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ver.di: Diskussion um Marinestandortes Kiel

Wir wollen für den Frieden arbeiten!

Die Bezirkskonferenz der Gewerkschaft ver.di in Kiel am 13. November stand unter dem Eindruck der massiven Sozialabbaupolitik des Bundes und der schleswig-holsteinischen Landesregierung. Nochmals wurde für eine rege Beteiligung an der Demonstration am 18. 11. geworben. Dieses Thema prägte auch das Grußwort des Kieler DGB-Vorsitzenden Ralph Müller-Beck, der sich für eine bessere finanzielle Ausstattung der Städte und Gemeinden aussprach. In diesem Zusammenhang kam er, wie das in Kiel gar nicht anders sein kann, auf den Umbau der Bundeswehr, bevorstehende Standortschließungen und Personalabbau zu sprechen. Eine richtungsweisende Antwort hatte er nicht zu bieten.

Seine Polemik gegen „Guttenbergs Reform“ beschränkte sich darauf, die Gefährdung von unmittelbar 7.500 und mittelbar 15.000 Arbeitsplätzen anzuprangern. „Das kann die Stadt nicht verkraften!“ Bereits bei der Gründung eines Bündnisses für den Erhalt des Marine- und Bundeswehrstandortes Kiel, das am 27. August 2010 auf Initiative der Kieler CDU gegründet wurde, hatte Müller-Beck nur zu erklären gewusst: „Kiel steht zur Bundeswehr!“ Entsprechend damals die Fraktionsvorsitzende der SPD-Ratsfraktion, Gesa Langfeldt: „Die SPD-Ratsfraktion steht fest zu ihrer Marinestadt Kiel“.

Die Zivilbeschäftigten bei der Bundeswehr gehören, soweit sie gewerkschaftlich in ver.di organisiert sind, dem Fachbereich 6 an. Im Geschäftsbericht an die  Bezirks- konferenz heißt es unter anderem: „Gegen den drohenden Personalabbau demonstrierten die Beschäftigten des Marinearsenals Kiel am 28.7.2010 beim Besuch des Verteidigungsministers in Wilhelmshaven für den Erhalt des Arsenals Kiel und den damit verbundenen Erhalt ihrer Arbeitsplätze.“ Das heißt übrigens auch, und das wird von Beteiligten hinter vorgehaltener Hand durchaus zugegeben, dass man in der gegebenen Konkurrenzsituation – da niemand daran glaubt, Guttenbergs „Reform“ gänzlich stoppen zu können –, die Schließung des Standorts Wilhelmshaven bevorzugt. Von wegen uneingeschränkter gewerkschaftlicher Solidarität. Offiziell schließt man sich nur dem Bemühen der Stadt Kiel an, die Vorzüge des eigenen Standortes zu preisen. Just am 18. November konnte die Herausgabe einer 28seitigen farbigen Broschüre mit dem Titel „Kiel. Heimathafen der Marine“ vermeldet werden, in der Oberbürgermeister und Stadtpräsidentin unter der Überschrift „Unzertrennlich!“ verkünden: „Wir Kielerinnen und Kieler sind stolz darauf, dass unsere Stadt mit über 4000 Dienstposten der größte Militärstandort in  Schleswig- Holstein ist und wir unserer Marine in der Förde beste Übungsmöglichkeiten bieten können. Nicht nur wegen der ‚Gorch Fock‘ trägt Kiel die Marine im Herzen.“  Und: „Kiel ist der perfekte Standort für eine Marine im weltweiten Einsatz.“

