auf & davon

"Asylmissbrauch in Milliardenhöhe aufgedeckt" So die Schlagzeilen und Nachrichtenmeldungen am vergangenen Wochenende. Was war passiert? AsylbewerberInnen als GroßverdienerInnen? Weit gefehlt: In Bremen wurde aufgedeckt, dass 500 KurdInnen sich fälschlicherweise als LibanesInnen ausgegeben hatten. Da Abschiebungen in den Libanon nicht möglich sind, sind sie so einer möglichen Abschiebung in die Türkei entgangen. Der Versuch dieser Flüchtlinge, sich auf diese Weise vor Verfolgung und Schikanen in der Türkei zu schützen, wird jetzt als unrechtmäßige Bereicherung gewertet. Die Milliardenrechnung, die sich im nachhinein als Millionenrechnung entpuppte, ergibt sich aus der Addition der Sozialhilfe, die die Betreffenden eventuell nicht erhalten hätten, wenn sie als KurdInnen Asyl beantragt und vielleicht abgeschoben worden wären. Eine abstruse Rechnung, mit der sich aber hervorragend Stimmung machen lässt.

Im niedersächsischen Lilienthal wurde ein Minderjähriger im Kirchenasyl verhaftet. Die evangelische St. Marien Gemeinde hatte den 17jährigen Kurden seit Anfang Februar in einem kirchlichen Jugendheim beherbergt. Die Polizei drang in den Gottesdienstraum des Heims ein, um den Jungen mitzunehmen. Als Rechtfertigung für diese gewaltsame Verletzung des Kirchenasyls wiesen die Verantwortlichen darauf hin, ein Jugendheim sei kein sakraler Ort. Dabei vergaßen sie aber den Umstand zu erwähnen, dass die Verhaftung im Gottesdienstraum des Heims während einer Andacht stattfand.

Wie LinX berichtete, hatten mehrere unionsregierte Länder im letzten Jahr eine Initiative gestartet, die verhindern sollte, das AsylbewerberInnen nach 3 Jahren reduzierter Sozialhilfe nach dem Asylbewerberleisungsgesetz den üblichen Sozialhilfesatz nach dem BSHG erhalten. Die Länderkammer lehnte es am 25.2. ab, die Initiative in den Bundesrat einzubringen. Damit ist jetzt, wie ursprünglich vorgesehen, die Angleichung des Sozialhilfebezugs für AsylbewerberInnen nach 3jährigem Aufenthalt auf das Niveau des Menschenwürdigen möglich.

Gerhard Schröder möchte eine neue GastarbeiterInnen-Ära einleiten, die der Luxus-GastarbeiterInnen. Es fehlt Deutschland an qualifizierten Computer-ExpertInnen, so dass plötzlich eine partielle Aufhebung des seit 1973 geltenden Anwerbestopps für ausländische Arbeitskräfte denkbar wird. Gewünscht werden v.a. Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern wie Indien oder der Tschechei. Die High-Tech-Industrie beschuldigt die Abschottungsmechanismen der deutschen Ausländergesetze, dem Standort Deutschland zu schaden. Mit dieser Zauberformel kommt nun Bewegung in das erklärte Nicht-Einwanderungsland Deutschland. Solange Flüchtlings- oder Menschenrechtsorganisationen die ausländerrechtlichen Schikanen kritisierten, die eine Arbeitsaufnahme von MigrantInnen fast unmöglich machen, wurde darauf hingewiesen, dass dies dem Schutz deutscher ArbeitnehmerInnen diene und AusländerInnen ohnehin eine enorme Belastung für den Arbeitsmarkt seien. Die gleichen Klagen, vorgetragen von der Industrie, versetzen Schröder in innovative Euphorie. Doch er begibt sich so in die Zwickmühle, einerseits die Grenzen für Flüchtlinge oder MigrantInnen, die hier als RestaurantmitarbeiterInnen, Putzkräfte oder BauhelferInnen arbeiten wollen, dicht zu halten, andererseits aber die Auserwählten, von denen man sich Profite verspricht, hereinzulassen, auch gegen den Widerstand der Gewerkschaften. Da ist von einem befristeten Arbeitsaufenthalt die Rede, obwohl schon vor 30 Jahren die Erfahrung gemacht wurde, dass auch Arbeitskräfte sich eine soziales Umfeld aufbauen, um so mehr, wenn ihre Aussichten in der Herkunftsregion nicht rosig sind, wie in Asien oder Osteuropa. Interessant sind auch die Motive der High-Tech-Industrie, geht es nur um Know-How oder auch um geringere Lohnausgaben? In jedem Fall wäre die von Schröder schon für diesen Sommer anvisierte Greencard für Computerfachkräfte keine Kehrtwende in der auf Abschottung ausgerichteten Migrationspolitik, sondern nur eine offenere Fortsetzung der schon immer eingeräumten kleinen Lücken wie Werkverträgen für Bau- oder LandwirtschaftshelferInnen, wenn es denn vermeintlich der Wirtschaft dient.

(a.w.)