Hintergrund

Kommunale Versorger unter Druck

Nicht nur in Kiel, in ganz Deutschland kommen landauf landab immer mehr Stadtwerke unter den Hammer. Die Privatisierungswelle macht selbst vor den städtischen Verkehrsbetrieben und der Wasserversorgung nicht Halt und ist - nebenbei bemerkt - nicht einmal ein spezifisch deutsches Problem. Weltweit drängen die großen europäischen und US-amerikanischen Versorger-Konzerne auf den Ausverkauf des öffentlichen Sektors. Rund 50 Kommunalpolitiker, Gewerkschafter und Betriebsräte aus allen Ecken der Republik folgten Mitte letzter Woche einer Einladung der PDS-Bundestagsfraktion, um über die Lage zu diskutieren.

Der Tagungsort ließ allerdings zunächst einen der so in Mode gekommenen Brückenschläge in die Gesellschaft vermuten: die Wuppertaler Börse. Bei näherem Hinsehen löste sich der Widerspruch jedoch schnell auf. In der Engels-Stadt wird schon lange nicht mehr mit Aktien gehandelt; die ehemalige Börse ist heute ein alternatives Veranstaltungszentrum.

Den Druck der modernen Share-holder-Gesellschaft (Aktienbesitzer) bekommt man an der Wupper dennoch zu spüren. Zwar ist hier der Verkauf der Stadtwerke noch kein Thema, berichtet Matthias Ertel, der für deren Betriebsrat arbeitet, doch die Liberalisierung der Strommärkte übt auf das Unternehmen einen erheblichen Kostendruck aus. In den kommenden Jahren sollen 600 Arbeitsplätze in den Kraftwerken der Stadt abgebaut werden, um mit den Billigangeboten der großen Konzerne mithalten zu können. Deren Preise bezeichnete die PDS-Bundestagsabgeordnete Eva Bulling-Schröter als "Kampfpreise". Die, so war man sich in der Diskussion einig, würde es trotz allen Geredes von mehr Wettbewerb nur so lange geben, bis die Konzerne wie Veba/Viag oder RWE/VEW die ungeliebte Konkurrenz der kommunalen Versorger übernommen und auf höherer Ebene neue Monopole herausgebildet haben.

Dass der Wuppertaler Arbeitsplatzabbau eher die Regel, als die Ausnahme ist, machte Ulla Lötzer deutlich, die für die PDS im Wirtschaftsausschuss des Bundestags sitzt. In Bielefeld seien 400 Beschäftigte der Stadtwerke von Entlassung bedroht, in Duisburg 450. Die dortigen Stadtwerke könnten zwar für die nächsten fünf Jahre mit Bundeszuschüssen von rund 100 Mio. DM aufgrund des Gesetzes zum Schutz der Kraft-Wärme-Koppelung rechnen, doch nach Ansicht des örtlichen ÖTV-Geschäftsführers werde das Geld statt in den Erhalt ökologisch sinnvoller Kraftwerke v.a. in den Arbeitsplatzabbau und Sozialpläne fließen.

Dabei, so Ertel, haben die Stadtwerke mit den Fernwärmenetzen durchaus einen Trumpf für die Klimaschutzpolitik in der Hand, denn in der kombinierten Erzeugung von Strom und Nutzwärme werden die fossilen Brennstoffe konkurrenzlos effizient eingesetzt. Hier sei weitere Verbesserung durch den Einsatz verbesserter Technik möglich. Außerdem sei in Deutschland der Fernwärmeeinsatz vergleichsweise gering, so dass ein Ausbau durchaus Sinn mache. Die für beide Optionen nötigen Finanzmittel würden allerdings angesichts der leeren kommunalen Kassen weiteren Privatisierungsdruck erzeugen. Sein Betriebsrat sei allerdings auf jeden Fall für den Erhalt der Eigenständigkeit, da durch die Beteiligung privater Aktionäre eine ganz andere Renditeerwartung entstünde. Manche Dienstleistung und Rücksichtnahme gegenüber den Interessen der Kommune würden dann unmöglich.

Einer seiner Kollegen forderte denn auch in der Diskussion die Verteidigung des "kommunalen Volkseigentums". Ein Kommunalpolitiker aus Erfurt wies allerdings daraufhin, dass angesichts der negativen Erfahrungen aus der DDR und auch der letzten zehn Jahre, Sozialisten immer darauf bestehen müssten, dass Volkseigentum nur Sinn macht, wenn es mit demokratischer Kontrolle verbunden wird. In Erfurt könne man derzeit erleben, wie die Stadtwerke Politik gegen die Bürger machten.

