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Kommentar:
Geiselnahme

Was für ein Zufall: Pünktlich zur Innenministerkonferenz, die am 18. und 19. November tagte, wurde Deutschland in den Alarmzu-
stand versetzt. Es gebe Hinweise, dass ein Anschlag von der Machart des Massakers in Bombay geplant sein könne. Seinerzeit hatten in der indische Küsten-Metropole islamistische Terroristen auf Straßen, Bahnhöfen und in einem Hotel wahllos in die Menge gefeuert und Dutzende Menschen getötet. Natürlich legte  Bundesinnenminister Thomas de Maiziére keine Belege für seine Behauptung vor. Dennoch übernahmen Printmedien und Nachrichtensendungen bereitwillig die  Bedrohungsszenarien der Regierung und garnierten sie noch mit einem Koffer, der sich als potenzielle Bombe auf dem Weg nach Deutschland befunden habe und gesprengt hatte werden müssen. Dass sich das nur einen Tag später als Geheimdienst-Fake herausstellte, war fast egal. Meldungen und schwerbewaffnete Patroullien in den Bahnhöfen waren durchaus geeignet, eine hysterische Stimmung zu erzeugen.

Dass die Kieler Nachrichten ihren Hauptartikel den ministriellen Warnungen und der vermeintlichen Kofferbombe widmete und nicht etwa der großen Demonstration vom Vortag (siehe Bericht in dieser Ausgabe), spricht zudem für den antiaufklärerischen Geist, der dieses Monopolblatt beherrscht. Denn natürlich hatte sie nichts weiter als die unüberprüfbaren Aussagen des Ministers über angebliche Hinweise zu vermelden. Sicherlich nehmen viele Menschen derlei nur noch mit einem Achselzucken war, aber dennoch bleibt sicherlich von all dem bei vielen etwas nach: Ein allgemeines Gefühl der Bedrohung, und eine vermeintliche  Bestätigung, das „den anderen“ nicht richtig zu trauen ist, ein Gefühl der „wir“ gegen die „anderen“. Man muss davon ausgehen, dass genau das gewollt ist, dass uns, den  Lohnab- hängigen und Unterprivilegierten, suggeriert werden soll, wir säßen mit Regierung und Konzernen in einem Boot und müssten gegen eine äußere Bedrohung zusammenstehen. Man kann es auch als Geiselnahme sehen. Die NATO-Regierungen führen gegen moslemische Länder einen Krieg nach dem anderen und provozieren entsprechende Anschläge. Diese oder auch nur die Aussicht auf solche sind ein prima Mittel, um den Überwachungsstaat auszubauen und Bürgerrechte weiter einzuschränken. Bei Gelegenheit lässt sich das dann ganz gut gegen die eigene Bevölkerung einsetzen. Man denke nur an den massiven Polizeieinsatz gegen die Anti-AKW-Bewegung Anfang November im Wendland.

(wop)