Leserbrief

Ihr schreibt in "Der 'Barrikaden-Tauber' - Zum 100. Geburtstag von Ernst Busch" (LinX 2/00):

"Ernst Busch war ohne Frage ein wichtiger forschrittlicher Künstler und Antifaschist, ein besonderes anti-stalinistisches Engagement kann man ihm jedoch nicht unterstellen. Auch wenn manche Busch-Songs wie das martialische "Arbeiter, Bauern, greift die Gewehre" mit der zu DDR-Zeiten eingefügten Stelle "... damit Deutschland den Deutschen gehört" nach heutigen Maßstäben textlich eher grausam sind, die Beschäftigung mit der Person Ernst Busch, seinen Filmen und seinen Liedern ist jedoch auf alle Fälle lohnenswert."

Die von Euch zitierten Textstellen stammen aber aus zwei verschiedenen Liedern - und so wird leider der martialische und textlich eher grausame Eindruck künstlich hervorgerufen oder zumindest verschärft.

"Arbeiter, Bauern, nehmt die Gewehre" ist aus "Der heimliche Aufmarsch". Der Refrain geht:

Arbeiter, Bauern, nehmt die Gewehre

nehmt die Gewehre zur Hand.

Zerschlagt die faschistischen Mörderheere,

setzt alle Herzen in Brand.

Pflanzt Euer rotes Banner der Arbeit

in alle Herzen, auf jede Fabrik.

Dann steigt aus den Trümmern der alten Gesellschaft

die sozialistische Weltrepublik.

Martialisch in der Tat, aber doch in deutlich anderem Kontext als "Deutschland den Deutschen".

"Damit Deutschland den Deutschen gehört" wiederum ist eine Textzeile, die (so glaube ich - hier bin ich nicht ganz sicher - das verschloss sich noch meiner Recherche) in der Frühzeit der DDR in das Lied "Roter Wedding" eingesetzt wurde. Das war zu der Zeit, zu man sich im Osten Deutschlands Hoffnungen auf ein vereintes antifaschistisches Deutschland machte, aber der Westen "lieber das halbe Deutschland ganz, als das ganze Deutschland halb" haben wollte.

Offensichtlich gingen bei diesem Absatz Eures Artikels mangelhafte Recherche und zu bedienendes Vorurteil Hand in Hand. Dabei hättet Ihr doch für einen Stalinismus-Vorwurf einfach das "Lied der Partei" zitieren können: "So wächst aus Leninschem Geist / von Stalin geschweißt / die Partei, die Partei, die Partei."

Wiljo Heinen


Lieber Wiljo, vielen Dank für deine Hinweise. Die Teile des Artikels zum 100. Geburtstag von Ernst Busch, die ich zu verantworten habe, sind - zumindest was das Zuordnen seiner Liedertexte anbelangt - wirklich schlampig recherchiert. Auch gebe ich zu, dass die Reduzierung des Themas Ernst Busch in der DDR auf das Schlagwort "kritische Solidarität" etwas zu kurz greift. Hannes Hansen wies in einem sehr aufschlussreichen Artikel in den "Kieler Nachrichten" auf die wohl auf Druck des Staates erfolgte Einweisung Buschs in die Psychatrie hin. Du mailtest uns zu Recht, dass man auch die Enteignung seines Schallplattenverlages "Lied der Zeit" im Jahre 1953 oder Buschs ruhende SED-Mitgliedschaft hätte erwähnen müssen. "Die generelle Widersprüchlichkeit" in den Biografien sozialistischer/kommunistischer KünstlerInnen, auf die du verweist, könnte vielleicht einmal das Thema einer spannenden Artikelreihe in der LinX werden ...

Mit sozialistische Grüßen und in der Hoffnung auf noch viele solche konstruktiv-kritischen Leserbriefe an die LinX - cs