Prozent den vorher gemeinsam getragenen Betrieb STE.
Damit konstruierten sie die neue Remondis Billigtochter
für den Norddeutschen Bereich, die ausdrücklich nicht Mitglied
im BDE wurde. In diesem Unternehmen haben die Beschäftigten längere
Arbeitszeiten und einen erheblich geringeren Verdienst. Und nur mit diesem
Unternehmen beteiligt sich Remondis an den öffentlichen Ausschreibungen,
unterläuft damit den bestehenden BDE-Tarifver-
trag und zwingt Mitbewerber in den Preiskampf. Jüngstes
Beispiel zeigt sich in der unselbständigen Remondis Niederlassung
in Schleswig. Als jüngst der Entsorgungsauftrag für Schleswig-Flensburg
auslief, durften die Schleswiger kein eigenes Angebot mehr abgeben. Die
Billigtochter in Kiel-Melsdorf unterbot die Mitbewerber, indem sie mit
ihrem Billiglohn kalkulierte und anbot. Anschließend offerierte sie
den Schleswiger Mitarbeitern, dass Schleswig den Auftrag nun jetzt „leider“
nicht mehr habe, aber die Schleswiger könnten gerne als Subunternehmer
tätig werden, müssten aber ihre Arbeitszeit ohne Lohnausgleich
von 38 auf 42 Stunden verlängern und die Kürzung des bisher ein
Monatseinkommen betragenden Weihnachtsgeldes auf 500 € akzeptieren.
Würden die Beschäftigten nicht zustimmen, so dürfte Schleswig
den Auftrag künftig nicht mehr fahren und die Arbeitsplätze stünden
zur Disposition. Holger Buchholz errechnet einen jährlichen durchschnittlichen
Verlust für die Arbeitnehmer von mehr als 4000 € und nennt das
Ganze Erpressung.
In Kiel selbst gab es im vergangenen Jahr eine ähnliche
Situation, als Remondis tarifliche Absenkungen forderte. Damals beauftrage
der Betriebsrat einen Betriebsprüfer, um sich ein objektives
Bild des Gesamtunternehmens Remondis Nord machen zu können. Als dem
Prüfer aber nicht alle Zahlen zugängig gemacht wurden, brach
der Betriebsrat die Gespräche ab, wissend aus dem Wirtschafts-
ausschuss, dass das Unternehmen durchaus erhebliche Gewinne
erzielt. Lt. Holger Buchholz handelte es sich bei dem Entsorgungs-
unternehmen jahrelang um einen Musterbetrieb, solange
es von der RWE-Umwelt geführt wurde. Das änderte sich leider,
als der Privatunternehmer Rethmann bundesweit die Gruppe übernahm.
Die noch verbliebenen leitenden Kräfte mussten sich dem neuen Stil
beugen. Buchholz hält das Remondis-Angebot für absolut unseriös.
„Bei der heutigen Situation der Wirtschaft kann kein Unternehmen heute
eine Preisgarantie für 10 Jahre geben“.
Wenn es nach ver.di ginge, könnte der Abfallbetrieb
Kiel gerne via Betriebsübergang das gesamte Aufgabengebiet und die
Arbeit-
nehmer von Remondis übernehmen. „Wir wissen aus
jahrzehntelanger Erfahrung, dass das ABK im Interesse der Allgemeinheit
hervorragend wirtschaftet“. Da das ABK mehrwertsteuerbefreit sei und vor
allem keine Gewinne erwirtschaften müsse, lägen die Vorteile
auf der Hand und die hochmotivierten Beschäftigten von Dörner,
aber auch von Remondis, könnten sich zukünftig darauf verlassen,
dass mit ihnen kein Schindluder betrieben wird und bundesweit gültige
tarifliche Bestimmungen auch eingehalten werden. Buchholz bestätigt
der Kieler Kommunalpolitik ausdrücklich, dass ihre Beschlüsse
zur Rekommunalisierung des gesamten Entsorgungsbereiches Kiel richtig und
sinnvoll sind
.