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Indigene BäuerInnen gegen Kohleabbau in Kolumbien

Der Fluch des Reichtums

180 Besucher, viel mehr als erwartet, hatte eine Veranstaltung von Attac-Itzehoe und der Bürgerinitiative Gesundheit und Klima-
schutz Unterelbe/Brunsbüttel  mit einer Delegation aus Kolumbien, die über die Auswirkungen des Kohleabbaus für deutsche Kohlekraftwerke berichteten. Eine Anwältin (Judith Maldonado) und eine Bauernvertreterin (Gilma Rosa Tellez) von der Bauern-
organisation ASCAMCAT aus Kolumbien berichteten über Bedrohungen, Vertreibungen und Morde an der Landbevölkerung und ihren AnwältInnen, über Umwelt- und Landschaftszerstörung im großen Stil und Missachtung von bestehenden Naturschutzge-
bieten und enormem Wasserverbrauch zum Befeuchten der freigelegten Kohleflöze, damit sie nicht in Brand geraten. Die beiden Kolumbianerinnen leben im Nordosten des Landes, wo in der Region Catatumbo ein Steinkohletagebau von ca. 25.000 Hektar mit 150 Metern Tiefe geplant ist. Im folgenden dokumentieren wir Auszüge aus einem Pressebericht aus Brunsbüttel. (uws)

„Unsere Arbeit ist gefährlich. Häufig müssen wir in Gebiete, wo es bewaffnete Gruppen auf die Bauern und Indianer abgesehen haben“, berichtete Judith Maldonado. Sie klärt in der Region Catatumbo zusammen mit ihren Anwaltskollegen die Opfer von Landraub und Gewalt über ihre Rechte auf und hilft ihnen bei Behördengängen. „Die Menschen dort wissen häufig gar nicht, wie sie sich wehren und organisieren können.“ Zwei Indianerstämme mit mehr als 7.000 Mitgliedern und eine Großzahl von Kleinbauern sind von den Folgen des Kohleabbaus betroffen. „Allein in den letzten fünf Jahren sind 11 200 Kleinbauern getötet, 600 verschleppt und 130.000 zwangsumgesiedelt worden“, beschreibt die Menschenrechtlerin die Folgen des dortigen Kohleabbaus. Hinzu kommen die großen ökologischen Schäden. „Wir haben mit den Menschen hier aus Deutschland eigentlich das gleiche Ziel: Wir wollen nicht den Abbau und ihr nicht die Kraftwerke.“

Allein in der Region Catatumbo, aus der Maldonado und Tellez kommen, werden 300 Millionen Tonen Steinkohle vermutet – das größte Vorkommen Lateinamerikas, wie Jochen Schüller berichtete. Der Journalist hat für die kirchlichen Organisationen Brot für die Welt und Miserior die Deutschlandreise der beiden Kolumbianerinnen organisiert, auf der sie über die Situation in ihrer Heimat berichteten. Kolumbien sei der Hauptlieferant auch für das in Brunsbüttel geplante Kraftwerk der  Südwest- strom, erklärte Stephan Klose von der Bürgerinitiative. „Für mich war Kolumbien immer ganz weit weg“, erzählte Klose. Durch die in der Schleusenstadt geplanten Steinkohlemeiler sei der südamerikanische Staat plötzlich ins Blickfeld gerückt. „Es gibt ein ganz großes Feld von Problemen im Zusammenhang mit der Kohle, die für Brunsbüttel bestimmt sein soll.“

Wie dies schon jetzt aussieht, berichtete Judith Maldonado: Umweltschutz sei im Zweifel zweitrangig, bestehende Naturreservate würden einfach für den Tagebau überplant. Über 41.000 Hektar würden dem Kohleabbau im Catatumbo geopfert. Zugleich betonte die Anwältin, dass diese Form der Ausbeutung von  Kohlevor- kommen enorme Mengen Trinkwasser verschlinge. Gruben mit einer Tiefe von 150 Metern und 700 Metern Länge kennzeichneten den Landschaftsverbrauch. Und: Menschenrechte würden mit Füßen getreten. Die Ureinwohner verlören ihre Reservate, die Campesinos, die Kleinbauern, ihre Flächen, die sie seit Generationen bewirtschaften. All dies mit dem Ziel, Kolumbien zum Bergbauland zu machen.

Mit der Erkundung der Steinkohlevorkommen sind derzeit fünf kolumbianische, zwei kanadische und eine mexikanische Firma befasst. Den aufwendigen Abbau würden sie jedoch nicht übernehmen – zum Zuge kämen multinationale Konzerne. Bei all dem sei die Bevölkerung nie gefragt worden, erklärte Maldonado. Öffentliche Planfeststellungsverfahren wie in Deutschland üblich, gebe es nicht. Klose sagte über die Deutschlandreise der beiden Frauen, die als SOS-Ruf für ihr Land verstanden werden sollte: „Man muss sich mal vorstellen, wie wir uns fühlen würden, wenn es hier Bodenschätze gäbe und wir für den Abbau weichen müssten.“ (Quelle: shz)

Kolumbien ist der fünftgrößte Steinkohleexporteur der Welt und der zweitgrößte Lieferant für deutsche Kraftwerke. 2010 werden wahrscheinlich erstmals mehr als acht Millionen Tonnen kolumbianischer Kohle in Deutschland verbrannt. Die Kohle stammt fast ausschließlich aus den Tagebauen transnationaler Konzerne in den Departments La Guajíra und Cesár. Hauptabnehmer ist E.ON, aber auch Trianel, GKM in Mannheim, RWE und Vattenfall werden bereits beliefert oder haben Optionsverträge abgeschlossen. Kaum bekannt ist, dass die Kohleförderung in den Abbaugebieten ökologisch sensible Gebiete zerstört und zu massiven  Menschen- rechtsverletzungen führt. Gleichzeitig werden in Deutschland neue Kohlekraftwerke gebaut, die den Bedarf an Importkohle weiter steigern werden und den Ausbau der Erneuerbaren Energien behindern. Bereits die heute im Bau befindlichen Kohlekraftwerke machen die deutschen Klimaziele unerreichbar, jedes weitere würde die Situation noch verschlimmern.

Steinkohle ist nach Erdöl das zweitwichtigste Exportprodukt Kolumbiens. In den karibiknahen Abbaugebieten wird Kohle für den gesamten Atlantikmarkt gefördert. Doch der Kohleboom hinterlässt in den Hauptanbaugebieten La Guajíra und César massive Spuren. Kolumbien ist nach Russland mittlerweile der zweitgrößte Lieferant für deutsche Kraftwerke. Die Kohle stammt fast ausschließlich aus den Tagebauen in den Departments La Guajíra und Cesár. Doch der Kohleboom hinterlässt massive Spuren.

Deutschland ist einer der wichtigsten Abnehmer für kolumbianische Kohle. Es ist nicht hinnehmbar, dass Deutschland und die deutschen Energieversorger vor den Umweltzerstörungen und Menschenrechtsverletzungen die Augen verschließen. Die Bundesregierung muss dafür Sorge tragen, dass der Abbau und Handel von (Energie-)Rohstoffen transparenter gemacht wird und nicht auf Kosten von Umwelt und Menschenrechten geschieht. Eine klimafreundliche und menschenrechtlich ausgestaltete Politik muss zum Ziel haben, den Bedarf an (energetischen) Rohstoffen so schnell und umfassend wie möglich zu reduzieren und gleichzeitig die Rechte der Menschen in den Abbaugebieten zu stärken.
 

(FIAN)