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Innenminister beschließen Bleiberecht
Eine Tür geöffnet

Am 18. und 19. November trafen sich die Innenminister von Bund und Ländern zu ihrer jährlichen Konferenz und beschlossen unter anderem, dass künftig Jugendliche leichter ein Bleiberecht bekommen sollen. Wir sprachen darüber mit dem Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein, Martin Link.
 

(wop)

 LinX: Wer nur eine Duldung hat, lebt mit der ständigen Angst, schon bald abgeschoben werden zu können. Wie viele Menschen sind betroffen?

Martin Link (M.L.): In Schleswig-Holstein gibt es ungefähr 1.800 Geduldete, und davon etwa 1.000, die länger als sechs Jahre im Land sind und damit als langjährig geduldet gelten. Bundesweit sind es 86.000 Geduldete, wie viele davon Langjährige sind, ist mir nicht bekannt.

LinX: Die Innenminister von Bund und Ländern haben beschlossen, zumindest Jugendlichen ein dauerhaftes Bleiberecht zu geben, wenn sie in der Schule erfolgreich sind oder anderweitig zeigen, gut integriert zu sein. Ein Schritt in die richtige Richtung?

M.L.: Ja, denn damit wird endlich die Tür für eine gesetzliche Regelung aufgestoßen, die unabhängig von irgendwelchen Stichtagen wäre. Es geht ja um Menschen, die seit vielen Jahren hier unter sehr unsicheren Bedingungen leben müssen.

LinX: Allerdings ist zu hören, dass nur die Jugendlichen, nicht aber die Eltern ein Bleiberecht bekommen sollen. Es würden also Familien auseinandergerissen.

M.L.: Das wäre natürlich unakzeptabel. Was die Bewertung des Beschlusses der Innenminister angeht, haben wir im Augenblick das Problem, dass über die Details bisher nichts bekannt ist. Es gibt jede Menge Fragezeichen. Zum Beispiel: Welche Minderjährigen fallen überhaupt unter den Beschluss? Alle oder nur die  Schul- pflichtigen? Oder nur Minderjährige ab 14 Jahren? Wenn letzteres der Fall ist, könnte eine große Zahl von Familien mit Kindern unter 14 Jahren nicht von der neuen Regelung profitieren. Das heißt so lange die Kinder nicht 14 sind, wären sie nicht sicher vor Abschiebungen. Davon abgesehen bleibt natürlich die Frage, was aus den kinderlosen Erwachsenen wird. Für uns geht es darum, dass in dem nun nach dem Beschluss der Innenminister anstehenden Gesetzgebungsverfahren darauf gedrungen wird, dass es für alle langjährig hier Lebenden ein Bleiberecht geben muss. Wir fordern, dass nach fünf Jahren Aufenthalt jeder ein Bleiberecht bekommt, und zwar ohne Ausschlusskriterien. Es kann nicht sein, dass Alte, Kranke oder Arbeitslose ausgegrenzt werden. Unbegleitete Minderjährigen müssen sofort eine unbefristet Aufenthaltsberechtigung bekommen.

LinX: Vor einigen Jahren wurde eine Altfallregelung beschlossen, die einem Teil der langjährig Geduldeten einen gesicherten Aufenthaltsstatus bringen sollte. Was ist daraus geworden?

M.L.: Diese Regelung hat tatsächlich für viele eine Verbesserung gebracht und ist bis 2011 verlängert worden. Wer in dieser Zeit einen Arbeitsplatz findet und finanziell unabhängig wird, kann ein Bleiberecht bekommen, sofern er lange genug hier ist. Im Augenblick haben viele eine Aufenthaltsberechtigung auf Probe, mit der sie sich einen Arbeitsplatz suchen können. Das ist nämlich mit einer Duldung, die alle paar Monate verlängert werden muss, kaum möglich.

LinX: Aus Bayern gibt es Berichte, dass dort Familien mit ihren Kindern in den Sammelunterkünften in einem einzigen Raum leben müssen, und das über Jahre hinweg.

M.L.: In Bayern gibt es viel mehr Plätze in diesen Lagern, als in anderen Bundesländern. Der dortige Daueraufenthalt wird als Druckmittel eingesetzt, um die Mitwirkung von Ausreisepflichtigen zu erzwingen. Menschen, die keinen Pass haben, was ihnen als Verweigerung vorgeworfen wird, müssen deshalb zum Beispiel ewig in einem solchen Lager leben. Dort sind sie dann isoliert und haben gar nicht die Möglichkeit, die Integrationsleistung zu erbringen, die sie für die Altfallregelung oder die jetzt von den Innenministern beschlossen neue Regelung brauchen. Wie sollen die Familien soziale Integration nachweisen, wenn sie in einem solchen Lager leben?

LinX: Wie sieht es mit Sprachkursen aus?

M.L.: Geduldete müssten selbst zahlen, aber die meisten haben natürlich kaum Geld. Lediglich in Hamburg gibt es auch für diese Gruppe einen Anspruch bei minimaler Selbstbeteiligung. In Schleswig-Holstein haben wir eine entsprechende Regelung gefordert, aber das wurde abgelehnt. Wir erleben es immer wieder, das Geduldete dringend nachfragen, aber keine Plätze in den Kursen bekommen. Insofern ist das ganze Gerede von Integrationsverweigerern einfach eine Frechheit.