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Zweiter Anlauf für CO2-Gesetz:

Endlager mit Links?

Die schwarz-gelbe Koalition in Berlin versucht einen neuen Anlauf für ein sogenanntes CCS-Gesetz. Ziel: Die Abscheidung, den Transport und die unterirdische Einlagerung von Kohlendioxid (CO2) rechtlich zu regeln. Ein erster Versuch, ein entsprechendes Gesetz durch Bundestag und Bundesrat zu bringen war vor einem Jahr sehr zum Missfallen der großen Energiekonzerne gescheitert. Im Vorfeld der Bundestagswahl erwies sich das Vorhaben als zu heikel. In den besonders betroffenen Regionen in Schleswig-
Holstein (Nordfriesland und Ostholstein) und Brandenburg (östliche Lausitz) hatte sich innerhalb weniger Wochen aus dem Nichts heraus massiver Bürgerprotest formiert, so dass die CDU den seinerzeit eingebrachten Gesetzentwurf wie eine heiße Kartoffel fallen ließ.

Worum geht es? In den Kraftwerken soll das bei der Verbrennung von Kohle entstehende CO2 in einem aufwendigen Verfahren eingefangen, verflüssigt, mit Pipelines durch die halbe Republik verfrachtet und schließlich der Atmosphäre dauerhaft in Salzstöcken oder anderen tiefen Erdschichten entzogen werden. CCS steht für Carbon Capture and Storage auf Deutsch: Kohlenstoffgewinnung und -einlagerung.

EU, Bundesregierung und die beteiligten Konzerne loben das bisher unerprobte Verfahren als Königsweg zur Rettung des Klimas. Entsprechend fließen reichlich Subventionen. Brüssel hat etliche Milliarden Euro für die Entwicklung marktfähiger Anlagen locker gemacht. 150 Millionen davon hofft zum Beispiel Vattenfall für ein Demonstrationskraftwerk in Brandenburg zu bekommen, für dessen Genehmigung das geplante Gesetz die Voraussetzung ist. Allerdings hat die Sache diverse Haken.

Es fängt dabei an, dass der energetische Aufwand immens, der Nutzen fürs Klima jedoch fraglich ist. Weil die Abtrennung kaum 100prozentig sein kann, weil ein Teil der für den Transport und Verpressung in den Untergrund eingesetzten Energie aus anderen mit CO2-Emissionen verbundenen Quellen kommen und weil das System sicherlich nicht völlig ohne Leckagen arbeiten wird, rechnen unabhängige Experten nur mit einer Verminderung der Emissionen um 70 bis 80 Prozent.

In den Kraftwerken wird der Abtrennungsprozess zudem einen erheblichen Teil der Energie schlucken. Nach Aussage von Experten aus der Branche wird sich der Wirkungsgrad auch in den modernsten Kraftwerken um etwa zehn Prozentpunkte vermindern. Damit würde er dann auf 35 Prozent oder etwas weniger abgesenkt. Der Rest der Energie ginge als Abwärme meist ungenutzt verloren. Schließlich ist da noch der Aspekt der Sicherheit, der die Menschen in den als Endlagern auserkorenen Regionen besonders auf die Palme bringt. Zum einen gibt es bisher wenig Erkenntnisse darüber, was das CO2 in einigen 100 Metern Tiefe im Boden anrichtet. Wir wissen nur, dass es sich dort in Wasser lösen und eine Säure bilden wird. Aus den USA gibt es zudem erste Erfahrungen, dass diese Säure giftige Metalle aus dem Gestein lösen kann. Die Lagerstätten müssen also für viele Jahrzehntausende sicher von den Trinkwasserreservoiren getrennt werden. Was eher unwahrscheinlich ist: Erfahrungen mit der Lagerung von Atommüll in Salz-
stöcken zeigen, daß diese selbst im Zeitraum weniger Jahrzehnte geologisch erheblich aktiver sind, als die Industrievertreter der Öffentlichkeit weis machen wollen.

Davon abgesehen gibt es auch noch das Problem von Leckagen bei Transport und Verpressung. CO2 kann schon beim Sechs- bis Siebenfachen der Konzentration, in der es üblicher Weise in der Atmosphäre vorkommt, tödlich wirken. Tritt ein Leck in einer Mulde oder in einem Talkessel bei Windstille auf, sodass das Gas nicht schnell genug verteilt wird, ersticken die Menschen in diesem Gebiet, wenn sie es nicht schleunigst verlassen. Schon verständlich also, dass keiner eine CO2-Anlage in seinem Vorgarten haben will. Bei RWE ist man daher auf die Idee verfallen, eine Pipeline aus dem Rheinland, wo der Konzern im großen Maßstab Braun-
kohle aus der Erde wühlt und verbrennt, bis nach Schleswig-Holstein bauen zu wollen. Dass daraus etwas wird ist jedoch eher unwahrscheinlich. Der neue Gesetzentwurf sieht vor, dass die Entscheidung über etwaige Endlager letztendlich auf Landesebene fallen, und im Land zwischen den Meeren sind die Bürger derart aufgebracht, dass selbst die CDU kneift.

Etwas anders scheint es hingegen in Brandenburg auszusehen. Dort gibt es zwar auch in der betroffenen Region im Südosten reichlich Protest, aber die SPD von Ministerpräsident Platzeck steht fest zur weiteren Nutzung der Braunkohle und damit auch zu den CCS-Plänen von Vattenfall. Die mitregierende Linkspartei ist zwar offiziell für ein Auslaufen des Braunkohletagebaus, unternimmt jedoch herzlich wenig, um dies politisch durchzusetzen. Entsprechend widersprüchlich auch ihre Reaktion auf den CCS-Gesetz-
entwurf. Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linkspartei), entgegen der Parteilinie ein Braunkohlefreund, will sich lieber noch nicht zum Thema äußern, und der wirtschaftspolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Thomas Domres, hat keine grundsätzlichen Einwände. Er legt nur Wert darauf, dass die Sicherheit der Bevölkerung und die Akzeptanz vor Ort „oberste Priorität“ haben müssen. Nur der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neškovi?, ehemals Richter in Lübeck und bei der letzten Wahl in der besonders betroffenen Lausitz auf dem Ticket der Linkspartei direkt gewählt, spricht Klartext: „Die unterirdische Kohlen-
dioxidlagerung birgt bislang unabsehbare Risiken für Anwohner, Umwelt und Steuerzahler.“ Es sei schon jetzt klar, dass die Folgekosten von der Allgemeinheit getragen werden sollen. Vattenfall und Co. seien dagegen fein raus. Entsprechend fordert er seine Parteifreunde in Potsdam auf, sich den Plänen zu widersetzen. Bleibt zu hoffen, dass er damit Erfolg hat.

 (wop)