Der ver.di-Fachbereich 6 gehört – neben dem Deutschen Bundeswehrverband, dem DGB, dem Deutschen Marinebund, der IHK zu Kiel, dem katholischen Dekanat, dem Kirchenkreis Altholstein, der Kreishandwerkerschaft, dem Kreissportverband, der CDU Kiel, der FDP Kiel, der SPD Kiel, dem Reservistenband, dem  Unter- nehmensverbandes und dem Verband der Beamten der Bundeswehr (Westufer und Ostufer) – dem erwähnten Bündnis an und wird sich, wie im Geschäftsbericht angekündigt, auch in 2011 an dessen Aktivitäten beteiligen. Wenn der CDU-Kreisvorsitzende in seiner Aufzählung der Teilnehmer am konstituierenden Treffen des Bündnisses auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di nennt, stimmt das insofern, als eine Vertreterin der Geschäftsführung dabei war. Der ver.di-Bezirksvorstand Kiel-Plön hat allerdings bisher dem Antrag des Fachbereichs 6 und des Vorstands-Präsidiums, dass sich der ver.di-Bezirk als Ganzer dem Bündnis anschließen möge, nicht zugestimmt. Das Thema ist damit nicht vom Tisch.

In einer die Beschäftigten aller schleswig-holsteinischen Standorte einbeziehenden Erklärung von Vertrauensleuten aus Kiel, Warnemünde, Eckernförde und Wilhelmshaven, die sich an Minister Guttenberg wendet, argumentierte ver.di im August 2010 unter anderem so: „Wir nehmen an, dass Sie die Auffassung von Herrn Kapitän zur See Markus Krause-Traudes: ‚Die Sicherheit Deutschlands als größte Industrie- und Handelsnation Europas besitzt eine wichtige maritime Dimension. Sicherheit im 21. Jahrhundert angesichts der sicherheitspolitischen Herausforderungen und zunehmender Globalisierung aller Lebensbereiche ist global angelegt. Unser Globus, ..., ist zu 7/10 mit Wasser bedeckt und bildet daher die gewaltige, alles umfassende und unzerstörbare maritime Rollbahn zur Projektion wirtschaftlicher und militärischer Macht. (nachzulesen in „Die Deutsche Marine“ Ausgabe 8/2010, Seite 6).‘ mit uns teilen.“ Anschließend wird die Wichtigkeit der Arbeit der in den Marinearsenalbetrieben und Wehrtechnischen Dienststellen Beschäftigten zur Bewältigung der „Bedarfe, Erfordernisse und Herausforderungen der Deutschen Marine“ hervorgehoben; die seit Jahren fortgesetzte Personalreduzierung erschwere allerdings diese Bewältigung. – Kein Wort der Kritik an deutscher Weltmachtpolitik. Im Gegenteil: Ihre unverhohlene Unterstützung. Das ist nicht hinzunehmen!


Waffenpflege im Kieler Marinearsenal. (uws)

Selbstverständlich ist es auch überhaupt nicht hinzunehmen, dass Tausende Kolleginnen und Kollegen hier (wie überall in der Logik kapitalistischen Wirtschaftens, das auch das Handeln der „Öffentlichen Hand“ bestimmt) schlicht als Kostenfaktoren betrachtet und bei Bedarf als solcher eliminiert werden. Aber sich dagegen zu wenden, ohne auch nur den Gedanken zu äußern, dass man ja eigentlich etwas viel Besseres machen könnte und möchte, als für die Rüstung, für Krieg und Tod zu produzieren, ist für Gewerk-
schafterinnen und Gewerkschafter beschämend. Sich im Protest gegen die Tatsache, dass im Zuge der Bundeswehr-“Strukturreform“ viele Tausend Menschen mit einem Federstrich ihren Arbeitsplatz verlieren sollen, kritiklos ins Fahrwasser der Militaristen zu begeben, ist das Letzte, was sich eine Gewerkschaft leisten dürfte. Es wäre nicht das Festhalten an gewerkschaftlichen Grundsätzen, es wäre die Aufgabe ihrer eigentlichen Existenzgrundlage.

