Kommentar

Schimmelndes Kiel?

Es ist schon fast ein Symbol dafür, was man in städtischen Ämtern von Kultur hält - dem Musico e.V. wird ein schimmelnder Bunker als Reservat angeboten. Wundern tut das freilich nicht. Denn lang ist in Kiel die Liste der Todsünden gegen die Subkultur, jene Kultur, die sich der Direktvermarktung durch die heilige Kuh Wirtschaft entzieht und nicht mal wie die (noch) städtischen Bühnen das Merkmal "weicher Standortfaktor" für sich beanspruchen kann. Die Häuser am Sophienblatt Anfang der 80er, das "Merhaba" 1992, das Ini-Zentrum am Königsweg ein Jahr später, das Künstlerhaus Schwentine-Schule 1998 ... Sie alle wurden dem Kommerz geopfert.

Der ist Trumpf, denn er schaffe, so heißt's, Arbeitsplätze. Das wenigstens mahlen uns die Gebetsmühlen einer Partei vor, die ehemals die "Soziokultur", die Förderung des kulturellen Lebens im Stadtteil und auch das freie Spiel der "Randgruppen-Kulturen" auf ihre roten Fahnen geschrieben hatte. Lang ist's her. Mit der Mehrheitsfraktion im Rat und "ihrem" Kabinett ist längst kein Staat mehr zu machen, jedenfalls kein Kulturstaat. Noch weniger mit dem König von Kiel, der an der Spitze dieser Gesundbeter von Wirtschafts Ganden steht und hinter der hohlen Hand schon mal laut nachdenkt, ob denn diese Stadt zum Beispiel ein Schauspiel benötigt, bei dem er nicht ständiger Hauptdarsteller ist.

Unfähigkeit an allen Fronten. Da wird eine Kulturbestandserhebung veranstaltet, deren fachliche Kompetenz mehr als zweifelhaft ist. Da wird seit Jahren ein umfassendes Kulturkonzept für die ganze Stadt versprochen, das wohl auch noch weiter auf sich warten lassen wird. Denn das Konzept der Stadt heißt offenbar Kommerz ohne Kultur. Und Sparen, Sparen, Sparen!

Dabei weiß man doch, dass eine gute Kulturpolitik immer auch eine gute Sozialpolitik ist. Subkultur erfüllt hier gleich mehrere wichtige Funktionen, die sogar den Stadtvätern und -müttern einleuchten müssten. Systemimmanent argumentiert: Wer seinen Frust über gesellschaftliche Erscheinungen wie z.B. Jugendarbeitslosigkeit an Gitarre und Schlagzeug abarbeiten kann, wird vielleicht kein Kunde für das nächste Drogenhilfsprogramm. Mehr Aufmerksamkeit und weniger halbherzige Förderung von Subkultur könnte sich also langfristig sogar haushaltspolitisch rechnen.

Was nützt uns stattdessen eine aalglatte EXPO-Hörn mit rentierlichen Mieten für die Investoren, ein noch größerer Konsumtempel, eine noch breitere Straße, wenn bei all den Arbeitsplätzen und Haushaltskonsolidierungen, die das vermeintlich bringt, am Ende ein kulturloser Kommerz-Bunker namens Kiel übrig bleibt - überzogen mit dem Edelschimmel aus Geld, aber schädlich für die geistige Gesundheit?

(jm)