Kommentar

Kein Hirn für die Hörn

An der Hörn regiert der Investor, und der, so sein Büttel OB Norbert Gansel, darf "nicht verschreckt werden". Investoren sind Mimosen - oder auch bockige Kinder. Wenn's nicht ganz nach ihrem Willen geht, dann stampfen sie mit dem Fuß auf, und quengeln "dann gibt's hier auch keine Arbeitsplätze". Also darf Onkel Mogelcom an der Hörn bauen, was er will, Architektenwettbewerbe hin oder her, die waren ja nur eine Empfehlung. Eine städtebauliche Katastrophe? Egal - es gibt Arbeitsplätze. Und Volkstribun Gansel weiß, wie man das verkauft: "Auf städtebauliche Visionen für die nächsten Generationen kann man nicht die Arbeitslosen von heute vertrösten." Gut gebrüllt, Gansel. Allein, wie immer, auch zu kurz.

Denn das sich der Internet-Boom, der investiert, was die Bank-Server hergeben, nicht als nachhaltig erweisen wird, ist schon absehbar. Nur eine Frage der Zeit, bis der Markt gesättigt ist, weil alle vernetzt sind. Und auch nur eine Frage der Zeit bis die um bis zu 3.000% überbewerteten Aktienkurse der Spinnen im world wide web implodieren. So ein Scheinriese - einer von den eher kleineren - will sich an der Hörn ansiedeln. Dafür muss das Musico-Gebäude weichen. Der Kommentator wettet an dieser Stelle mit einer/m beliebigen LeserIn um einen Kasten Bier, dass das gerade genehmigte Gebäude der ISION AG am südlichen Hörn-Zipfel noch vor seiner Fertigstellung eine Bauruine wird.

Freilich, die SPD jubelt erstmal den Kaisern ohne Kleider zu. Als "einen der größten wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Erfolge der letzten Jahre" bezeichnete der Fraktionsvorsitzende Jürgen Fenske die Ansiedlung der ISION AG. Warum - gähn! - die "sichert Arbeitsplätze in Kiel und schafft weitere Jobs in der Wachstumsbranche Multimedia/Internet." Es sind übrigens gerade mal so um die 100 - ein Armutszeugnis für die Arbeitsmarktpolitik der SPD, wenn sie das schon als "einen der größten Erfolge" verkauft. Gleichwohl: "Die ISION AG ist exakt das, wovon wir an der Hörn geträumt haben."

Dass dieser Traum der neuen Mittler von der schönen neuen Hörnwelt in Erfüllung geht, dazu, so Fenske, trage "offensichtlich auch die schnelle und unbürokratische Genehmigungspraxis der Stadt bei". Gansel, so sagte er den KN, habe für eine schnelle Baugenehmigung "noch einige Unebenheiten ausgeräumt". So kann man die undurchsichtigen Kungeleien und Verfilzungen mit potenten Investoren natürlich auch nennen, wenn man den Musicos das Gebäude unter dem Hintern wegzieht und ihnen stattdessen einen schimmligen Bunker anbietet.

Ach ja, wir vergaßen: Wo die neue Hochtechnologie in den höchsten Tönen begrüßt wird, werkelt die SPD gleichzeitig am Abbau der Voll-Universität in Kiel. Und bei der MaK (Caterpillar) plant man den Abbau des knapp Dreifachen an Arbeitsplätzen, was an der Hörn geschaffen werden soll. Aber das nur nebenbei.

(jm)