Das Fehlverhalten fängt schon da an, wo Guttenbergs Pläne schlicht als „Sparkonzept“ bezeichnet werden. Ob diese Pläne dafür besonders gut geeignet sind oder nicht: Es geht vor allem um den Umbau der Bundeswehr zu einer effizienteren, leistungsfähigeren Interventionsarmee, die ihrem verfassungswidrigen und  völkerrechts- widrigen Treiben in aller Welt, das nicht zuletzt zur Sicherung der Rohstoffnachfuhr für die deutsche bzw. in Deutschland ansässige Industrie dienen soll, weltweit immer besser nachgehen kann. Diesem Ziel müssen sich die Gewerkschaften im Bündnis mit allen GegnerInnen von Militarismus und Krieg entgegenstellen. Die Organisation einer großen Friedensbewegung ist ein dringendes Gebot der Stunde. Ebenso gilt es, dem sich bereits vollziehenden Ausbau der Bundeswehr zu einer Bürgerkriegsarmee Widerstand zu leisten.

Wartung eines U-Bootes im alten Dock im Jahre 2007. In 2010 wurden die letzten sechs U-Boote und zehn Schnellboote der alten Bauart außer Dienst gestellt. Stattdessen wurden vier Brennstoffzellen-U-Boote für den weltweiten Einsatz gebaut. Zwei weitere sollen bei HDW gebaut werden. Ein neues großes Dock für die Wartung von kleinen bis mittleren Militärfahrzeugen wurde bei Lindenau gebaut und ist nach langem Stillstand in der Erprobung. In Kiel gibt es nach dem Umbau der Marine dafür keinen Bedarf und soll dann ins Marinearsenal in Wilhelmshafen verholt werden. Wir berichteten in der LinX-Ausgabe 09/2010 über den geplanten Umbau des Marinestandortes in Kiel. (uws)

Was nutzen all diese Überlegungen den von Erwerbslosigkeit bedrohten KollegInnen und ihren Familien? Nun, nur solche Über-
legungen können helfen,  zukunfts- orientierte Forderungen aufzustellen und für ihre Durchsetzung zu kämpfen. Rüstungs-
konversion ist ein entscheidendes Stichwort: Umstellen auf Friedensproduktion! Die Anlagen sind vorhanden, hervorragend ausgebildete Menschen, alle Bedingungen zur Fortsetzung hervorragender Ausbildung für Jugendliche. Die Regierungen müssen gezwungen werden, die Menschen nicht in Perspektivlosigkeit und Armut fallen zu lassen. Die Gewerkschaften sind besonders gefordert, den notwendigen Prozess der Neuorientierung im Denken und Handeln zu organisieren, den Kampf gegen Arbeitsplatzvernichtung mit dem Kampf für wirkliche soziale Reformen zu verbinden. Hier wie eigentlich überall wird auch deutlich, wie wichtig eine breite Front des Kampfes um Arbeitszeitverkürzung für alle wäre.

Gute Arbeit! Gutes Leben! Diese Schlagworte sind in der Gewerkschaftsdiskussion populär geworden. Sie sind grundsätzlich nicht vereinbar mit der Produktion von Mordwerkzeug im Dienste des deutschen Imperialismus. Dennoch führt die Angst um den Arbeitsplatz und das Fehlen einer als realisierbar angesehenen Perspektive bei vielen KollegInnen nicht nur in ver.di zu fatalen Reaktionen. Gerade in der IG Metall eskaliert in einigen Betrieben und Bezirken der Protest gegen drohenden Arbeitsplatzverlust in direkte Forderungen nach Ausweitung der Rüstungsproduktion. In Kiel erleben wir das beim U-Boot-Bau. Es ist aber auch, noch drastischer, zu erleben in den Produktionsstätten für den Eurofighter. Wer eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von oben nach unten will, eine andere Steuerpolitik, eine Stärkung der kommunalen Finanzen usw. der kann doch auch nicht zulassen, das Milliarden Euro in der Produktion dieses Mordwerkzeugs verschleudert werden!

All dies legt den Gedanken nahe, dass eine Vernetzung antimilitaristischer, friedenspolitischer Arbeit in allen DGB-Gewerkschaften hilfreich wäre und anzustreben ist.
 

(D.L.)