Kommentar

Die Freiheit, die sie meinen

Die Globalisierung, so US-Präsident Clinton am letzten Wochenende auf dem Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos, habe schon jetzt mehr Freiheit und Wohlstand in der Welt gebracht. Nur wessen Freiheit? Während Clinton vor den versammelten Spitzenmanagern der Industriestaaten sprach, musste ein Riesen-Polizeiaufgebot die Veranstaltung der Freihandelsjünger vor wütenden Demonstranten schützen.

Es wird langsam zum gewohnten Bild: Wo immer sich die Mächtigen der Welt treffen, um die Segnungen des Freihandels zu feiern, müssen sie sich hinter einem martialischen Aufgebot verschanzen: Notstand, Nationalgarde und Plastikgeschosse in Seattle - Demonstrationsverbot, Soldaten und Gummischrot in Davos. Und Während Clinton in den Schweizer Bergen über die Freiheit schwadronierte, demonstrierten seine Diplomaten auf der Konferenz zum Schutz der biologischen Vielfalt in Montreal, welche Freiheit gemeint war: Die Freiheit, zu jeder Zeit und an jeden Ort gentechnisch manipulierte Agrarprodukte zu exportieren.

Als hätte es Seattle nicht gegeben, als hätten dort nicht zahlreiche Entwicklungsländer detailliert ihre Benachteiligung innerhalb der Welthandelsorganisation beschrieben, nutzen die Konzernvertreter und ihre Regierungschefs das Treffen in Davos dazu, auf eine weitere Liberalisierung des Welthandels zu drängen. Die letzten Barrieren für die Exporte aus dem Norden sollen fallen - von den zahlreichen Zollschranken und anderen Handelshindernissen für die Industrieprodukte der Entwicklungsländer schwieg man hingegen.

Aber natürlich hat man nur das Wohl der Menschheit im Auge: Hunderte von Millionen Menschen seien durch den Welthandel aus der Armut aufgestiegen, so der schwedische Investmentfond-Manager Percy Barnik. Länder wie Südkorea und Thailand seien gute Beispiele für den Fortschritt, den die Liberalisierung gebracht habe, so Clinton.

Die beiden Herren müssen einen anderen Planeten meinen oder zumindest in den letzten Jahren irgendwie auswärts gewesen sein. Gerade die beiden genannten Staaten waren durch losgelassene Finanzmärkte in eine Schuldenfalle getrieben worden, die letztlich in der sog. asiatischen Krise zuschnappte. Während in beiden Fällen der Staat die privaten Schulden übernehmen musste, bezahlten Millionen Arbeiter und Bauern mit massivem Lohnabbau, Entlassungen und unbezahlbaren Preisen für importierten Dünger und Saatgut. Europäische und US-amerikanische Konzerne nutzten hingegen die Gelegenheit, sich Filetstücke der ins Straucheln geratenen Industrie zu sichern.

(wop)