In verschiedenen Beiträgen wurde deutlich, dass mit den Stadtwerken auch der öffentliche Nahverkehr unter Druck gerät. Ist es bisher noch üblich, dass die Kommunen in Verbundunternehmen steuerlich günstig den ÖPNV mit den Gewinnen der Stadtwerke quersubventionieren, so fällt diese Möglichkeit in Zukunft in Folge der neuen Wettbewerbsgesetze fort. Die Folge: erheblicher Druck auf die Beschäftigten und z.T. drastische Lohnkürzungen und Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen. Städtische Verwaltungen versuchen in letzter Zeit mit Ausgliederungen die Verkehrsgesellschaften aus dem Tarifbereich des öffentlichen Dienstes herauszubekommen. Die Tarifgehälter für die privaten Transportunternehmen liegen um ein rundes Drittel niedriger. Langfristig werden wahrscheinlich auch die übrigen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes diese Verschiebungen zu spüren bekommen, wenn die ÖTV in den Tarifauseinandersetzungen nicht mehr ihre Hausmächte bei den Stadtwerken und Verkehrsbetrieben ins Feld führen kann.

In Berlin hat man ähnlich wie in Frankfurt/Main bereits mit den Ausgliederungen begonnen. Aber auch schon zuvor wurde der Druck auf die Angestellten der dortigen BVG erheblich erhöht. Von 27.000 Beschäftigten blieben 14.900. Die Busfahrer fahren statt 14.000 jetzt 20.000 Kilometer im Jahr. Die Kunden bekommen das durch schlechteren Service, fehlenden Ersatz bei Ausfällen und gestresstere Fahrer zu spüren. Und irgendwann bleibt dann auch die Sicherheit auf der Strecke. Jutta Matuscheck, die für die PDS im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt, rief die Anwesenden dennoch auf, nicht nur schwarz zu sehen. Die Kommunalpolitiker könnten sich gegen diese Entwicklung durchaus auch wehren, wenn sie wollten. So gebe es die viel zitierte europaweite Ausschreibungspflicht von ÖPNV-Verkehrsleistungen gar nicht, auf die sich oft berufen werde. Die Kommunen könnten außerdem in ihre Nahverkehrspläne durchaus ökologische Zielsetzungen aufnehmen. Schließlich müsse man bei allem Gerede über den defizitären Nahverkehr gelegentlich auch mal daran erinnern, dass dieser den Kommunen eine Menge Investitionen spare, die z.B. in Straßen gesteckt werden müssten, wenn alle Auto fahren würden.

Auf einen bisher wenig beachteten Aspekte der Privatisierungs- und Liberalisierungsorgie machten Eva Bulling-Schröter und ihr Mitarbeiter Uwe Witt aufmerksam. Im Bundeswirtschaftsministerium bastelt man derzeit an Überlegungen, bisherige Ausnahmen im Wettbewerbsrecht zugunsten der Wasserwirtschaft aufzuheben. Derzeit gilt noch ein Gebietsschutz, der sicher stellt, dass genau ein Unternehmen ein bestimmtes Gebiet versorgt. Damit ist sichergestellt, dass Wasser zumeist ortsnah abgesetzt wird. Das möchten die Liberalisierungsfans in Müllers Ministerium gerne aufgeben und auch auf dem Wassermarkt Wettbewerb mit Durchleitungspflichten und ähnlichem einführen. Die Folge wäre, dass Wasser über lange Wege transportiert und vermischt würde. Verstärkte Chlorierung, die in Kiel z.B. noch unbekannt ist, wäre eine von vielen unerfreulichen Nebenwirkungen. Eine andere, dass lokale Kreisläufe aufgebrochen würden und das Interesse am Grundwasserschutz dort, wo Förderung nicht mehr rentabel wäre, verloren ginge. Eine Verminderung der Wasserqualität wäre unvermeidlich und Mineralwasserproduzenten hätten den Vorteil. Auch die großen Energiekonzerne stehen bereits in den Startlöchern, um den neuen Markt zu erobern. Den Kommunen könnte hingegen eine weitere Einnahmequelle verloren gehen.

(wop)