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Kommentar:

Von Hunnen und Menschenrechten

Die jüngste Chinareise einer offiziellen Kieler Delegation hat zu gar merkwürdigen Allianzen geführt. Die FDP, eine Partei, der Hartz-IV-Empfänger nicht genug schikaniert werden können, deren Außenminister Genscher und Kinkel keinerlei Probleme mit innigsten Kontakten zu Militärdiktaturen und faschistischen Bewegungen hatten und deren parteinahe Friedrich-Naumann-Stiftung erst kürzlich in Honduras einen Putsch unterstützt hat, entdeckt auf einmal ihr Herz für Menschenrechte. So weit so schlecht, aber warum muss ausgerechnet die Ratsfraktion der Linkspartei dieses billige Spiel mitmachen. Und wenn sie schon in die gleiche Kerbe hauen muss, warum dann auch noch eine gemeinsame Presseerklärung? Kann man so naiv sein?

„Die Ratsfraktionen von LINKE und FDP lehnen eine Vertiefung der Beziehung zwischen Kiel und Qingdao ab. Dem werden die beiden Fraktionen auch in einem gemeinsamen Antrag zur nächsten Sitzung der Ratsversammlung Ausdruck verleihen. 'Wenn wir von dem chinesischen Wirtschaftswachstum profitieren, bedeutet das gleichzeitig, dass wir von unwürdigen Arbeits- und Lebens-
bedingungen profitieren, die bei uns undenkbar wären', erklärt Florian Jansen, Fraktionsvorsitzender der LINKEN. Anscheinend ist den Grünen das wirtschaftliche Interesse doch wichtiger als die Menschenrechte, die sie sonst immer so hoch halten', so Wolf-Dietmar Brandtner, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP.“

Besonders peinlich: Die Erklärung erwähnt die – durchaus sehr kritikwürdigen –  chinesischen Arbeitslager und vergleicht sie mit dem Vernichtungslager Auschwitz, in dem die deutschen Faschisten Hunderttausende Menschen ermordeten. Wie gesagt: Es ist ohne Frage kritisierenswert, dass in China Menschen ohne ordentliches Gerichtsverfahren in derartige Umerziehungslager gesteckt werden, und die Bedingungen dort sind, nach allem was zu hören ist, eine grobe Verletzung der  Menschenwürde. Aber sie mit einem Nazi-KZ, zudem mit einem wie Auschwitz zu vergleichen, zeugt, gelinde gesagt, von einem erheblichen Mangel an Urteilsver-
mögen und politischer Bildung.

Mal davon abgesehen, geht die Reise der Kieler nach Qingdao, einer ehemaligen deutschen Kolonie. Das wäre doch immerhin ein Anlass gewesen, statt sich selbstherrlich zum Menschenrechtsrichter aufzuschwingen, zwei, drei kritische Sätze zur deutschen Kolonialgeschichte in China zu verlieren. Qingdao (Tsingtao) hat sich das deutsche Reich seinerzeit unter den Nagel gerissen, nachdem das Land der Mitte bereits durch massive Opium-Importe der Briten und diverse Kriege der Franzosen, Briten und Japaner extrem geschwächt war. An der letzten Aggression, der Niederschlagung des sogenannten Boxeraufstandes, mit dem sich Bevölkerung gegen die ausländischen Eroberer und ihrer Lakaien im Staatsapparat auflehnte, beteiligte sich auch Deutschland.

Am 27. Juli 1900 verabschiedete Wilhelm Zwo die deutschen Soldaten, die in den Krieg nach China zogen, mit folgenden Worten: „Pardon wird nicht gegeben; Gefangene nicht gemacht. ... Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in der Überlieferung gewaltig erscheinen lässt, so möge der Name Deutschland in China in einer solchen Weise bestätigt werden, dass niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen.“ Das erinnert irgendwie an die jüngsten Äußerungen des liberalen Außenministers Guido Westerwelle, der die wahrscheinliche Be-
teiligung des Kommandospezialkräfte (KSK) an gezielten Tötungen außerhalb von Kampfhandlungen in Afghanistan - Menschen-
jagd, wie britische Medien den Vorgang treffender Weise nennen - für ein legales Mittel deutscher Außenpolitik hält.
 

                 (wop)