Kultur

"Ausgehörnt?"

Steht der Musico e.V. bald auf der Straße?

Krisensitzung im Musico-Haus an der Hörn. Rund 30 der knapp 100 Mitglieder des Musico e.V. beratschlagen, was zu tun ist, wenn die Abrissbagger kommen. Zum 29. Februar hat die Stadt den Mietvertrag gekündigt und lässt die Musicos bereits wissen, dass auch schon Ende Januar Schluss sein könnte. "Es wäre gut, wenn ihr eure Instrumente bis Ende Januar in Sicherheit bringt", appelliert Vorstandsfrau Frauke Großmann. Doch so mancher Musico will hart bleiben. Ohne rechtskräftige Kündigung keine vorzeitige Räumung. Vielmehr plant man für den 4. und 5. Februar ein letztes Festival an der Hörn. Motto: "Ausgehörnt? Musico muss bleiben!"

Fotos: Thorsten Mischke

Schon seit Jahren schwebt die Abrissbirne über dem Verein und seinem Haus mit den elf Probenräumen, wo um die 30 Bands aus der Independent- und Underground-Szene, eine musikalische Heimat gefunden haben. "Seit Gansel Oberbürgermeister ist, ist die Sache akut geworden", erzählt Frauke. 1996 schlug die Stadt als Ausweichquartier eine Etage in der Fröbelschule vor. Keine wirkliche Alternative, denn mindestens 60.000 DM hätte der Lärmschutz gekostet, unbezahlbar für den Verein, der neben der Veranstaltung von Konzerten eine wichtige kulturelle Funktion wahrnimmt - das Angebot von preiswerten Probenräumen, nicht nur in Kiel eine begehrte Mangelware.

Ende November kam nun wieder ein Brief aus dem Liegenschaftsamt. "Wir haben dem Verein verschiedene Bunker angeboten", berichtet Amtsleiter Hans Mehrens. Die Stadt arbeite derzeit "mit großem Aufwand" an einem Nutzungskonzept für ihre Bunkerliegenschaften. Doch die Musicos waren bei der ersten Begehung eines Bunkers im Pappelweg ernüchtert. "Über 90 Prozent Luftfeuchtigkeit und Schimmelpilz in den Wänden", erzählt der Vorstand Stefan Baumann. In einer vom Verein eingeholten ärztlichen Stellungnahme heißt es: "Starke Gesundheitsgefährdung". Die Trockenlegung des Bunkers würde mindestens ein halbes Jahr dauern, Musico wäre währenddessen obdachlos. Hinzu kämen sechsstellige Umbaukosten, die der Verein aus eigenen Mitteln unmöglich aufbringen könne. Ferner ist der Bunker noch nicht aus dem Zivilschutzplan gestrichen. Darüber, so Mehrens, entscheide die Innenministerkonferenz erst "irgendwann in diesem Jahr".

"Indiskutabel" und als "eine Zumutung" empfinden viele Mitglieder den Vorschlag aus dem Liegenschaftsamt, ebenso das Angebot, von der Stadt Büroräume zu mieten, um wenigstens einen Notbetrieb erhalten zu können. Für 800 DM Miete. "Da such' ich mir doch lieber was auf dem freien Markt", ärgert sich Stefan. Hans Mehrens sieht das anders: Immer wieder habe das Amt den Umzug zu Gunsten der Musicos hinausgezögert, immer wieder habe man sich um ein neues Quartier bemüht, weil "wir die kulturelle Arbeit des Vereins für wichtig halten". Nun dränge aber die Zeit, da für das Grundstück an der Hörn ein Investor gefunden sei, der sofort bauen wolle.

Musico-Vorstände Stefan Baumann und Frauke Großmann

"Einfach ablehnen" will Stefan das Angebot des Bunkers allerdings nicht, auch weil dem Verein fast keine Wahl bleibt. Ohne neues Domizil müssten sich die Musicos andere, teure Probenräume suchen. Wenn man das Geld für die Trockenlegung und den Umbau auftreiben könnte, vielleicht durch eine Bürgschaft oder zinslosen Kredit der Stadt, sei der Bunker sogar "gar nicht mal schlecht". Denn er liegt abseits von Wohnungen, Lärmprobleme entfallen. Das Gutachten eines Architekten soll Klarheit schaffen, denn, so Stefan, "bei so einem Umbau, das zeigen Erfahrungen, ist zwischen 100.000 und einer Million alles möglich". Einen "verbindlichen Zeitplan, damit wir planen können", verlangt der Verein zunächst, der sich von der plötzlichen Geschäftigkeit des Liegenschaftsamtes "nach Jahre langer Untätigkeit" unfair unter Druck gesetzt fühlt.

Bei Musico schwankt man nun zwischen der dünnen Hoffnung, dass die Stadt doch noch eine geeignetere Liegenschaft anbietet, und einem kämpferischen "Trotz alledem". Von der Politik freilich fühlen sich die Musicos im Stich gelassen. Frauke: "Von Gansel haben wir nichts zu erwarten." Und die Parteien? "Da sind nur die Grünen für uns, aber das nur pro forma, weil das in ihrem Programm steht." Finstere Zeiten drohen der Subkultur also auch an der Hörn.

(jm)

Kommentar zum Thema